Soul Calibur – Das beste Kampfspiel aller Zeiten

Ihr habt den Titel richtig gelesen: Soul Calibur für die Sega Dreamcast ist das beste Kampfspiel aller Zeiten. Das sage nicht nur ich, sondern auch die Fachpresse. Mit einem Metascore von 98 ist Soul Calibur nicht nur der beste Prügler, sondern auch das zweithöchste bewertete Videospiel jemals. Es wird Zeit, über eines der revolutionärsten Videospiele aller Zeiten zu sprechen.

Der lange Kampf in die Dreidimensionalität

Die Wurzeln der Fighting Games reichen zurück bis in die 1970er Jahre. Doch erst in den frühen 1990er Jahren erlebte das Genre mit wegweisenden Titeln wie Street Fighter II und Mortal Kombat seine große Revolution. Diese Spiele avancierten nicht nur zu wahren Kultklassikern, sondern schufen zugleich das Fundament für alle nachfolgenden Kampfspiele. Mit ihren mitreißenden Duellen, unverwechselbaren Charakteren und innovativen Spezialtechniken fesselten sie Millionen von Spieler*innen rund um den Globus und prägten das Genre nachhaltig.

Arcadehallen waren der Hotspot für Fighting Games. Dort trafen sich Spieler*innen aus aller Welt, um sich in spannenden Duellen zu messen. Für viele war die Arcade der einzige Ort, um die neuesten Spiele überhaupt zu erleben, denn nicht alle besaßen damals schon eine Heimkonsole. Die Automaten liefen auf speziell entwickelten Systemboards, die in puncto Grafik und Performance meist deutlich leistungsfähiger waren, als die gängigen Konsolen. So setzten die Arcades häufig den technischen Maßstab, an dem sich die Heimversionen messen mussten.

Mittlerweile leider selten: Arcadehallen gefüllt mit den berühmten Candy Cabinets – Hier in Akihabara, Tokio

Der technische Fortschritt war zu diesem Zeitpunkt rasant. Schon zwei Jahre nach Street Fighter II erschien mit Virtua Fighter der erste 3D-Fighter in den Arcadehallen und das noch ein Jahr bevor die bahnbrechenden 3D-Konsolen PlayStation und Sega Saturn auf den Markt kamen.

Was Virtua Fighter besonders machte, waren die komplett 3D‑modellierten Figuren und eine Kameraführung, die das Geschehen dreidimensional um die Kämpfer herum inszenierte, während die Bewegungen noch überwiegend entlang der Kampflinie blieben. Hinzu kamen für die Zeit außergewöhnlich flüssige Animationen, die auf einem 3D‑Skelett-System beruhten und teilweise durch den Einsatz von damals neuartigen Motion‑Capture‑Verfahren in der Entwicklung unterstützt wurden.

Rund war noch nie so eckig! Virtua Fighter trumpfte damals mit bahnbrechenden 3D-Modellen auf

Links, rechts, oben, unten … und zur Seite?

Das erste prominente und eigentlich richtige 3D‑Fighting Game, in dem sich alle Figuren nicht nur entlang der Kampflinie, sondern auch in die Tiefe mit einem expliziten Sidestep ausweichen konnten, war weder Virtua Fighter noch Tekken, sondern Battle Arena Toshinden vom Entwickler Tamsoft (Publisher: Takara), das Anfang 1995 auf der PlayStation erschien. In den Arcadehallen machte sich hingegen Namco, die kurz zuvor mit Tekken bereits große Erfolge gefeiert hatten, mit einem neuen 3D-Fighter bereit: Soul Edge.

Soul Edge stach aus den bisherigen Kampfspielen deutlich heraus. Während in Street Fighter Figuren wie Ryu und Chun‑Li ihre Fäuste sprechen lassen und auch im Tekken‑Universum des King of Iron Fist Tournament größtenteils moderne Kampfstile in zeitgenössischen Arenen dominieren, verlegte Soul Edge den Schauplatz in ein historisch inspiriertes 16.‑Jahrhundert‑Setting. Kriegerinnen, Samurai, Piraten und Ritter mit unterschiedlichsten Waffen traten gegeneinander an. Schwerter, Nunchaku, Äxte, Klingenstäbe und mehr prägten das Kampfgeschehen.

Knackscharf in jede Richtung: Battle Arena Toshinden war das erste richtige 3D-Fighting Game

Hinzu kamen einprägsame, markant designte Charaktere und eine für einen Arcade‑Prügler ungewohnt ausgearbeitete Erzählung: eine weltumspannende Suche nach dem verfluchten Schwert „Soul Edge“, die Rivalitäten, Reisen und persönliche Beweggründe der Kämpfer*innen verknüpft und den Duellen spürbar mehr Kontext gab. Technisch lief das Spiel auf Namcos System‑11‑Arcade‑Board, das auch Tekken und Tekken 2 nutzten. Auf die Arcade‑Erstveröffentlichung folgte ein halbes Jahr später die Revision „Soul Edge Ver. II“. 

Eine erweiterte Fassung mit zusätzlichen Modi und Inhalten erschien anschließend für Sonys PlayStation und wurde außerhalb Japans als „Soul Blade“ veröffentlicht. Die Heimversion bot mehr Umfang, war der Arcade‑Fassung in einigen technischen Aspekten jedoch leicht unterlegen. Die Umbenennung stand im Zeichen von Markenkonflikten um das Wortzeichen „EDGE“, welches der Videospielentwickler Edge Games damals für sich beanspruchte. Dies ging übrigens so weit, dass sogar die bekannte Videospielzeitschrift EDGE mit ihrem Verlag gegen Edge Games vor Gericht zog und schließlich 2011 gewann. Aber dies ist eine andere Geschichte…

Hieb- und stichfest: In Soul Edge wird mit historischen Waffen gekämpft

Welcome back to the stage of history

Der erfolgreiche Heimstart von Soul Edge/Soul Blade ebnete schnell den Weg für den Nachfolger: Neben Tekken 3 arbeitete Namco an seinem nächsten großen 3D‑Prügler auf dem neuen System‑12‑Arcade‑Board – Soul Calibur. Der 1998 erschienene Titel legte nicht nur grafisch zu, sondern definierte mit dem neu eingeführten 8‑Way‑Run das moderne 3D‑Fighting: Statt nur per Kommando seitlich oder in die Tiefe auszuweichen, erlaubte Soul Calibur eine freie, kontinuierliche Bewegung in alle acht Richtungen innerhalb der Arena. Diese Mechanik war ein entscheidender Schritt über die zuvor in Toshinden, Tekken und Soul Edge üblichen, begrenzten Z‑Achse‑Dodges hinaus. Gleichzeitig führte Soul Calibur ein bewusst großzügiges Eingabepuffer-System ein, das es erlaubte, Folgeinputs bereits während der laufenden Aktion vorzumerken. Dadurch ließen sich Kombos konsistenter, länger und mit weniger Frame‑Perfektion ausführen als in vielen damals konkurrierenden Fighting Games, was Soul Calibur für sein Genre flüssiger und zugänglicher für weniger erfahrene Spieler*innen machte. 

Technisch beeindruckend war die Arcade‑Fassung von Soul Calibur allemal. Sie lief auf Namcos System‑12‑Hardware, bot schnelle und flüssige Animationen und war deutlich höher aufgelöst als Soul Edge. Anders als Soul Edge zielte Soul Calibur in der Praxis auf ein flüssiges 60 fps‑Gameplay ab, das die Stärken des System‑12‑Boards sichtbar ausreizte. Ein gleichwertiger oder zumindest technisch ähnlicher Port für Heimkonsolen wirkte für die damals aktuellen Systeme schlichtweg unmöglich. Bis Ende desselben Jahres Segas Dreamcast als erste Konsole der sechsten Generation ein technisches Ausrufezeichen setzte. Das 60-Personen-Team der Arcade-Version wurde auf 40 Leute geschrumpft und der Dreamcast‑Port von Soul Calibur, welcher in nur sieben Monaten (!) entwickelt wurde, erschien einen Monat früher in Japan und pünktlich zum US-Release der Konsole für Segas neuestes Heimsystem.

Nicht auf originaler Hardware, aber die Gefühle waren echt: Soul Calibur in einer Aracde-Halle in Tokio

Arcade Perfect

Ein Begriff, der in den Neunzigern häufiger durch die Videospiel-Community schwirrte, war “Arcade Perfect”. Das war eine Heimkonsolen-Version eines Arcade-Spiels, welche technisch und spielerisch mindestens den Umfang der Spielhallen-Version besaß. Arcade Perfect war lange ein Mythos, denn während Heimkonsolen-Versionen häufiger mehr Inhalt boten, um die Spieler*innen länger zu unterhalten, waren diese technisch quasi immer der Arcade-Version unterlegen. Wie soll das auch möglich sein? Schließlich waren die Arcade-Automaten mit ihren speziellen Systemboards deutlich teurer als handelsübliche Konsolen wie die PlayStation, die für den Massenmarkt entwickelt wurden. Die Arcade-Hardware war speziell auf höchste Leistung und Grafikqualität ausgelegt, welche den Heimkonsolen in den meisten Fällen überlegen war.

Die Konsolen-Version von Soul Calibur war der finale Kipppunkt für diesen Mythos und Arcade-Hallen insgesamt. Die Dreamcast-Version war technisch nicht nur gleichwertig, sondern schlichtweg überlegen. Im heutigen Videospiel-Volksmund ist so manches Remaster weniger technisch beeindruckend als die Heimversion von Soul Calibur. Texturen wurden durch detaillierte und höher aufgelöste Grafiken ausgetauscht, Charakter-Modelle wurden neu modelliert und boten zigfach mehr Polygone als auf dem Arcade-System und deutlich verbesserte Beleuchtung und Schatten wurden hinzugefügt, Hintergründe in Arenen wurden neu gezeichnet und neue 3D-Modelle im Hintergrund gaben diesen mehr Tiefe. Und diese Aufzählung beinhaltet nur einige der unzähligen technischen Verbesserungen der Dreamcast-Version. Arcade Perfect war Geschichte. Zu Hause war die neue Arcade.

Schwere Rüstung trifft auf nackte Tatsachen: Soul Calibur war ein echter Hingucker

Soul Calibur war der perfekte Titel um allen neuen Dreamcast-Käufer*innen zu zeigen, was ihr neuer Kasten da eigentlich drauf hatte. Es war für eine Heimkonsole schlichtweg der größte visuelle Schritt, den die Videospielbranche noch vor der Jahrtausendwende erleben durfte. Doch war die technische Meisterleistung ja nur einer von unzähligen Gründen, warum Soul Calibur so gefeiert wurde. 

Spielspaß ohne Ende

Denn abseits vom bereits erwähnten 8‑Way‑Run-System für echte Dreidimensionalität und dem großzügigen Eingabe-Buffer für flüssigere und zugänglichere Kombos, spielte sich Soul Calibur insgesamt deutlich schneller und im Gameplay auch flüssiger als die meisten anderen Fighting Games. Ein großes Problem des Genres ist die oft steile Lernkurve, weshalb viele Spieler*innen Fighting Games bis heute schnell wieder aufgeben. Persönlich kenne ich zwar kein Genre, bei dem es befriedigender ist, ein Spiel und seine Mechaniken endlich zu meistern als bei Fighting Games, doch schreckt genau diese Herausforderung viele ab. Wenn nach wenigen Monaten dann nur noch die übrig geblieben sind, die durch Training und Widerstandsfähigkeit gut geworden sind, wird es für Neulinge logischerweise noch härter.

Hier gelang Soul Calibur ein Spagat, wie zuvor keinem anderen Fighting Game. Frei nach dem Motto „leicht zu lernen, schwer zu meistern“ fühlte sich selbst stumpfes Button-Mashing in Soul Calibur ähnlich befriedigend an wie eine ausgeklügelte Kombo. Gleichzeitig bestraft das Spiel dieses Mindset nicht, belohnt aber natürlich auch, wenn man den Sprung zur taktischen Tiefe wagt. Bereits in Soul Edge gab es beispielsweise den Guard Impact, mit dem man Angriffe des Gegners abwehren und den Block für den eigenen Vorteil nutzen konnte. Soul Calibur baute dieses System deutlich aus und schuf so eine ausgewogene Balance zwischen Angriff und Verteidigung im Kampf. Diese Mechanik schuf eine enorme Tiefe, die für kompetitive Spieler*innen unabdingbar war, für Neulinge aber nicht für eine spaßige Erfahrung relevant war.

Mit dem Stab auf der Zielgeraden: Pole-Position

Soul Calibur war auf der Dreamcast zudem eine echte Content-Bombe. Neben neuen und überarbeiteten Arenen und Outfits bot der Port einige zusätzliche Modi, welche die Spielzeit drastisch in die Höhe steigen ließen. Neben dem klassischen Arcade-Modus, der Spieler*innen nach dem Bezwingen aufeinanderfolgender Kämpfe mit weiteren Charakteren und Story-Ausschnitten belohnte, gab es unter anderem den neuen „Mission Battle“-Modus. Dieser Modus überzeugte mit Kampfmissionen unter verschiedenen Gameplay-Modifikatoren. So musste man zum Beispiel verlangsamt durch Treibsand, der die allgemeine Physik beeinträchtigte oder mit einem deutlich verkürzten Zeitlimit seine Gegner bezwingen, um Punkte zu sammeln. Mit diesen Punkten konnte man sich Art Cards kaufen, die neben weiteren Story-Schnipseln auch neue Inhalte freischalteten.

Abseits davon gab es noch den Team-Battle-Modus, in dem man sich aus mehreren Kämpfer*innen ein Team zusammenstellen und gegen andere antreten konnte, einen Time-Attack-Modus, in dem man die eigene Bestzeit schlagen musste, Survival, in dem man gegen so viele Gegner kämpfte, bis man selbst zu Boden ging, sowie einen für die damalige Zeit schon relativ umfangreichen Trainingsmodus. Im Museum konnte man zudem mehr über die Charaktere erfahren und verschiedene Modelle sowie Animationen betrachten. Selten war ein Fighting Game in dieser Zeit so vollgepackt mit Inhalten wie Soul Calibur

Wir sinken! Der Boden ist…Treibsand

Abgerundet wurde dieses Gesamtpaket mit einem Soundtrack, der seinesgleichen sucht. Der heroisch-orchestrale Soundtrack experimentierte mit vielen klassischen Instrumenten und Mitteln wie zum Beispiel Streichern, Chören und Blechinstrument-Fanfaren. Der epische und an die Charaktere angepasste Soundtrack bereitet mir bis heute Gänsehaut und zählt zu einem meiner liebsten Musikprodukte aller Zeiten. 

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Gänsehaut pur: Das legendäre Intro von Soul Calibur

The Legend will never die!

Abschließend lässt sich sagen, dass Soul Calibur Maßstäbe für das Genre und das Medium Videospiele insgesamt gesetzt hat. Das 8-Way-Run-System findet sich bis heute in modernen Fighting Games wieder und der Guard Impact sorgte für eine taktische Tiefe zwischen Angriff und Verteidigung, die sich nachhaltig im Genre etabliert hat. Die großartige Zugänglichkeit für Neulinge ist eine Eigenschaft, von der sich sogar moderne Fighting Games noch einiges abschneiden können. Zudem war der technische Sprung der Dreamcast-Version ein herausragendes Beispiel für die bevorstehende technische Überlegenheit von Heimkonsolen gegenüber Arcade-Automaten. Damit leitete das Spiel auch das langsame Ende der klassischen Arcadehallen ein, zelebrierte aber gleichzeitig den technischen Fortschritt wie kaum ein anderes Spiel seiner Zeit.

Und wenn mich das Intro eines fast 30 Jahre alten Spiels noch immer mit Gänsehaut erfüllt, es bis heute mordsmäßige Freude in mir auslöst, eine leidenschaftliche Fangemeinde besitzt und bereits fünf vollwertige Nachfolger sowie mehrere Spin-offs hervorgebracht hat, dann kann es sich nur um das beste Kampfspiel aller Zeiten handeln.

Artikelbilder: ©SEGA/Takara/Bandai Namco/Luca Pernecker

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