Das Ende des GAIN-Magazins

Was steht es um den kulturell geprägten Spielejournalismus?

Mit dem GAIN-Magazin stirbt nicht nur ein Print-Magazin, sondern auch ein Stück Videospieljournalismus. Mit der Bekanntgabe, dass die Zeitschrift eingestellt wird, schwirrten mir einige Gedanken dazu im Kopf. Denn auch wenn das GAIN-Magazin verhältnismäßig wenig Reichweite hatte, ist die Tragweite der Einstellung möglicherweise sogar etwas schwerwiegender. Eine kleine Aufarbeitung:

Was war das GAIN-Magazin?

GAIN, Kurzform von „Games Inside“, steht nicht für das, wofür die meisten Gaming-Magazine oder Webseiten stehen. Das 2017 gegründete Magazin hat es sich zur Aufgabe genommen, nicht das zu thematisieren, was die Masse bereits aufgreift. Kein Blick auf das Offensichtliche, sondern das, was sich dahinter verbirgt. Im Fokus steht Spielekultur. Da, wo ein Großteil der Berichterstattung aufhört, fängt GAIN erst an. Wer sind die Menschen hinter den Projekten? Wie sind sie entstanden? Welchen spielekulturellen Bezug erzeugen diese Werke? Als unkonventionell und anders bezeichnet sich das Team selbst, welches all das ehrenamtlich auf die Beine gestellt hat.

Es hat sich eine Truppe gefunden aus Redakteur*innen, mit der nötigen Vernarrtheit in das Medium Videospiele, die Gaming aus einem anderen Blickwinkel betrachten und dies zu Papier bringen wollten. Daraus entstanden tatsächlich 20 Hefte. Aber jedes davon wird dem professionellen Anspruch gerecht, den man mit diesem Projekt angestrebt hat. Bemerkbar macht sich dies schon beim Design. Als ich mit André von Spielewelten im Podcast über Gaming-Zeitschriften sprach, ging es auch um die Haptik eines Magazins. Ein Heft, welches sich hochwertig anfühlt, erzeugt in mir schon viel mehr Freude in der Nutzung. Da ging GAIN im Design voraus. Das Heft präsentierte sich als modern, strukturiert, ansprechend und wusste gekonnt Text, Bild und Infoboxen zu verknüpfen, um mir beim Lesen ein wohliges Gefühl zu geben. Und das sogar i.d.R. werbefrei.

Das GAIN-Magazin ist mehr als (ein herausragendes) Design.

Der richtige Inhalt für eine Zeitschrift

Stöbere ich im Zeitschriftenregal durch die Gaming-Magazine, so erblicke ich im Inhaltsverzeichnis oftmals noch das altbekannte Muster aus News, Preview, Review und der ein oder anderen Kolumne. Die GAIN hob sich von all dem ab. Die Kultur des Mediums hervorzuheben war das Markenzeichen, welches die GAIN schnell vom Reichweitenjournalismus abhob. Aber hätte es eine Website nicht auch getan? Vielleicht. Aber ist es etwas Besonderes ein Print-Magazin in der heutigen Zeit zu produzieren? Definitiv!

Eine Zeitschrift hat eine eigene Ästhetik. Das Blättern, der Sound umknickender Seiten, das Anfassen von Papier. Die Stimmung ist eine andere, als wenn ich durch mein Smartphone scrolle. Insofern ist die inhaltliche Ausrichtung grundsätzlich so unglaublich passend für ein Print-Magazin. Denn thematisch sind es Inhalte, die zum Nachdenken anregen und durch den kulturellen Fokus eine andere Art des Nachdenkens mit sich zieht. Denn GAIN wollte nie eine Verkaufsempfehlung aussprechen, sondern sich schlichtweg auf spielkultureller Ebene mit dem gesamten Medium befassen. Sich in solchen Momenten dafür zurückzunehmen und alle atmosphärischen Vorteile einer Zeitschrift mitzunehmen, das ist eben GAIN.

Fernab der klassischen News, Previews und Spieletests.

Woran hat’s gelegen?

Doch das klingt wie ein Heft, welches doch eigentlich Erfolg haben sollte? Leider aber ist der langfristige Erfolg ausgeblieben. Letztlich ist es wohl eine Mischung aus niedrigen Verkaufszahlen und einem zu hohen Aufwand an Zeit und Energie. Schließlich erfolgte alles ehrenamtlich. Die Inhalte sind zeit- und aufwandsintensiv, was angesichts anderer Projekte und Arbeiten, in Kombination mit Familie und Freizeit, auch eine große Belastung erzeugt. Bei einem finanziellen Erfolg hätte man hier Balance schaffen können. Dem schien allerdings nicht so. Aber warum? Handwerklich lässt sich dem Magazin nichts vorwerfen.

Liebevoll geschriebene Texte, denen Herzblut und spielekultureller Eifer in jeder Zeile anzusehen war, ergaben zusammen mit dem hochwertigen und sympathischen Design doch eigentlich die ideale Mischung. Doch der Markt der Print-Magazine ist ein heikler. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich eine einzelne Gaming-Zeitschrift 300.000-mal verkaufen konnte. Selbst die großen Verlagshäuser kämpfen um fünfstellige Absatzzahlen. Das Internet, die ständige Flut an aktuellen Nachrichten, hat die Berichterstattung der klassischen Themen innerhalb von Zeitschriften irrelevant gemacht. Doch gerade da machte GAIN eigentlich mit einem Fokus auf Spielkultur und Hintergrundinformationen einen Unterschied. War das Thema vielleicht zu sehr in einer Nische verankert?

Kultur in Videospielen, das Thema findet man selten im Reichweitenjournalismus. Generell gibt es hier wenige Adressen. Das GAIN-Magazin bediente hier einen konkreten Markt. Aber ist der überhaupt da? Scheinbar, so traurig es klingt, ist dem nur bedingt so. Vielleicht sind wir zu oberflächlich, zu desinteressiert an Videospielkultur. Denn GAIN ist nicht das einzige Beispiel. Auch WASTED war der Versuch einer anderen Art des Videospieljournalismus fernab der Klassiker. Doch auch dort ist mittlerweile Schluss. Das große Interesse ist einmal mehr ferngeblieben.

Auf so ein schickes Heft darf man ruhig stolz sein.

„Kultur…wie langweilig“

Aber es gibt auch noch Hoffnung. Jörg Luibl etwa ist mit Spielvertiefung seit Ende 2021 am Start und wagt auch mal einen anderen Blick auf das Medium. Er betrachtet u.a. kulturellen und historischen Kontext. Er wirkt zudem auch an der noch etwas unregelmäßig erscheinenden GEE, die einen Relaunch erfuhr. Auch mit Superlevel haben wir einen Blog, der sich rein auf Reportagen, Portraits etc. konzentriert. Darüber hinaus haben wir eine relativ große Retro-Szene. So gibt es hier beispielsweise das RETURN-Magazin für die Betrachtung auf die Videospielhistorie. Doch auch dies sind keine Beispiele eines Massenmarktes. Es sind Nischen, denn die Menge möchte wissen: Was gibt es Neues an Games, an Konsolen, wie gut sind die Spiele, welche Tricks und Tipps finde ich zu den jeweiligen Titeln.

„Barrierefreiheit in Videospielen“ oder „Gedanken zur Ethik historisierender Spiele“ scheinen da leider kaum zu interessieren. Das Problem mit der Finanzierung äußert sich auch auf vielfältige Art und Weise. Denn die Kosten für ein Magazin sind hoch. 1:1 hätte man diese Kosten nicht auf den Verkaufspreis des Hefts ummünzen können, da dieser sonst exorbitant hoch ausgefallen wäre. Daher war man zusätzlich auf Steady unterwegs, wo man die Redaktion zusätzlich unterstützen konnte. Aber auch die Förderausgabe bildete, für einen gewissen Aufpreis, eine Möglichkeit zur Gegenfinanzierung. Werbung war nie ein Thema, man wollte es vom Heft fernhalten. Der Grund ist recht einfach: Authentizität! Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass man in irgendeiner Abhängigkeit zu den Werbepartnern steht, in Bezug darauf, dass man Berichte beschönigt, bzw. weniger kritisch schreibt, um Werbegelder sicherzustellen.

In GAIN gab es schon so manch eine spannende Hintergrundgeschichte.

Hat spielekultureller Journalismus keine Zukunft?

Die vorhin genannten Beispiele zeigen: Es gibt Bedarf nach journalistischer Arbeit, die über News, Previews, Reviews hinaus gehen. Spielevertiefung, Superlevel, GEE, aber auch ein OK COOL sind u.a. der Beweis dafür, dass eine andere Art der Berichterstattung eine Fan Base hat. Von daher werden solche Inhalte aktuell, als auch in Zukunft, geklickt, gelesen und gehört. Print-Magazine werden aber allein schon aufgrund der Mehrkosten und dem Mehraufwand vor größeren Problemen stehen. Es wird auch da sicherlich immer das ein oder andere Heft geben, aber es bleibt eben auch eine Nische. Digitale Inhalte haben eher eine Überlebenschance. Steady und Patreon bieten hier eine attraktive Möglichkeit die jeweiligen Projekte direkt zu unterstützen. Dafür brauchen wir aber auch das Bewusstsein, dass solche aufwändigen Arbeiten, die oft auf Werbung verzichten oder diese nur sehr spärlich nutzen, nicht kostenlos sein können. Es sind eben keine kurz umgeschriebenen Presse-News, sondern Arbeiten, die Tage oder Wochen der Recherche und Verschriftlichung benötigen.

Auch wenn WASTED und nun auch GAIN leider gescheitert sind, bin ich dennoch optimistisch, dass wir eine solche Art der Berichterstattung auch weiterhin sehen werden. Deutschland hat einige großartige Blogs, Webseiten, Magazine und Journalist*innen. Bauen wir darauf und unterstützen wir jene im Rahmen unserer Möglichkeiten, selbst wenn es nur ein gutes Wort ist, das wir einlegen. Das passt eigentlich sehr gut zum Titelthema der letzten Ausgabe: Hoffnung.

Autor*in

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