Liebes Videospiel,
wir führen mittlerweile schon eine sehr lange Beziehung. Es kommt oft vor, dass ich zurück denke, an die frühen Tage, wo ich dir exzessiv verfallen war. Den Tagen, an denen wir enorm viel Zeit miteinander verbracht haben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie du mich in andere Welten gezogen hast. Mich verführt hast, meine Zeit vor der Konsole und dem Computer zu verbringen. Zum leiden meiner Eltern. „Kind, denk mal lieber daran zu lernen! Du weißt dass du übermorgen den Test schreiben musst“. Woraufhin ich in derartigen Fällen oft überzeugend log, jedoch nur mit der Absicht zu beschwichtigen: „Jaaahaa! Habe gestern Abend und heute Mittag nach der Schule schon gelernt. Außerdem weiß ich ja was dran kommt“. Meistens aber wusste ich es nicht, da ich mich gedanklich im Unterricht lieber damit beschäftigt habe, worin ich beim nächsten Levelaufstieg meine Punkte investiere.
Neben langatmigen Sim-City- und Anno-Sessions investierte ich meine Zeit auch gerne in umfangreiche RPG’s. Je zeitintensiver ein Spiel war, desto besser gefiel es mir. Vermutlich war das auch einer der Gründe, warum ich immer weniger auf der Konsole gespielt habe und mich mehr den PC-Spielen zugewandt habe. Auch wenn natürlich für Konsolen zu 16-Bit-Zeiten und insbesondere etwas später zur 32-Bit-Zeit extrem gute JRPG’s erschienen sind. Die heute – ohne Frage – als Klassiker bezeichnet werden können.
Trotz veralteter Technik und für heutige Verhältnisse unnötig komplizierter Spielmechaniken, faszinieren viele der gut geschrieben Geschichten, der liebenswerten Charaktere und kreativen Spielwelten nach wie vor. Viele der damaligen Spielideen, die schließlich zu einem herausragenden Spiel umgesetzt wurden, hatten im Verhältnis zu heute allerdings einen Vorteil. Denn ich wage zu behaupten, dass Spieleentwickler in den 90ern weniger einem „Massen-Anbiederungszwang“ unterlagen. Weniger stark durch Unternehmen dazu angeleitet wurden das Spiel und die Spielwelt an marktkonformen Elementen – Trends die gerade gut funktionieren – auszurichten. Die Branche hatte Videospiele noch nicht generell als kalkulierbares Massenprodukt verstanden. Also wurde auch einfach mehr gewagt. Schließlich wusste noch niemand genau was mit Sicherheit immer funktionieren könnte.
Die fast immer gleichen Spiele im AAA-Bereich, mit den immer selben Spielmechaniken über alle Genres hinweg. Der Fokus auf ein Massenprodukt, welches allen gefallen soll und das zwanghaft jährliche Erscheinen eines Titels pro Franchise, haben den Markt schließlich übersättigt. Sodass die großen Publisher nun ihre Spiele so designen, dass die Konsumenten mit unnötigen Serviceinhalten und überteuerten Contenterweiterungen bei der Stange gehalten werden sollen. Dieses Vorgehen der AAA-Publisher geht allerdings oft auch auf Kosten einer konsistenten Spielwelt und wirklich kreativen Spielmechaniken. Es ist nicht mehr wichtig welche kreative Idee einmal hinter einem Spiel und der Spielwelt steckte, sondern es ist wichtig diese Idee solange glatt zu bügeln, dass jeder als potenzielle Zielgruppe in Frage kommen kann. Es jeder kaufen möchte. Zusätzlich wird dann noch die Spielwelt und die Spielhandlung in Stücke gerissen um Contentpakete und Premiumversionen schnüren zu können.
Vor diesem Hintergrund der sogenannten Servicegames ist jedoch interessant, dass Remakes und HD-Versionen ebenfalls erfolgreich vermarktet werden können.
Neben dem kürzlich erschienen Age of Empires II Definitive Editon, welches sogar die zweite HD-Erneuerung von Age of Empires II ist, scheint der Remake und Remastered-Trend nicht abzuebben. Neben den meist üblichen HD-Remakes, können alte Spiele auch komplett neu überarbeitet werden. Ein Beispiel dafür ist das kommende Final Fantasy VII, oder das vor einiger Zeit erschienene Resident Evil 2. Diese Spiele werden zwar an moderne Gameplaystandards angepasst, im besten Falle wird dennoch versucht die „Seele“ des Klassikers soweit wie möglich zu erhalten. Für die Entwickler ist dieser Anspruch allerdings eine Gradwanderung. Zum einen sollen die Ur-Fans des Franchises nicht vergrault werden und zum anderen aber auch ein Spiel veröffentlicht werden, welches sich auch über die Fangemeinde hinaus gut verkaufen lässt. Das bedeutet, dass zum einen das Spielgefühl von damals reproduziert werden soll, zum anderen aber auch mit aktuellen Gameplay-Gewohnheiten mithalten muss. Am Beispiel von Resident Evil 2 ist diese Gradwanderung zwischen dem Einfügen von modernen Elementen und dem Erhalt des alten Spielgefühls enorm gut gelungen und in dieser Form wirklich ein „RE“-Make.
Bloße HD-Remakes würde ich allerdings eher als Remastered-Version bezeichnen. So auch die schon erwähnte erste HD-Version von Age of Empires II und eigentlich jede Neuauflage, wo schlicht ein „HD“ angehängt wurde. Jedoch erfüllen auch diese HD-Versionen eine wichtige Aufgabe in der Videospielkultur. Alte Klassiker werden der heutigen Generation damit leichter schmackhaft gemacht. Ob HD-Neuauflage oder Remake. Videospielklassiker werden also nicht bloß konserviert, indem sie von einer kleinen Fangemeinde mit Mods versorgt werden, die das jeweilige Spiel an aktuelle Auflösungen und Betriebssysteme anpassen. Diese Klassiker werden durch Remakes und Remastered-Versionen auch für das noch „unwissende“ Publikum der Videospielgeschichte erlebbar gemacht.
Auch ich freue mich immer wieder auf ein neues Remake, oder Remastered-Versionen, um einen Grund zu haben, die alten Schinken wieder einmal durchnehmen zu können und zwar neu gewürzt.
Denn wie heißt es so schön: Alte Liebe rostet nicht!
Dein dich (eigentlich) noch immer liebender Verehrer,
Jan