Es fühlt sich wie eine halbe Ewigkeit an, als ich noch in der Haut von Vito Scaletta die Stadt Empire Bay unter meiner Kontrolle gebracht habe und nun, 6 Jahre später, finde ich mich als Licoln Clay auf einem Rachefeldzug durch New Bordeaux wieder. Ich habe mir die Xbox One-Version von Mafia 3 geschnappt und bin gespannt ob der Titel mit den tollen Vorgängern mithalten kann.
Licoln Clay ist frisch aus dem Vietnamkrieg zurück und freut sich einfach nur wieder „daheim“ zu sein, wenn man dies überhaupt so sagen kann, denn weder das Waisenhaus noch die Kirche oder Armee konnten Licoln all die Jahre ein Familiengefühl vermitteln. Durch seinen Kumpel Giorgi, dessen Vater niemand geringeres als der Mafia-Boss Salvatore „Sal“ Marcano ist, findet Licoln den Weg zum seinem Pflegevater Sammy Robinson, der die Bar „Black Mob“ leitet. Kaum hat Lincoln nach einer feucht fröhlichen Nacht zur Feier seiner Heimkehr die Augen aufgeschlagen muss er erfahren, dass Sammy ärger mit einer haitianischen Gang hat und daher in der Schuld von Sal Marcano steht. Es wäre viel einfacher für Ihn, wenn sich das Problem erledigen würde und daher beginnt hier eure erste Mission, indem ihr den Anführer der Haitianer ermordet. Kurze Zeit darauf werdet ihr von Marcano selbst bezüglich eines großen Jobs angeheuert, denn gemeinsam mit seinem Sohn Giorgi sollt ihr die Louisiana Federal Reserve ausrauben. Zusätzlich erhaltet ihr das Angebot der neue Boss vom Black Mob zu werden, da Marcano eurem Ziehvater Sammy diesen Job nicht mehr zutraut, doch aus Respekt nehmt ihr das Angebot nicht an. Noch am gleichen Abend des erfolgreichen Raubzugs erhaltet ihr Besuch vom Mafia-Boss persönlich, der Sammy und vieler eurer Freunde vor euren Augen ermordet. Ausgerechnet euer alter Kumpel Giorgi jagt euch eine Kugel in den Kopf, die jedoch nicht die gewünschte Wirkung erzielt und Pater James rettet euch das Leben. Kaum zu Kräften gekommen habt ihr nur ein Ziel: Alle Mitglieder der Marcano-Famile zu töten…
Ich persönlich liebe ja Open World-Titel mit einer großen Spielwelt und mit New Bordeaux hat Mafia 3 genau diese erhalten. Angelehnt an das große Vorbild New Orleans aus dem Jahr 1968, erwartet euch eine abwechslungsreiche Spielwelt, die in zehn Distrikte aufgeteilt ist. Leider kann ich nicht genau sagen wie viele Kilometer wir hier vor uns haben, aber einigen Spekulationen zur Folge soll New Bordeaux größer als 9.9 Quadratkilometer (also etwa wie in Fallout 4) sein. Das kann ich unterschreiben: Selbst mit Highspeed braucht ihr schon eine geraume Zeit, bis ihr mit dem Auto vom unteren Anfang der Karte im oberen Bezirk angekommen seid. Dabei gibt es viele Sehenswürdigkeiten wie z. B. einen stillgelegten Freizeitpark, einen Hafen, unterirdische Katakomben, die Kanalisation und einen Steinbruch zu sehen. Grandios ist auch der Umstand, dass fast jeder Stadt anhand der Gebäude, den Fahrzeugen, den Bewohnern sowie der Umgebung anzusehen ist, ob sie zu den Reicheren oder Ärmeren zählt. Wenn man hier weiter ins Detail geht fällt auch auf, dass die Anzahl an Läden bei der Unterschicht geringer ausfällt und viel weniger Geld in den Kassen zu finden ist, als es beim Gegenstück der Fall ist. Auch ist der Ton auf den Straßen in ärmeren Gegenden zum Teil etwas Rauer, aber trotz der herben Sprüche bleiben die NPCs zahm wie ein Lamm. Prügel müsst ihr definitiv nicht befürchten, denn dafür sind die virtuellen Bewohner einfach nicht Standhaft genug. Egal ob dünn, dick, Mann oder Frau – nach einem einzigen Schlag ist Ende im Gelände und der NPC sackt zu Boden. Anders wie bei einem GTA, werdet ihr für diese Aktion auch nicht mit Geld belohnt, allerdings gibt es auch Ausnahmen wo ein Angriff gegen wehrlose Bürger notwendig ist. Sollte euch nämlich jemand dabei erwischen wie ihr gerade einen Gegner beseitigt oder eine andere Straftat begeht, rennt die KI vermutlich auf schnellstem Wege zu einem nahen liegenden Telefon um die Polizei zu verständigen. Oft kann man einfach verschwinden, bis die Cops eintreffen und abwarten bis sich die Situation gelegt hat aber in einem laufenden Gefecht, muss man den NPC unter Umständen an sein Vorhaben hindern, damit z. B. ein zu befragendes Gang-Mitglied nicht entkommt.
Was gibt es eigentlich so in New Bordeaux bzw. in Mafia 3 zu tun? Jede Menge! Fangen wir mal allein mit den Story-Missionen an, denn das eigentliche Ziel besteht darin, den obersten Übeltäter Sal Marcano zu beseitigen. Hierzu müsst ihr euch von unten nach oben durchkämpfen um die Mafia-Gemeinschaft zu schwächen. Um einen der Bosse auszuschalten gilt es verschiedene Untermissionen zu bewältigen, die den jeweiligen Boss dazu bewegen aus einem Versteck hervor zu kriechen oder aber ihr erfahrt durch Befragungen den Aufenthaltsort, um die Konfrontation zu suchen. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Prozedere immer gleich und teils vorgegeben. Man kann also nicht sagen: „Ich bin mir ziemlich sicher, wo sich der Mafia-Boss aufhält und hole Ihn mir direkt!“, sondern muss sich dem roten Pfaden beugen, bis es zum “Showdown“ kommt. Erledigt ihr einen Boss gehört euch das illegale Geschäft bzw. der Distrikt für welches er verantwortlich war und ihr müsst die Führung an einen der insgesamt drei verbündeten Charaktere delegieren, die sich euch im Laufe der Story anschließen. Das besondere hierbei ist, dass sich eure Entscheidungen auf den Spielfluss auswirken und zum Vorteil oder Nachteil für euch werden können. Durch die Zuweisung von Geschäften und Distrikten verbessern sich die Beziehungen zu den anderen Charakteren, wodurch ihr z. B. mehr Lebenspunkte, verbesserte Fahrzeuge, eine schnellere Regeneration oder zusätzliche Waffen erhaltet. Granaten oder Sprengsätze könnt ihr z. B. nicht im mobilen Shop kaufen, wenn ihr es euch mit dem Charakter verscherzt habt, der für die Sprengsätze verantwortlich ist. Wenn eure Beziehung zum „Sprengmeister“ also weiterhin schlecht bleibt, werdet ihr das ganze restliche Spiel über keine Granaten einsetzen können, was das gesamte restliche Spiel unter Umständen deutlich schwerer macht. Es kann auch ganz blöd laufen, aber was dann passiert könnt ihr selbst herausfinden.
Abseits der eigentlich Story ergeben sich immer wieder ein paar Zusatzmissionen mit unterschiedlichsten Aufgaben. Mal müsst ihr z. B. jemanden zur Strecke bringen, mal diverse Transporter voller Schnaps klauen oder gestohlene Fahrzeuge hochjagen. Die Hintergründe der Missionen sind sehr verschieden und damit verbundene Dialoge sogar meist witzig, wenn man plötzlich z. B. erfährt das jemand anders beseitigt werden muss, weil er euren Auftraggeber mit Fotos erpresst, die Ihn beim Liebesakt mit einer anderen Frau zeigen. Auf schicke Cut-Scenes, wie es sie bei den Story-Missionen gibt, verzichtet man bei den Nebenmissionen und der Dialog wird aus einer Kameraperspektive gezeigt. Lieblos ist hier gelegentlich die Lippensynchronisation und manchmal bewegen sich die Lippen des NPC überhaupt nicht, obwohl ein längerer Dialog geführt wird. Ganz anderes verhält es sich in der Story, denn hier sind die vorgerenderten Zwischensequenzen richtig gut. Die Bewegungen sowie Gefühlsausdrücke kommen Glaubwürdig daher und jeder Charakter hat zudem seine eigene Art. Für meinen Geschmack wird die Atmosphäre des Spiels dadurch um ein Vielfaches bereichert. Bis auf wenige Ausnahmen ist es in der Regel nicht notwendig die Zusatzmissionen zu erledigen, aber unter Umständen Vorteilhaft für den Verlauf des Spiels, denn einige dieser Missionen drehen sich auch um eure Verbündete. Sind manche zuvor getroffenen Entscheidungen vielleicht nicht so clever gewesen, könnt hier durch das erledigen von Zusatzmissionen die Beziehung vielleicht etwas stabilisieren und euch so eine fehlende Eigenschaft zurückholen. Genial ist auch, dass das Feedback der betroffenen Personen im Dialog zur letzten Entscheidung passt und man so etwas wie „Letztes Mal hast Du mich richtig hängen lassen und ich hoffe das sowas nicht wieder vorkommt!“ zu hören bekommt. Das verwanzen von Telefonverteilern gehört auch zu einen der freiwilligen Nebenbeschäftigungen in Mafia 3. Hierzu müsst ihr Bauteile einsammeln, die überall auf der Karte zu finden sind und per Zufallsgenerator deponiert werden. Anschließend könnt die Verteiler aufbrechen und zu einer Abhörstation verwandeln. Dadurch werden in der jeweiligen Abhörzone alle Sonderziele markiert sowie Sammelobjekte wie Poster & Schallplatten angezeigt. Zudem werden dadurch alle umliegenden Feinde in der Informationsansicht sichtbar – selbst durch Wände hindurch. Gut, letzteres mag jetzt nicht wirklich logisch erscheinen und klingt ein wenig nach „Cheaten“, aber es bietet euch die Möglichkeit eine richtige Strategie für eure Infiltration zu entwickeln. Falls ihr mehr Geld braucht, könnt ihr auch Kassen von diversen Läden leeren. Manchmal stoßt ihr auch auf kleine Zettel mit teilweise komischen Botschaften darauf, die von irgendjemanden für irgendjemanden bestimmt sind und mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun haben.
Technisch macht Mafia 3 auf der Xbox One keine schlechte Figur, allerdings ist deutliches Verbesserungspotential vorhanden. Trotz Senkung der nativen Auflösung auf 900p (zum Vergleich: 1080p bei der PlayStation 4) leidet die Sichtweite, was speziell bei schnellen Autofahrten auffällt. Man hat fast das Gefühl sich einer 2D Textur am Horizont zu nähern und kann beobachten wie die Objekte nach und nach erscheinen, die zudem hinter mächtig Unschärfe verdeckt wurden. Auch der Framelock auf 30 FPS ist nicht zu leugnen, wobei ich persönlich das Gameplay eines 3rd-Person-Actiontitels bei 30 FPS sogar viel lieber habe. Bei schnellen Richtungswechseln kann man sich eine hakelige Kamerafahrt jedoch nicht wegdenken. Ebenso ein weißes Flackern und eine fehlerhafte Darstellung der Schatten muss man des Öfteren in Kauf nehmen, aber ansonsten sieht Mafia 3 auf der aktuellen Konsolengeneration richtig hübsch aus. Hinsichtlich des Gameplays gibt es für meinen Geschmack wenig Grund zur Kritik, denn die Steuerung von Lincoln läuft nach einer kurzen Eingewöhnung butterweich von der Hand und auch das Fahrverhalten der unterschiedlichen Vehikel finde ich absolut gelungen. Besonders cool sind die „Killing-Moves“ wenn ihr Gegner aus der Deckung heraus überrascht. In den Optionen habt ihr die Wahl ob eure Angriffe nur zum K. O. führen oder tödlich sein sollen, aber wir sind ja hier bei einem Mafia-Titel, daher kann Licoln ruhig sein Kampfmesser in die Körper der Gegner rammen, die einem selbst an die Wäsche wollen. 😉 Schwierig könnte ein Kampf im Inneren von Gebäuden werden, da die Kamera in der Nähe einer Wand oft nicht weiß wohin mit sich, sodass man ankommende Gegner gar nicht sieht und kurzzeitig die Orientierung verliert. Etwas Nachbesserung gelobe ich mir auch bei der Positionserkennung der Deckungen, denn oftmals steht ihr sehr nah an einer Deckungsmöglichkeit die ihr nutzen möchtet und werdet nach Betätigung der Deckungstaste zu einer anderen Deckung in unmittelbarer Nähe verfrachtet. Ein Beispiel: Man steht z. B. an der linken Mauer und möchte kurz vor dem linken Türrahmen in Deckung gehen, wird jedoch trotz ausreichendem Platz zum rechten Türrahmen umgeleitet und rennt dadurch gleich an der Tür vorbei, was die Aufmerksamkeit des Gegners auf euch lenkt.
Prinzipiell müsst ihr jedoch keine Angst vor der KI haben, denn absolut clever ist diese nicht. Zwar kommt es einem so vor, dass man nicht den Hauch einer Chance gegen 50 Gegner hat doch, wenn man sich die Zeit zu Nutze macht, wird man prinzipiell in jedem Gefecht Herr der Lage. Sobald ihr nämlich das Feuer eröffnet suchen sich eure Gegner prompt eine Deckung die sogar öfter gewechselt wird. Wenn ihr dann lang genug wartet gehen diese davon aus, dass ihr die Flucht ergriffen habt. Was dann folgt ist fast schon komisch: Der Gegner wird einzeln zu eurer letzten bekannten Position kommen und ihr könnt diesen mit Leichtigkeit durch einen „Killing-Move“ überrumpeln. Kurze Zeit später macht sich der nächste auf den Weg zu der Position und das Spielchen kann sich wiederholen, bis alle Gegner die vom Gefecht Wind bekommen haben durch eure Hand beseitigt wurden. Es kommt jedoch auch manchmal vor, dass ihr eine richtig üble Truppe erwischt die euch mächtig einheizt und auch ihr dadurch mal ins Gras beißt. Wenn dieser Fall eintritt, könnt ihr euch entspannt ein kühles Getränk aus der Küche holen, denn die anschließende Ladezeit beträgt rund eine Minute. Anschließend findet ihr euch in einem eurer sicheren Verstecke, die dem vorherigen Sterbeort am nächsten liegt, mit etwas weniger Geld in der Tasche wieder und könnt einen neuen Versuch unternehmen. Doch wo ihr schon mal da seid wäre vielleicht ein Outfitwechsel angebracht, denn in jedem der Versteck existiert üblicherweise ein Kleiderschrank, der euch die gesamte Auswahl in Mafia 3 offenbart. Im Verlaufe des Spiels sammeln sich so ein paar fertige Kombinationen aus denen ihr wählen könnt, jedoch gibt es nur eine Option: ALLES oder NICHTS! Das klingt vielleicht verwirrend, weil man unter Umständen von anderen Open World-Titeln verwöhnt wurde, aber es ist euch in diesem Spiel nicht möglich selbst Hand an Lincolns Aussehen anzulegen. Es gibt weder eine Auswahl an Frisuren, Tattoos, Hosen, Hemden, Accessoires und all dem Zeug noch Läden, wo Kleidung gekauft werden kann. Auch Autos kauft man sich nicht, denn man hat diese später einfach oder klaut sie sich.
Über Logik- sowie Scripting-Fehler müsst ihr in Mafia 3 leider auch mit einem Auge hinwegsehen, aber unter letzterem litten bereits beide Vorgängern. Daher ist es vielleicht weniger überraschend zu hören, dass man manche Teile einer Mission neustarten muss, obwohl es trotz korrekter Ausführung einfach nicht weitergeht. Manchmal wird man auch von der KI an einem Ort abgesetzt und das Auto ist samt Fahrer einfach wie von Zauberhand verschwunden, wenn man sich umdreht oder man parkt das Auto wie sau vor einem Gebäude und wenn man das Gebäude nach einem Dialog verlässt, findet man es perfekt geparkt in einer Parklücke wieder. In manchen Nebenmissionen führt ihr plötzlich Sprengsätze mit euch, die ihr an bestimmten Punkten deponieren könnt, doch habt diese weder zuvor von irgendwo mitgenommen noch gekauft. Das waren nur ein paar Beispiele die zugegebenermaßen unter der Rubrik „Kleinigkeiten“ zu verzeichnen sind, jedoch erwecken diese zumindest bei mir den Eindruck, dass ein paar Wochen mehr Entwicklungszeit dem Spiel gutgetan hätten.
Mafia 3 ist seit dem 07. Oktober 2016 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich.