Eine Show jagte die nächste. Auf einen Trailer folgte ein weiterer. Wie man das Spektakel nun nennen mag, ist Ansichtssache. Ob Summer Game Fest oder Nicht-E3, welchen Namen das Kind trägt ist in dem Fall aber auch eigentlich egal. Doch es zeigt ein ganz großes Problem auf, auch mit Blick auf die kommenden Wochen, Monate und Jahre. Warum? Weil das Alles irgendwie aus dem Ruder läuft.
War früher alles besser?
Um zu verstehen, was eigentlich gerade schiefläuft, müssen wir uns einmal anschauen, wie das Thema “Spieleankündigungen” noch vor Jahren ablief. Damals gab es die E3 als sehr wichtige und schillernde Veranstaltung. Gebündelt auf einige wenige Tage, fanden einige Pressekonferenzen statt, später öffentlich streambare Events. Ob Microsoft, Sony, Nintendo, Ubisoft oder Electronic Arts. Die Größen der Branche veranstalteten aufwändige Events mit großen Bühnen, einem johlenden Publikum und bei Microsoft natürlich auch einem Sportwagen auf der Bühne. Nach Los Angeles blickte in diesen Tagen alle, die sich für Videospiele interessierten. Spieleankündigungen bestanden dort teils aus CGI-Trailer, teils aus Sessions, in denen Devs auf der Bühne das jeweilige Spiel zockten und etwas dazu sagten, aber auch aus sehr klassischen Trailern. Und wir als Zuschauende waren gebannt, im Rausch, in Rage, in Freude. Der Eventcharakter hatte etwas vom Zauber einer Weltmeisterschaft im Sport. Nicht vergessen darf man aber, dass es drum herum natürlich auch noch andere Events gab, wie die Tokyo Game Show, oder die Games Convention, bzw. gamescom, die aber einen anderen Ansatz verfolgten Doch ein Umstand sorgte für einen kompletten Umbruch: Covid19.
Vor-Ort-Events waren plötzlich nicht mehr möglich und auch gar nicht mehr gewollt. Alles wurde digital. Und plötzlich passierte etwas, was vorher kaum in dem Maße vorstellbar war. Durch die quasi nicht vorhandenen Kosten für eine Show auf einer großen Bühne, konnten alle Publisher und Entwicklerstudios ihre Ankündigungen per Direct recht kostengünstig abhalten. Quasi eine Demokratisierung der Gaming-Events. Nintendo war dem ganzen sogar schon Jahre voraus mit ihrer Nintendo Direct. Geoff Keighley erschuf das Summer Game Fest, als eigene Show und Hub für alle, die nun dort oder in Eigenregie einen Showcase abhalten wollten. Daran hat sich, trotz Abebben der Pandemie, bis heute nichts geändert. Der E3 ist 2020 nicht der Schritt in das vollständig digitale Zeitalter gelungen und nagt noch heute daran. Diese konzentrierte und teuer Show hat ausgedient. Aber das ist doch gut, oder? Dieses Jahr hat mich jedoch daran zweifeln lassen.
Immer mehr, immer mehr, immer mehr
Das liegt daran, dass die Hülle und Fülle an Events schon erdrückend ist. Nintendo Directs, State of Play, PlayStation Showcase, Xbox Developer Direct, Xbox Games Showcase, Xbox Games Showcase Extended, sowie Events wie Ubisoft Forward, Capcom Showcase, Annapurna Interactive Showcase, Future Games Show (mehrmals im Jahr), Summer Game Fest, Wholesome Direct, Day of the Devs, PC Gaming Show, Devolver Direct, Tribeca Game Spotlight, OTK Games Expo, Black Voices 4 Gaming, gamescom Opening Night Live, GDC Showcase, Dames 4 Games, THQ Nordic Showcase, RGG Summer Summit, Guerilla Collective, Access Ability, Meta Quest Gaming Showcasem, Upload VR Showcase, Grasshopper Direct, The Game Awards etc. Wenn ich einen Abschnitt nur mit Aufzählungen von Events füllen kann, dann kann man sich vorstellen, wie viele Spiele dort präsentiert werden. Aber das birgt zweierlei Probleme.
Zum einen sind es an der schieren Anzahl an Showcases einfach zu viele. Ein diskutabler Punkt. Doch wenn wir allein auf die bisher abgehaltenen Events zurückblicken: Welche sind euch positiv in Erinnerung geblieben? Wahrscheinlich mit Wohlwollen gerade mal eine Hand voll Shows. Der Rest ging entweder im Überdruss unter oder hielt einfach wenig Interessantes für eine Vielzahl von Spielenden bereit. Gerade ein Summer Game Fest blieb hier absolut blass, wirkte gestreckt, ermüdete und war eher anstrengend als erheiternd. Capcom hätte sich ebenfalls ihren Showcase sparen können, weil wirklich etwas Neues zu zeigen hatte man kaum. Zusätzlich zerreißt sich die Indie-Szene, in dem wir auf unglaublich viele Showcases verteilt die teils enorm spannenden Titel serviert bekommen. Doch Problem 2 ist: Die Vielzahl dieser Shows folgt dem Rhythmus eines Maschinengewehrs. Noch nie war die Zahl an gezeigten Spielen so hoch, wie wir es seit Corona erleben. Es entsteht nicht nur Überdruss, sondern auch schlichtweg mangelnde Aufnahmefähigkeit im Kopf. Bei hunderten Titeln bleiben zwangsläufig nur einige hängen. Im Zweifel sind es einige AAA-Titel und ein paar der kleineren Spiele. Wenn ihr aber jetzt durch eine Liste der angekündigten Spiele gehen würdet, könntet ihr euch selbst dabei erwischen, wie ihr auf Titel stoßt, die ihr zwar gesehen habt, aber auch mittlerweile schon wieder verdrängt habt, weil das Kurzzeitgedächtnis so sehr vollgestopft wird.
Alles zu seiner Zeit
Ist der Showcase also nur des Showcase wegen? Profitiert man effektiv tatsächlich sehr davon? Ich behaupte, dass es andere Wege vielleicht eher tun würden. Zum einen würden viele Spiele von gebündelten Showcases profitieren. Gerade Indie-Spiele finden nicht nur bei den Großen Platz, sondern machen auch ihr eigenes Ding. Wäre es nicht sinnvoller, unter dem Mantel weniger Shows etwas Konzentriertes zu machen, aber dafür im großen Stil? Eine große Zelebrierung von Indie Games, statt zahlloser kleiner Events, hätte Alleinstellungsmerkmal. Zumal könnte auch mal mit den Terminen gespielt werden. Muss im Sommer ein Showcase den anderen jagen? Klar können sich alle auf die Bühne zwängen, aber gesehen wird nur die vorderste Reihe. Der frühe Frühling, Herbst oder zum Jahresbeginn ist dagegen gar nichts. Dort große Shows zu platzieren, die nicht zu ausufernd sind, sondern knackig und spannend, könnten für mehr Sichtbarkeit sorgen. Features kann es bei den Großen im Sommer ja trotzdem geben. Zudem kann sich die Opening Night Live noch mehr als Partner der Indies inszenieren, da ja auch gerade der Indie Arena Booth eine große Bedeutung hat und viele Titel zum Anspielen bereithält. Den Kalender besser zu nutzen, als auch gemäß dem Motto “weniger ist mehr” zu arbeiten, kann ein Weg sein. Auch bei den Großen! Denn wenn jeder Publisher einen eigenen Showcase abhält, es dann noch das große Summer Game Fest gibt, dann noch eine große gamescom Opening Night Live und dann noch die Game Awards, stellt sich die Frage: Was soll man denn alles zeigen, um die ganzen Events sinnvoll zu füllen? Das Ergebnis haben wir ja gesehen. Die meisten Showcases waren bestenfalls solide, oft aber auch langweilig und es stehen noch weitere Events an, für die man wahrscheinlich auch wieder genügend Filler einbauen muss. Gerade bei immer längeren Entwicklungsprozessen erübrigen sich dutzende XXL-Showcases mit AA und AAA-Titeln. Es gibt halt einfach nicht all paar Wochen oder Monate so viel Neues zu zeigen. Dann lieber einmal im Jahr, aber dafür auch spannend. Und bitte, liebe Game Awards, das Event ist da, um die Spiele des Jahres zu zelebrieren und nicht um Ihnen den Spotlight mit Neuankündigungen von Konsolen und Spielen zu nehmen.
Es geht auch um das „Wie“
Einige wenige, aber spannendere Events, zu anderen Zeiten im Jahr. So würde ich mir die meinen Kalender wünschen. Daneben einige spezialisierte Events wie Access Ability, Black Voices 4 Gaming oder Day of the Devs machen zur Abrundung absolut Sinn, da diese sich allein inhaltlich und mit ihrer Kernausrichtung vom Rest abheben. Das Ziel sollte doch nämlich sein, spannende Showcases auf die Beine zu stellen, die uns gut unterhalten und uns neugierig auf die Spiele machen, die da kommen. Das wollen wir als Endkonsumenten, aber das will auch die Spielebranche, um ihre Spiele möglichst gut vermarkten zu können.
Aber allein der Rahmen ist auch noch nicht die Lösung. Der PlayStation Showcase ist mir besonders dafür in Erinnerung geblieben, dass es eine reine Trailer-Show war. Ein Trailer kann funktionieren, aber so richtig neugierig macht mich ein Spiel erst, wenn mir jemand auch die Spielmechanik und Geschichte darin erklärt. Denn all das bleibt oftmals auf der Strecke. Die Starfield-Präsentation hätte als Trailer-Feuerwerk, ohne die “relativ” lockere und ungezwungene Art und Weise der Devs das Spiel zu präsentieren, gar nicht so gut funktioniert. Mein Status wechselte dadurch von neugierig auf leichter Hype. Zeigen ist eine Sache, aber das Gezeigte mit Leben zu füllen eine andere. Und auch da macht es einen Unterschied, ob mir der Spaceship-Designer direkt von seiner Vision erzählt, als ein Erzähler, der am nächsten Tag genauso gut eine Shampoo-Werbung einspricht. Lasst die Devs erzählen, aber natürlich nicht zu ausufernd. So toll es auch dort war Gameplay zu sehen, so wenig gabs aber zu den anderen Xbox-Spielen zu entdecken. Wir brauchen mehr Gameplay. Auch bei Sony vermisste ich das immer wieder. Gut hat es dagegen Ubisoft gemacht. Die waren allerdings auch damit beschäftigt genauso viele Cringe-Momente einzubauen, wie Gameplay-Szenen. Auch die halbe PC Gaming Show bestand aus solchen Momenten und machte es fürchterlich anstrengend mit anzusehen. Nichts ist schlimmer als einen sehr schlechten Gag auf anderthalb Stunden auszubreiten. Mittlerweile sollte man doch besser wissen, wie man einen guten Showcase aufzubauen hat. Stattdessen bekommen wir immer noch zuhauf inhaltsleeren PR-Sprech hingepampt. Bei Microsoft sogar noch mit einer epischen Musik, als hätten die Avengers gerade Thanos bezwungen. Wer glaubt denn, dass das irgend jemanden abholt? Ich habe auch im Übrigen nichts dagegen, wenn es zwischendurch auch mal Directs gibt, die mal einen Deep Dive zu ausgewählten Titeln machen. Meine Kritik bezieht sich eher auf die Announcement-Shows.
Halt, Stop! Es bleibt alles so, wie es ist?
Was bleibt also? Es gab viele tolle Spieleankündigungen, keine Frage. Nicht alles war etwas für mich, aber es freut mich, wenn sich auch andere darüber freuen können. Es war aber auch viel dabei, was wir nicht brauchen. PR-Geblubber, Füllmaterial, nichtssagende Trailer, Cringe-Fest, als auch eine Überflutung von Ankündigungen und Events, die uns schlichtweg überfordern und in unserem Kopf sehr stark ausgesiebt werden. Für 2024 wünsche ich mir weniger, in fokussierter Form und mit einer anderen Art und Weise der Präsentation. Bekommen wir das? Wahrscheinlich nicht. Geoff Keighley allein wird wahrscheinlich wieder drei große Events hosten. Auch die Großen werden wieder ihr eigenes Ding machen. Allein das riecht schon wieder nach einigen Shows, die am Ende gar nicht so viel zu bieten haben werden. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.