Warum sich AAA-Spiele kaum noch verkaufen, wie geplant

Square Enix ist am Straucheln. Nach neuesten Erkenntnissen liegen die Verkäufe deren Spiele durch die Bank weg unter den Erwartungen. Selbst der große Platzhirsch, „Final Fantasy“, spült nicht die erhofften Summen in die Kassen. Doch es scheint sich nicht um einen zugeschnittenen Fall zu handeln. Einigen Reports zufolge performt „Hellblade 2“ zum Start hin nicht wie erhofft, „Suicide Squad“ floppte, bei Embracer beklagt man sich über schwache Zahlen zu „Alone in the Dark“ sowie „Outcast 2“ und bei Microsoft schloss man gleich mehrere Studios aufgrund schwächerer Verkaufszahlen. Warum ist das so?

„Den Erwartungen nicht gerecht geworden“

News zu Verkaufszahlen, in Bezug auf Videospiele, waren zuletzt ernüchternd. Zahlreiche Publisher beklagten schlechte Zahlen, die den Erwartungen nicht gerecht werden würden. Jüngstes Beispiel ist Square Enix. Weder „Foamstars“, noch „Final Fantasy 7“ oder „Final Fantasy 16“ konnten so richtig zufriedene Gesichter in der Führungsetage erzeugen. Die Debatte wurde von Jacob Navok initiiert, welcher mal bei Square Enix als Director of Business tätig war. Dieser lieferte eine Zusammenstellung der Zahlen und Erwartungen aus denen hervor geht, dass kein Titel der jüngsten Releases den Erwartungen gerecht werden konnte. Nicht selten gab es aber auch Kritik an Square Enix für die eben erwähnten Ziele. Doch Navok erläuterte, dass diese keineswegs zufällig entstanden seien. Vielmehr machte er es an einem Beispiel deutlich: Wenn man ein Budget von etwa 100 Millionen US-Dollar bei einer Entwicklungszeit von ca. 5 Jahren bereitstellen würde, müsse das Spiel deutlich mehr als 100 Millionen einspielen, um erfolgreich zu sein. Wenn man im gleichen Zeitraum die 100 Millionen am Aktienmarkt investieren würde, hätte man in dem Rechenbeispiel ein ROI (Return on investment) von 14,5%, was im Final Fantasy 7-Zeitraum ca. 201 Millionen US-Dollar wären. 100 rein, 201 raus. So ist seine Rechnung. Ein Spiel müsste somit also über das doppelte der Investitionssumme einspielen, damit intern von einem Erfolg gesprochen werden kann, da man andernfalls im gleichen Zeitraum über andere Mittel mehr Geld hätte erwirtschaften können. 

Final Fantasy 16 verkaufte sich unter den Erwartungen.

Corona und Fortnite als Game Changer

So viel zum trockenen Teil. Die neuesten Final Fantasy Ableger erfüllten diese Erwartungen jedoch nicht. Bei „Final Fantasy 16“ scheint es zumindest, als könne man nach ca. 18 Monaten diesen Punkt erreicht haben. Bei „Final Fantasy 7 Rebirth“ sieht es hingegen düsterer aus, doch woran liegt das? Jacob Navok nennt auch hierfür Gründe: Zum einen, sei der Zeitpunkt ein Problem gewesen. Als die Budgets festgelegt wurden, befanden wir uns noch in der Pre-Corona-Zeit. Nicht nur die Pandemie allein, hat den Markt und die Budgets der Spieleentwicklung verändert. Zum anderen, wäre da noch die Pre-Fortnite-Ära. Wie Spiele konsumiert und gekauft werden, habe sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Es gäbe nun viel mehr F2P-Games, die keine Kostenbarriere von 70 oder mittlerweile 80€ hätten. Früher habe man sich nur daran orientiert, ein Spiel nicht direkt dann zu releasen, wenn ein Call of Duty oder ein Assassin’s Creed erscheint. Heutzutage seien Spiele wie „Fortnite“, „Call of Duty: Warzone“ und Co mit ein wesentlicher Faktor. Neue Updates oder Seasons würden dafür sorgen, dass diese „Evergreens“ immer wieder gespielt werden und viele Konsumenten daher gar nicht mehr bereit wären, viel Geld für Vollpreistitel in die Hand zu nehmen. Zudem schaue man vor dem Kauf nun vermehrt auf die Reviews. Nur die absoluten 9/10 oder 10/10 Spiele hätten da noch eine Chance auf dem Vollpreismarkt.

Fortnite ist ohne Zweifel das einflussreichste Spiel der letzten Jahre.

Eine 9/10 ist okay

Tatsächlich ist die Debatte rund um Metacritics allgegenwärtig. Vor jedem großen Release gibt es bereits Diskussionen um eine mögliche Höhe des Metascores. Dabei muss man vorab Wissen, dass die Stufen bei Videospielen anders gewichtet werden, wie bei Film, Fernsehen und Musik. Oftmals erhalten Publisher auch Bonis – je nach erreichtem Score Index.

Bei Videospielen werden Wertungen unterhalb der 75% grundsätzlich eher nur noch als „Fan-Ware“ angesehen. Doch selbst in der Range zwischen 75 und 89% bewegen wir uns in einem Segment, der zwischen „Masterclass“ und der besagten „Fan-Ware“ steht. Mit erreichen der 90% Marke erhält ein Spiel automatisch den „Must-Play“-Badge und genießt damit direkt positive Aufmerksamkeit. Man darf jedoch keine falsche Schlussfolgerung daraus ziehen, denn die kausalen Zusammenhänge sind vielschichtiger. Eine gute Wertung allein macht noch keinen Hit! Es kommt in dem Fall noch auf das Genre, das Marketing, die aktuelle Marktlage etc. an. Navok erwähnt einen weiteren, nicht unwichtigen Punkt: Die Spieleentwicklung sei in den letzten Jahren enorm kostspieliger geworden. Darunter z. B. gestiegene Löhne, höhere Preise für Assets nebst Energiekosten sowie immer größere Teams für immer größere Spiele. Im Gegensatz dazu sind die Verkaufspreise von AAA-Games nur geringfügig teurer geworden. Lange Zeit galt 60€ als der „Gold-Standard“. Mit der letzten Generation erhöhte sich der Preis auf 70€ und kratzte zuletzt nicht selten auch an der 80€ Grenze. Genau hier sind wir an dem Punkt angelangt, wo wir über eine mögliche Lösung für all diese Probleme philosophieren.

AAA-Spiele werden tendenziell immer größer, teurer und aufwändiger.

Wie kommt die Branche aus dem Loch raus?

Ganz klar: Ein leichter Weg wäre es, die Preise zu erhöhen. Doch ist die Gesellschaft bereit 90, 100 oder vielleicht sogar 120€ für ein AAA-Spiel auszugeben? Da die Reallöhne gar nicht in dem Umfang wie die tatsächlichen Kosten im Alltag steigen, wäre dies ein schwieriger Weg. Es würde vermutlich dazu führen, dass die Leute weniger Spiele kaufen. Selbst wenn, würden erfolgreiche Verkäufe nur bei ganz wenigen Spielen erreicht werden, da viele Publisher das Risiko einer kostspieliger Entwicklung solcher AAA-Games erst gar nicht mehr auf sich nehmen würden. Eine andere Möglichkeit wäre, die Spiele gleichzeitig über andere Wege zu monetarisieren, wie es einige Publisher bereits praktizieren. „EA Sports FC24“ ist mit seinem „Ultimate Team“ sicherlich mit das komplexeste Paradebeispiel, da neben klassischen In-Game-Käufen auch weitere Anreize durch Belohnungsmechanismen und zufälligen Objekten in Form von Kartenpaketen geschaffen werden, die Spieler motivieren können, länger im Spiel zu bleiben. Jedes Spiel könnte so grundsätzlich einen gigantischen Erfolg verbuchen, aber das werden sehr wahrscheinlich nicht alle schaffen.

fifa 19
FIFA, bzw. EA Football Club, hat verdient einen Großteil mittlerweile mit Mikrotransaktionen.

Ein anderer Weg, den Navok ebenfalls erwähnt, ist es, die Zielgruppe zu vergrößern. Da immer mehr Menschen Videospiele konsumieren, sollte das doch easy sein. Doch wenn wir mal jene ausklammern, die aufgrund der Tatsache, dass sie Mobile Gamer sind und/oder veraltete PCs/ Konsolen besitzen, wird die Luft etwas dünner. Da wären wir wieder bei dem Thema, dass sich viele Leute in Free-2-Play-Games wiederfinden und erstmal überzeugt werden müssen, viel Geld für ein Spiel auszugeben, wenn sie auch „Roblox“, „Fortnite“ oder „Call of Duty: Warzone“ spielen können. Gehen wir nochmal zurück auf das Beispiel „Final Fantasy“. Hier ist Square Enix Exklusivpartnerschaften mit Sony eingegangen. Sicherlich dürfte das Taschengeld von Sony bei Weitem nicht ausreichen, um die fehlenden Verkäufe aufgrund gestiegener Kosten während der Corona-Pandemie auszugleichen. Darum legte das Unternehmen auch fest, sich von solchen Exklusivverträgen zukünftig zu verabschieden. Das heißt: Wir dürfen in Zukunft grundsätzlich davon ausgehen, dass alle Spiele von Square Enix immer für PlayStation 5, Xbox sowie PC erscheinen werden. Sony hat zuletzt die Entscheidung getroffen, ihre Exklusivtitel immer für den PC zu bringen und machte es Microsoft somit nach. Die Redmonder hatten im Vorfeld bereits verkündet, die Xbox-Exklusivspiele auch auf die PlayStation und Switch zu bringen. Damit wackelt das Konstrukt „Exklusivspiel“ massiv und wenn mir mal ehrlich sind, ist die Entwicklung der Spiele auch viel zu teuer, um stets nur die eigene Hardware (Zielgruppe) einzubeziehen. 

Brauchen wir überhaupt so viele AAA-Games?

Ein dritter Punkt ist die generelle Entwicklung von Spielen. Da die Kosten für große Games so explodiert sind, könnten wir eine Rückbesinnung auf kleinere Titel erleben. Immerhin gibt es viele kleinere Studios, die sehr viel besser mit der Marktsituation zurechtkommen. Diese müssen oftmals deutlich weniger Verkäufe erreichen um profitabel zu sein – selbst wenn der Markt grundsätzlich enorm umkämpft ist und viele fast als „Abgehängte“ zurücklässt. Dabei haben kleinere Spiele, die meist qualitativ besser dastehen und mit höherem Score aufwarten, echtes Potenzial am Markt. Zugegeben: „Hohe Qualität, geringe Kosten und das Potenzial auf trotzdem gute Verkäufe“ klingt sicher einfacher, als es letztlich ist. Aber ein Faktor, welcher da mit reinspielt, ist die schiere Menge an Spielen! Ständig neue Games, ständig neue Content-Updates zu existierenden Spielen…es kann nicht nur Gewinner geben. Wer jedoch die jüngsten Ereignisse aus der Branche verfolgt, dem wird auffallen, dass die Videospielindustrie durchkapitalisiert und genauso getrieben von Zahlen ist, wie jede andere Branche auch. Fraglich also, ob die langfristig besseren Entscheidungen getroffen werden. 

Wie viele AAA-Games brauchen wir eigentlich?

Kein Erbarmen für Mittelmäßigkeit

Das Scheitern diverser AAA-Games am Markt hat zwar vielfältige Gründe, aber der qualitative Aspekt ist keinesfalls außer Acht zu lassen. „Final Fantasy 16“ hat beispielsweise wenig mit einem Rollenspiel im klassischen Sinne zu tun und ist ein relativ simples Action-Game mit erzählerischen Schwächen sowie einem eher unbefriedigenden Gameplay. „Suicide Squad“ versagt auf vielen Ebenen, egal ob in seinen Shooter-Mechaniken, der generischen Open World oder den eintönigen Missionen. Doch dass es Gegenbeispiele gibt, beweist „Helldivers 2“. Der Koop-Shooter von Sony war bzw. ist ein kommerzieller Erfolg, weil es sich um einen wirklich guten Titel handelt, der nicht voll Preisig daher kommt, auch für PC erschien und extrem zugänglich ist. Doch der Trend ist deutlich: Es wird zwar nie eine komplett einseitige Entwicklung geben, aber wir bewegen uns vorwiegend auf eine schwerwiegende Veränderung der ganzen Branche zu. Die gigantischen Entlassungswellen kommen nicht von irgendwo her. Sie sind die Vorboten dafür, dass wir vielleicht vor einschneidenden strukturellen Veränderungen stehen. Ob diese zugunsten von AAA-Singleplayer Games ausfallen werden, wie es einige Spieler fordern, ist dabei ein Wackelpunkt. 

Das Scheitern von Suicide Squad hat verschiedenste Gründe.

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