Manchmal bringt Mass Effect Andromeda selbst mich als Mass Effect-Fan auf die Palme. Warum es trotz den Schwächen das beste Mass Effect ist, lest ihr in meinem Test.

Die Ausgangslage könnte wieder einmal chaotischer nicht sein. Wie spielen einen, wahlweise männlichen oder weiblichen, Ryder und haben uns für eine Besiedlungsintiative in der Andromeda-Galaxie gemeldet. Dazu wurden wir 600 Jahre in Kryostase versetzt und als wir nach langer Reise wieder aufwachen, läuft (natürlich) nichts nach Plan. Die Kolonisten und ihre Schiffe sind über das gesamte Heleus-Cluster, der eigentlich die neue Heimat werden sollte, verstreut. Die eigentlich bewohnbaren goldenen Welten sind durch eine riesige kosmische Energiewolke unbewohnbar geworden. Und zu allem Überfluss müssen wir uns auch noch mit einer Aufgabe befassen für die wir weder ausgebildet, noch vorbereitet sind.

Dieser Planet sollte eigentlich intakt sein und den Menschen als neue Heimat dienen.

Aber es hilft ja nichts, denn niemand hat Lust nach 600 Jahren Reise einfach wieder umzudrehen. Also machen wir uns auf die Suche nach einem Weg die neue Heimat bewohnbar zu machen. Glücklicherweise hat irgendeine unbekannte Macht überall in der Galaxie geheimnisvolle Reliktstätten hinterlassen. In diesen Reliktstätten werkelt eine Technologie, die es ermöglicht Planeten bewohnbar zu machen, in dem sie wahlweise die Strahlung reduziert oder die Temperatur auf ein erträgliches Maß einpegelt. Blöderweise sind wir nicht die Einzigen, die ein Interesse an dieser durchaus mächtigen Technologie haben. Neben Plünderern und anderen Gesetzlosen gibt es da noch die Kett, eine fiese uralte Alienrasse, die eine andere freundliche Alienrasse, die Angara, versklavt hat. Ihr Anführer der Archon hat nämlich über die Jahre eine dezente Besessenheit für alle Relikttechnologien entwickelt. Dummerweise kann er die Relikttechnologie nicht benutzen, aber wie sollte es auch anders sein, unser Held hingegen schon. Folgerichtig versucht der Archon unsere Pläne zu durchkreuzen und entwickelt sich so zu einem veritablen Gegenspieler.

Das Bild zeigt einen Kettsoldaten – ein Krieger des Archon

Aber BioWare-typisch müssen wir uns nicht alleine den Bedrohungen der neuen Heimat stellen. Denn uns steht ein sechsköpfiges Team zur Seite, welches ebenfalls nicht unterschiedlicher sein könnte. Wir haben Cora, eine menschliche Elite-Biotik-Kämpferin, Jaal, einen Krieger der freundlichen Alienrasse Angara, Liam, einen menschlichen „Problemlöser“, Drack, einen uralten Kroganer, Vetra, eine turianische Schmugglerin und zu guter Letzt noch Peebee, eine leicht hyperaktive Asari-Gelehrte. Dazu kommen noch unser Pilot Kallo, die Wissenschaftsoffizierin Suvi und unser Bordtechniker Gil. Alle diese Charaktere sind natürlich wieder brilliant ausgearbeitet. Ich finde, sogar besser als in Mass Effect 2, das für mich bis dato die Messlatte an Charaktertiefe hielt, denn die Charaktere reagieren nun dynamischer auf Veränderungen in der Spielwelt. So handeln wir uns teils echten Ärger ein, wenn wir in einer kleinen und „unwichtigen“ Nebenmission eine Entscheidung treffen, die einem unserer Teammitglieder nicht passt. Auch die Tatsache, dass sich die bereits aus Mass Effect 2 bekannten Loyalitätsmissionen jetzt auf mehrere Missionen aufteilen und wir so teils ein ganz neues Bild eine Charakters erhalten, trägt zur großartigen Persönlichkeit der Charaktere bei.

Die zwei Personen im Hintergrund werden noch ein Teil unseres Teams

Ich kann jedoch nachvollziehen warum einige Spieler geraden den männlichen Hauptcharakter als etwas nervig empfinden könnten, denn anders als der ehrwürdige Commander Shepard hat der junge Ryder nicht die Vernichtung des gesamten Lebens in der Galaxie vor Augen. So streut Ryder junior gerne den ein oder anderen Witz ein, die man entweder lustig findet oder eben nicht. Ich persönlich finde die Witze sehr passend, da Mass Effect Andromeda generell fröhlicher und heller gezeichnet ist – gerade im Vergleich zu Mass Effect 3.

Doch kommen wir nun zum Missionsdesign und da steht eines direkt fest. Langweilig wird einem in Mass Effect Andromeda bestimmt nicht, denn wenn man einen neuen Planeten besiedelt, wird man ersteinmal durch einer Vielzahl an Quests überschüttet. Zwar sind einige von diesen simple Sammel-Quests, wo man zum Beispiel medizinische Vorräte verteilen oder Mineralien scannen muss, um eine Bergbau-VI zu verbessern. Diese Quests sind jedoch so gut in das Narrativ der Hauptstory eingebunden, dass einem die eigentlich gameplaytechnische Leere nicht weiter auffällt. Selbst ich konnte mich, trotz meiner abgrundtiefen Abscheu gegenüber stupider Sammel-Quests im Stile von Assassin’s Creed, beim vollenden sämtlicher dieser Quests beobachten. Doch woran liegt das? Zum einen sicherlich an der guten Einbindung in die Gesamtgeschichte, denn wir haben nicht das Gefühl die Welt retten zu müssen und sammeln stattdessen Blumen für einen Heiltrank. Mass Effect Andromeda gelingt es, jeder noch so kleinen Quest, eine Bedeutung zu verleihen. Wenn wir also Sensoren aufstellen sollen, dann wissen wir, dass unsere Tat der Kolonie, der wir helfen, tatsächlich etwas bringt.

Zum anderen liegt es am mehr als meisterhaften Gameplay. Die Kämpfe spielen sich rasant und durch jede Menge Fähigkeiten und unserem Jetpack, können wir quasi unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten ausprobieren, um Kämpfe zu bestreiten. Doch auch die Fortbewegung im neuen Nomad, ein sechsrädriges Fahrzeug zur Planetenerkundung, macht einfach unheimlich viel Spaß und zu allem Überfluss, können wir unseren Nomad auch noch mit unterschiedlichen Farbdesigns sowie Leistungsverbesserungen ausstatten. Und das ist der Hauptgrund, warum die Sammel-Quests den Spielspaß nicht mildern, denn für denjenigen der in einem solchen Gefährt unterwegs ist, ist (Achtung: Phrasenalarm) der Weg das Ziel. Hinzu kommt, dass sich unseren beiden Begleiter während der Fahrt, über den Fortlauf der Geschichte unterhalten oder kleine Nettigkeiten austauschen und so ist es fast schon schade, dass wir einen kleineren Planeten nur zu Fuß erkunden können.

Hier sieht man den Nomad mal in Aktion.

Auch in Sachen Technik stößt BioWare in neue Galaxien vor. Mit dem Umstieg auf die Frostbite 3-Engine, die auch schon bei Dragon Age Inquisition zum Einsatz kam, wurden bei Mass Effect Andromeda die unscharfen Texturen der Vorgänger in der Milchstraße gelassen. Jetzt sind die Texturen scharf und die Beleuchtung sehr stimmig, wenn teils auch etwas zu dunkel. Leider kommt nun ein ein fettes aber: Während man sich über die Charaktermodelle noch streiten kann und ich den weiblichen Ryder persönlich nicht komplett „hässlich“ finde, kann ich aber auch jeden verstehen, der das anders sieht. Bei den Animationen hingegen ist irgendwas grundsätzlich schiefgelaufen (ich weiß: Spitzenwitz). Die Laufanimationen sind abgesehen vom Zick-Zack-Gang, den ich persönlich nicht rekonstruieren konnte, noch halbwegs in Ordnung, doch die Gesichtsanimationen der Asari und Menschen sehen aus, als wäre der der Lead-Animator nach der Hälfte der Arbeit plötzlich erkrankt und der Praktikant hätte den Rest in Eigenregie irgendwie hingebogen. Ich rede noch nicht einmal von fehlender Lippensynchronität, die sogar selbst in der deutschen Fassung meistens in Ordnung ist, sondern von der Darstellung der Emotionen der Charaktere! Hier versagt Mass Effect Andromeda teils auf ganzer Linie. Teilweise sieht es so aus, als ob das Gesicht einer handelnden Person mitten in der Animation in die Neutralstellung zurückkehrt. Vereinfacht erklärt: Mitten in einem traurigen Satz kehren die Gesichtszüge zum neutralen Gesichtsausdruck zurück. Das sorgt für Irritationen, die aber im normale Spielverlauf nicht störend auffallen. Das Problem entsteht erst bei genauerer Betrachtung und ist auch nicht schlimmer als bei anderen Open-World-Spielen, trotzdem ist man von BioWare besseres gewohnt und bei einem Titel, der so stark auf Emotionen als Teil des Gesamtnarrativ angewiesen ist, dürfte man das auch erwarten.

Dieser Screenshot stammt zwar von EA, die Gegend sieht im Spiel aber tatsächlich so schön aus.

Beim Sound sieht es nicht so desaströs aus, auch wenn einige Dialoge teils zu leise abgespielt werden. Dies passiert nicht in den Zwischensequenzen, sondern in der offenen Welt – gerne wenn ein Begleiter eine Begebenheit der Spielwelt kommentiert. Der Soundtrack ist allerdings sehr gut, wenn teils auch etwas spärlich eingesetzt. Die deutschen Synchronsprecher machen ihre Arbeit weitestgehend gut, auch wenn man im ein oder anderen Satz manche Worte noch stärker betonen könnte. Alles in allem ist die deutsche Synchronfassung gelungen und rechtfertigt in meinen Augen nicht ansatzweise die Warnung anderer Spielemagazine, vor der deutschen Fassung. Mass Effect Andromeda skaliert gut über alle Systeme und eine GeForce GTX 1060 in Verbindung mit einem Intel Xeon E3-1231 V3 (quasi ein i7-4770 ohne integrierte Grafikeinheit) und 14 GB DDR3-RAM reichen aus, um das Spiel auf Ultraeinstellungen mit 50-60 FPS zu spielen. Sogar kleinere Systeme kommen mit dem Spiel sehr gut zurecht. Auf einer GeForce GTX 750 TI in Verbindung mit einem Intel Core i5-6400 und 8 GB RAM, lässt sich das Spiel auf mittlerer Detailstufe noch angenehm spielen.

Der Spielspaß wird teils durch vereinzelte Bugs und kleinere Fehler getrübt. So lassen sich teils Gesprächspartner nicht anwählen, NPCs schweben in der Luft oder stecken im Boden fest. Auch manche Gegner bleiben nach ihrem Tod in, sagen wir mal, anatomisch gewagten Posen liegen. Alles in allem sind dies aber keine größeren Probleme. Die meisten lassen sich durch das simple Verlassen des Ortes beheben, denn bei der Rückkehr wird die Umgebung dank der Streaming-Engine, die Objekte dynamisch platziert um nicht immer den gesamten Planeten zu laden, neu geladen und alles funktioniert anschließend in der Regel wie gewünscht. Einige hartnäckige Fehler lassen sich aber nur durch ein Neuladen des Spielstands beheben. Die Speicherung passiert jedoch in so kurzen Abständen, dass in Verlust wertvoller Spielleistung quasi nicht auftritt.

Wertungskasten
Präsentation
9
Spieldesign
9
Atmosphäre/Story
10
Umfang
9
Technik
7
WebsiteOffizielle Website
Jan Niklas Janssen
Videoredakteur
test-mass-effect-andromeda<b>Mass Effect Andromeda</b> setzt in Sachen Story, Atmosphäre, Soundtrack und Grafikqualität neue Maßstäbe im Mass Effect-Universum. Auch das Missionsdesign und speziell das Gameplay machen das Spiel wahnsinnig gut. Leider trüben teils schlechte Animationen und gelegentliche Bugs den Spielspaß. Nichtsdestotrotz ist Mass Effect Andromeda schon jetzt mein Spiel des Jahres.