Jobs, Hardware und bald die ganze Gaming-Branche? – Die KI-Welle rollt durch die Industrie

Die Gaming-Industrie steht 2025 an einem Wendepunkt, der in seiner Tragweite mit dem Übergang von 2D zu 3D-Grafik vergleichbar ist. Das sieht zumindest Ubisoft-Chef Yves Guillemot so. Künstliche Intelligenz verspricht, die Art und Weise, wie Spiele entwickelt, finanziert und gespielt werden, grundlegend zu verändern. Doch während Investoren und Technologie-Enthusiasten von einer glänzenden Zukunft träumen, zahlen tausende Entwickler*innen bereits jetzt den Preis für diese Revolution. Die Frage ist nicht mehr, ob AI die Branche transformieren wird, sondern zu welchem Preis und in welche Richtung. Oder ist KI gar nicht der Game Changer, für den ihn die Tech-Bosse halten? Schauen wir uns mal den Status Quo an.

Alle Welt redet über KI


Der AI-Gaming-Markt ist laut Grand View Research explodiert: Von 3,28 Milliarden Dollar im Jahr 2024 soll er bis 2033 auf über 51 Milliarden Dollar anwachsen. Das wäre eine jährliche Wachstumsrate von 36,1 Prozent. Mehr als 90 Prozent der Entwickler:innen nutzen bereits AI-Tools in ihrer täglichen Arbeit, und über die Hälfte aller Entwicklerstudios setzen generative AI ein. Die Technologie ist nicht mehr Zukunftsmusik, sondern ist bereits tief in den Produktionsprozessen verwurzelt.
Doch hinter diesen Wachstumszahlen verbirgt sich eine weniger glanzvolle Realität: Zwischen 2022 und Mitte 2025 wurden geschätzte 45.000 Jobs in der Gaming-Industrie gestrichen. Allein 2024 verloren 14.600 Menschen ihre Arbeit. Das ist ein trauriger Höhepunkt eines regelrechten Crashes. Einer von zehn Entwicklern wurde 2024 entlassen, und 41 Prozent aller Branchenangehörigen waren direkt oder indirekt von Entlassungen betroffen. Von Microsoft, bis hin zu Sony, Amazon oder der Embracer Group. Die letzten Jahre gab es Massenentlassung in nahezu allen großen Companies.

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Yves Guillemot erhofft sich viel von Künstlicher Intelligenz

Die Ironie ist bitter: Während 79 Prozent der Entwickler laut Unity’s 2025 Gaming Report positiv über AI denken, glauben gleichzeitig 30 Prozent, dass AI der Industrie aktiv schadet. Dieser Wert ist damit um 12 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Diese Diskrepanz offenbart die zunehmende Unsicherheit innerhalb einer Branche, die einerseits die Effizienzgewinne begrüßt, andererseits aber die menschlichen Kosten nicht ignorieren will, um sich im globalen Tech-Wettrüsten gut zu positionieren.
Besonders hart trifft es kreative Positionen: 19 Prozent der entlassenen Mitarbeiter:innen arbeiteten in narrativen Rollen. Hier wird AI bereits jetzt schon besonders umfangreich eingesetzt wird. Konzeptkünstler*innen, Dialog Writing, Level-Design: Berufe, die einst als unverzichtbar, fast schon zunehmend wichtig, galten, werden zunehmend durch Algorithmen ersetzt, die in Sekunden Inhalte produzieren: Nur um es mal neutral zu formulieren und die qualitative Leistung hier außen vor zu lassen.


Unternehmen wie Ubisoft oder Krafton experimentieren bereits mit AI-generierten Dialogen für NPCs und Konzeptkunst. EA, Take-Two und CD Projekt Red haben in ihren Investoren-Reports vor „reputationalen Risiken“ durch AI-Nutzung gewarnt. Aber ist das nicht nur ein diplomatischer Ausdruck für die Angst vor öffentlichen Backlash und ethischen Kontroversen. Dennoch investieren sie weiter massiv in diese Technologie. Der wirtschaftliche Druck ist zu groß, die Verlockung der Kostenreduktion und die Aussicht auf künftige Rekordgewinne zu mächtig.

Was kann KI eigentlich?


Die technischen Möglichkeiten sind, in der Theorie, beeindruckend. Moderne AI-gesteuerte NPCs könnten lernen, adaptieren und dynamisch auf Spieleraktionen reagieren. Open World Games könnten noch mehr von einer natürlicheren Welt profitieren, in der NPC’s sehr dynamische Alltagsroutinen haben und dass selbst in deren „Leben“ kein Tag dem anderen gleicht.
Spiele wie „No Man’s Sky“, mit seinen 18 Trillionen prozedural generierten Planeten, könnten erst der Anfang sein. 51 Prozent der Entwickler*innen nutzen AI täglich für prozedurale Content-Generierung. Die Technologie könnte komplette Spielwelten, Dungeons, Quests und Charaktere erschaffen. In der Theorie passt AI Schwierigkeitsgrade in Echtzeit an die Fähigkeiten des Spielers an, generiert personalisierte Inhalte. Bugs bei Launch könnten wesentlich reduziert werden, wenn AI-Systeme systematisch Schwachstellen identifizieren.
Für kleinere Studios bedeutet dies theoretisch die Möglichkeit, mit größeren Produktionen zu konkurrieren, ohne über gigantische finanzielle Mittel zu verfügen. Klingt doch nach der Demokratisierung der Spieleentwicklung. Oder?

Wir sehen ja sehr gut, wo bereits heute AI-Inhalte einfließen. Oft sehen wir das bei KI-generierten Bildern, die irgendwo in Spielen auftauchen (Anno 117 oder Black Ops 7). Auch Texte (The Alters) oder sogar Synchronisation können wir darin schon beobachten (Pokemon Legenden: Z-A Trailer). Gerade bei vielen, kleinen Indie Games auf Steam kann man zudem beobachten, dass Assets, Logos, Texte oder Übersetzungen gerne mal KI-generiert sind. Spielmechanisch oder in Bezug auf die Erstellung von Spielwelten ist der Einfluss also noch überschaubar. Das ist jedoch genau der Bereich, wohin man die KI aber bringen will. Wer sich aber mal auf Social Media oder YouTube konkret nach KI-generierten Spielen umschaut, wird schnell feststellen, das es eher AI-Slop ist, der uns da präsentiert wird. Sie täuschen wohl eher darüber hinweg, dass es nette Kurzclips sind, aber spielmechanisch überhaupt nicht aufgehen.

Die Frage ist: Kann KI das überhaupt so, wie es Menschen können? Die Frage lässt sich jedoch einfach nicht beantworten. Nun gut, zumindest heute ist sie noch weit davon entfernt. Aber was sie in Zukunft kann? Das wissen wir nicht. Die Prognosen sind jedoch eher verhalten, weil die Lernkurve der AI-Modelle mehr und mehr ins Stocken gerät. Es gibt sogar auch in Führungspositionen die ersten Stimmen, die von der Goldgräberstimmung weggehen und mehr Skepsis an den Tag legen. Hat sich die Tech-Branche vielleicht sogar auf Kosten der Entwickler*innen verzockt? Ein Hinweise darauf, dass genau das eintritt, liefert Microsoft. Hier stürzte die Aktie ein, nachdem man die Verkaufsprognosen der eigenen KI-Produkte aufgrund fehlender Nachfrage zurückschrauben musste.

Auf bei Activision hat man sich den Ghibli-Stil zu Eigen gemacht. Nur eben ohne jemanden dafür zu bezahlen.

AI verdrängt PC-Gaming vom Consumer-Markt


Während die Spieleentwicklung durch AI transformiert werden soll, erlebt der Hardware-Markt ebenso jetzt schon eine Krise, die uns direkt im Portemonnaie trifft. Die Entscheidung von Micron, seine Consumer-Marke Crucial nach fast 30 Jahren aufzugeben, ist mehr als nur eine unternehmerische Neuausrichtung: Sie ist vor allem ein Symptom für die Verdrängung des klassischen Gaming-Markts durch den AI-Boom.
Crucial war für PC-Gamer und -Builder eine verlässliche, bezahlbare Marke für RAM und SSDs. Ab Februar 2026 wird Micron diese Produkte nicht mehr an Endkunden verkaufen. Der Grund: AI-Datenzentren zahlen mehr. Sogar viel mehr. Die Nachfrage nach High-Bandwidth Memory für AI-Server ist so lukrativ, dass Consumer-RAM schlicht uninteressant geworden ist.


Die Konsequenzen sind bereits spürbar: Ein 32GB DDR5-RAM-Kit, das im August 2024 noch 82 Dollar kostete, kostet heute rund 310 Dollar – fast das Vierfache. Die RAM-Preise sind regelrecht explodiert, und Experten warnen, dass diese Krise bis 2028 oder länger anhalten könnte. Micron kontrolliert etwa 25 Prozent der weltweiten DRAM-Produktion, zusammen mit Samsung und SK Hynix, die sich ebenfalls auf Enterprise-Kunden konzentrieren, stehen etwa 70 Prozent der weltweiten Speicherproduktion nicht mehr primär für Consumer-Hardware zur Verfügung.

RAM-Preise explodieren. Der Consumer-Markt scheint egal, hauptsache Ai wird gefördert.

Nicht nur Konsolen werden durch teurere Hardwarekomponenten und einer veränderten Margen-Politik immer teurer. Auch PC-Gaming steht vor einem gefährlichen Punkt. Die Motherboard-Verkäufe sind bereits um 50 Prozent eingebrochen. Enthusiasten schrecken vor den exorbitanten Speicherpreisen zurück.
Die bittere Ironie: AI verspricht, Gaming zugänglicher zu machen, während sie gleichzeitig die Hardware, die zum Spielen benötigt wird, für viele unbezahlbar macht.

Kapital vs. Moral


Die Implementierung von AI in der Gaming-Industrie wirft fundamentale ethische Fragen auf, die weit über Jobverluste hinausgehen:
Können AI-generierte Welten die emotionale Tiefe und den menschlichen Touch erreichen, die Spiele wie „Baldur’s Gate 3“ mit 400 Entwicklern, 200.000 Dialogzeilen und hunderten Sprechern so erfolgreich gemacht haben? 84 Prozent der Entwickler:innen haben ethische Bedenken bezüglich AI. Denn sie fürchten, dass Effizienz über emotionale Resonanz siegt.
Wer besitzt zudem die Rechte an AI-generiertem Content? Der Entwickler, der die AI trainiert hat? Das AI-Unternehmen? Oder niemand? Diese Fragen sind rechtlich weitgehend ungeklärt. Viele Entwickler befürchten, dass ihre Arbeit ohne Kompensation oder Anerkennung zum Training von AI-Modellen verwendet wird. Mindestens aber ist es aus moralischer Sicht verwerflich. Menschliche Werke, in die Ressourcen, gesitiges Eigentum, Geld und Arbeit geflossen sind, werden ungefragt von AI-Modellen übernommen, um weitere Inhalte zu erschaffen, die diejenigen vom Markt verdrängen, dessen Inhalte zum Training verwendet wurden.

Developed by OpenAi, anstatt Take Two?

Viele Risiken


Sollte Ai so funktionieren, wie von manchen erhofft, ist auch eine Sintflut von minderwertigen, generischen Spielen zu erwarten. Wenn jeder mit einem Prompt ein Spiel erstellen kann, droht der Markt in einem Meer von mittelmäßigem Content zu ertrinken. Entwicklerstudios, die auf Qualität und Originalität setzen, könnten dabei untergehen. Das stellt sich sogar die Frage nach einem Videospiel-Crash, sollte es soweit kommen. Zudem stellt sich die Frage der Kuration. AI lernt aus existierenden Daten. Wenn diese Daten voreingenommen sind, reproduziert die AI diese Vorurteile. AI-generierte Dialoge könnten rassistische oder sexistische Stereotype verstärken, wenn die Trainingsdaten nicht sorgfältig kuratiert werden.

Große Publisher rechtfertigen Entlassungen mit „Restrukturierung“, „rückläufigen Einnahmen“ und „Marktveränderungen“. Doch 19 Prozent der Entlassenen erhielten überhaupt keine Begründung. Einen Teil der Jobs könnte AI tatsächlich überflüssig machen. Übersetzungen könnten größtenteils mit AI durchgeführt werden, sodass Übersetzer*innen vielleicht nur noch Ergebniskorrektur machen. Auch das Erstellen standardisierter Texte könnte darunter fallen, wie etwa Menüs.
Eine CVL Economics-Studie schätzt sogar, dass bis 2026 13,4 Prozent aller Gaming-Jobs durch AI verdrängt werden.
Narrative Designer, die unter den Entlassenen mit 89 Prozent die stärkste Gewerkschafts-Unterstützung zeigen, verstehen das existenzielle Risiko. QA-Tester (77 Prozent Gewerkschafts-Support) sehen ihre Jobs durch automatisierte Testing-Systeme bedroht. Im März 2024 gründeten hunderte Spieleentwickler die United Videogame Workers Union. Es ist ein Versuch, gemeinsam eine Zukunft zu sichern, die zunehmend unsicher wirkt. Gerade in den USA ist die Machtposition der Unternehmen jedoch nach wie vor gewaltig. Somit ist es fraglich, inwiefern hier zum Positiven verändert werden kann.

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Die Branche am Scheideweg


Die Gaming-Industrie steht 2025 vor einer existenziellen Wahl. Der Weg, den sie einschlägt, wird nicht nur die Zukunft von Spielen bestimmen, sondern auch ein Präzedenzfall für andere kreative Industrien sein.
Es gibt einen optimistischen Pfad: AI als Werkzeug, das menschliche Kreativität verstärkt statt ersetzt. Studios, die AI nutzen, um Entwickler von repetitiven Aufgaben zu befreien, damit diese sich auf Innovation und emotionales Storytelling konzentrieren können. Eine Demokratisierung, die kleineren Teams erlaubt, ihre Vision ohne Publisher-Zwänge zu realisieren. Niedrigere Entwicklungskosten, die zu mehr experimentellen, riskanten Projekten führen. Es könnte eher zur Prozessoptimierung führen, durch die sich die Teams auf ihre Kompetenzen konzentrieren können
Und es gibt einen pessimistischen Pfad: Massenentlassungen, während Executives Rekordgewinne einfahren. Eine Flut von generischem, AI-generiertem Slop, der Originalität vermissen lässt. Konsolidierung und Machtkonzentration bei wenigen Tech-Giganten. Die Reduktion von Spielen auf datengetriebene Engagement-Maschinen ohne künstlerische Vision.

Electronic Arts wird nun, nach der saudischen Übernahme, besonders viel auf KI setzen.

Die Technologie selbst ist neutral. Die Frage ist: Wer kontrolliert sie, und zu wessen Gunsten wird sie eingesetzt? Wenn Studios AI nutzen, um Kosten zu senken und Shareholder zu bereichern, während sie kreative Talente auf die Straße setzen, ist das eine Entscheidung zugunsten des Kapitals, aber keine technologische Notwendigkeit.
Es ist bezeichnend, dass Unternehmen wie EA, Take-Two und CD Projekt Red in ihren Investorenberichten vor „reputationalen Risiken“ durch AI warnen. Sie wissen, dass ihre Kunden skeptisch sind. Eine Umfrage zeigt, dass Gamer:innen deutlich skeptischer gegenüber AI sind als die Publisher selbst.


Für die Hardware-Krise gibt es ebenfalls keine einfache Lösung. Wenn Crucial verschwindet und RAM-Preise explodieren, werden Gaming-PCs zum Luxusgut.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Gaming-Industrie einen Weg findet, AI zu nutzen, ohne sich selbst zu sprengen. Ob sie Effizienz und Menschlichkeit, Profit und Kreativität, Innovation und Würde in Einklang bringen kann?
Am Ende bleibt zu hoffen, dass die Qualitäten, die wir als Menschen haben und in denen derzeit keine KI auch nur annähernd herankommt, überwiegen werden und letztlich diese chaotische Zeit überwinden wird.

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