Auch wenn 2023 mit spannenden Spiele-Releases nur so um sich wirft, habe ich mir zuletzt etwas Zeit genommen, um mich mit Titeln und Konsolen aus der Vergangenheit zu beschäftigen. Was ich dabei gemerkt habe: Das ist gar nicht mal so einfach! Die kürzliche Schließung des 3DS- und Wii-U-Stores veranlasste mich dann dazu einen grundsätzlichen Blick auf die Erhaltung von Videospielen und Konsolen zu werfen. Der Zustand der Videospiel Preservation ist, wie ich feststellen musste, verheerend.
Platz schaffen
In den meisten Fällen besitzt man eine, vielleicht auch mal zwei Konsolen gleichzeitig. Nur die Wenigsten haben das Privileg sich gleich mehrere oder nahezu alle Systeme gleichzeitig leisten zu können. Zudem landen viele Geräte mit Release des Nachfolgemodells auf diversen Gebrauchtmärkten. Zum einen des Geldes wegen, zum anderen aus Platzgründen. Die Gründe können auch aus individuellen Gründen unterschiedlichster Natur sein. So auch oft bei mir geschehen in der Vergangenheit. Heute würde ich dem kleinen Christian sagen: “Nein, verkaufe nicht deinen SEGA Game Gear, deinen N64 oder deine Nintendo Wii!” Aber denkt man immer gleich an Morgen und dass man doch mal Sehnsucht an alte Geräte und Spiele haben könnte? Ich tat es damals nicht. Ich denke, damit bin ich nicht allein. Doch welche Möglichkeiten habe ich, das Rad umzudrehen? Schauen wir uns doch einmal den einfachsten Fall an. Einer, welcher wahrscheinlich als das große Vorzeigebild in der Industrie gilt. Denn Microsoft hat vor einigen Jahren eine große Aktion gestartet: OG Xbox und Xbox 360 sollen in die Moderne rücken.
Role Model
Dazu nahm man sich hunderte Spiele, um diese via Xbox One zu emulieren. Nicht nur das, man machte sich die Mühe diese auch noch zu verbessern. Dank Upscaling-Methoden und Aufheben von 30 FPS-Begrenzungen, spielen sich viele Klassiker auf der Xbox One oftmals besser denn je. Nur oftmals? Nicht immer sorgt Upscaling für eine bessere Optik. Manchmal schaut es einfach besser aus, den “verwaschenen” Stil der alten Titel beizubehalten, anstatt matschige Texturen in 4K darzustellen. Aber das ist sehr individuell. Dank des nahtlosen Übergangs zwischen Xbox One und Xbox Series, lassen sich somit zahlreiche alte Spiele auf der neuesten Konsole spielen. Das funktioniert sogar oft digital und auch per Original-Disc. Ein so leichter Zugang wäre überall wünschenswert. Doch auch Microsoft stößt an Grenzen. Stichwort: Lizenzen. Nicht alle Titel lassen sich per Emulation zum Leben erwecken. Teilweise liegen die Rechte bei alten Titeln bei … ja bei wem denn eigentlich? Viele Spieleschmieden existieren gar nicht mehr. Damit sind auch manche Rechte an Marken undurchsichtig. Viele sind auch schlichtweg ausgelaufen, auch in den Spielen selbst. Etwa lizensierte Musik oder lizensierte Autos, die in den Spielen vorkommen, die aber heute ausgelaufen sind und ein Vertrieb somit untersagt ist, außer man würde all diese Lizenzen erneuern. In der Praxis ist das allerdings kaum oder nahezu unmöglich umzusetzen. Das heißt, selbst bei solch ambitionierten Versuchen gibt es offensichtlich Grenzen, durch die viele Titel verloren gehen. Aber auch die Hardware limitiert dies im Falle Xbox. Eine Xbox Series besitzt nämlich keinen Anschluss, um eine der Kinect-Kameras anzuschließen. Auch diese Titel lassen sich damit nur auf den Original-Konsolen spielen. Ernüchternd, vor allem, wenn im Konsolenbereich das hier noch das positivste Beispiel ist.
Riesige Historie, kleine Auswahl
Das führt mich unweigerlich zur Konkurrenz aus dem Hause Sony. Wie auch auf der Xbox Series, kann die PlayStation 5 einen Großteil der PlayStation 4 Titel abspielen. Das ist schon einmal das positive Signal, was ich aus Sicht der Spieleerhaltung mitnehmen kann. Aber darüber hinaus wird es undurchsichtig. Die PlayStation 3 war schon damals aufgrund ihrer Architektur eine eher schwierige Konsole. Das würde ein Grund sein, warum die Spiele auch nicht nativ auf der PS5 laufen. Eine Emulation gibt es ebenfalls nicht. Stattdessen sind wir hier auf die Premium-Version von PlayStation Plus angewiesen, um Spiele wie Uncharted 2, Bioshock oder Metal Gear Solid 4 auf der neuesten Sony-Konsole spielen zu können. Doch die Auswahl ist knapp. Nur wenige Titel der Last-Last-Generation können auf der modernen PlayStation gespielt werden. Nicht viel besser sieht es mit den Spielen für PS2 und PS1 aus. Diese Konsolen brachten zusammen genommen über 7000 Spiele hervor. Klar, einige Doppler und an Regionen gekoppelte Spiele sind darin einbezogen, ebenso solche, die heute aufgrund nicht vorhandener Lizenzen natürlich gar nicht mehr umsetzbar wären. Doch es verdeutlicht, wie viel Nachholbedarf hier ist. Denn erneut ist man auf PlayStation Plus Premium angewiesen, um die meisten Spiele überhaupt auf neuer Hardware zu spielen. Die Liste ist hier aber erfreulicherweise durchaus kompetent. Zudem lassen sich viele Spiele alternativ auch digital erwerben, sodass man nicht auf ein Abo angewiesen ist. Insbesondere die PS2-Games sind dünn geschossen, wobei dies eine glorreiche Ära mit vielen großen Hits war. Doch die scheinen aktuell im Loch der Zeit verschollen zu sein. Noch viel dramatischer sieht es in Bezug auf die Handhelds aus. PSP und PS Vita sind schon lange begraben worden. Schlimmer noch, die digitalen Stores wurden bereits abgeschaltet. Selbst wenn man also auf dem ausgedünnten Gebrauchtmarkt einen Handheld ergattern sollte, kann man sich nicht mehr in den Stores austoben. Selbst wenn, die portablen Konsolen leiden zudem nochmal mehr unter einer “biologischen” Zeituhr. Denn der Akku wird nun mal mit der Zeit immer unbrauchbarer und nagt an der Lebensspanne der ohnehin schon alten Geräte. Nur einige wenige PSP-Titel wurden auch für die PS4 portiert und können dort erworben und gespielt werden. Es ist somit eine ganze Handheld-Ära, deren Spiele beinahe komplett verloren gegangen sind. Sony scheint auch kaum daran interessiert zu sein etwas zu ändern. Immerhin gibt es die Klassiker innerhalb des Abo-Modells. Doch Jim Ryan, der PlayStation-Chef, äußerte sich damals mit den Worten: “Why would anyone play that”. Aber dazu kommen wir später noch einmal.
Eine Bankrotterklärung an die eigene Geschichte
Die mit Abstand schlimmste Politik fährt allerdings Nintendo. Dabei bringt doch gerade der japanische Konzern eine Bibliothek an wahren Perlen der Videospielkultur mit sich. Doch auf der Nintendo Switch lassen sich nur über die teurere Nintendo-Online-Mitgliedschaft einige wenige Spiele zocken. Hier gibt es eine überschaubare Auswahl an Titeln für Nintendo 64, Game Boy oder Super Nintendo. Doch dass ich mir frei aus dem Store etwa ein Mario Party 4, Star Fox Adventures oder Harvest Moon 64 kaufen und jederzeit spielen kann, ist nicht möglich. Nicht nur das, Nintendo hat hier in der Vergangenheit bereits meine Geduld an den Rand der Zerstörung gebracht. Auf der Wii konnte man immerhin eine Hülle und Fülle an Spielen kaufen, die die Vergangenheit so hervorgebracht hat. Dazu war die Konsole nativ in der Lage GameCube-Games abzuspielen. Davon ist nur nichts übriggeblieben, stattdessen sind diese gekauften Wii-Shop-Titel quasi für die Moderne verloren. Ein Hoch auf die Freundescodes. Der Umgang mit der Spieleerhaltung ist bei Nintendo enorm inkonsistent, frustrierend und beinahe schon ignorant. Natürlich sind die Steuerungskonzepte für Wii und Wii U schwer zu emulieren, aber zumindest die vorigen Systeme sollten vollständig abbildbar sein. Gerade weil es schon lange für PC eine hervorragende Option zur Emulation gibt. Auch der DS und 3DS scheinen verloren zu sein. Neben der Abschaltung der Stores, gibt es auch hier keine Möglichkeit die Spiele auf der Switch zu kaufen und zu spielen. Auch hier sind Emulationen für PC schon wieder die bessere Wahl. Aber: Sie sind nun mal ein rechtlich heikles Thema.
„Why would anyone play that?“
Es gehen ganze Generationen von Spielen verloren. Abwärtskompatibilität ist kaum ein Thema, Emulationen alter Konsolen ein stiefmütterlich behandelter Weg und währenddessen werden nach und nach auch noch die digitalen Stores älterer Systeme abgeschaltet. Anders als bei physischen Spielen, deren Eigentümer wir auch bei einem Kauf sind, erwerben wir im Falle digitaler Spiele nur die entsprechenden Lizenzen diese Titel zu besitzen und zu spielen. Gehen die Stores vom Netz, sind auch die Spiele und die getätigten Käufe pfutsch. Die Konsolenhersteller legen wenig Wert auf die Erhaltung der eigenen Historie. Den Wunsch hegen auch immerhin verhältnismäßig wenig Menschen. Dem Massenmarkt ist dies kaum wichtig. Dem gegenüber stehen Kosten für die Entwicklung und Bereitstellung der Abwärtskompatibilität und Stores. Da kommen wir wieder zu Jim Ryan. Es zeigt, dass kein Wille da ist für eine relativ kleine Community einen solchen Mehraufwand einzugehen. Die jüngsten Abschaltungen des 3DS und Wii U Stores zeigen, dass keine Trendwende erkennbar ist.
Vielmehr müssen wir uns mit dem Gedanken abfinden, dass wir mit jeder weiteren Generation immer auch Spiele verlieren werden, auch weil mehr und mehr Spiele rein digital erscheinen und nach Ablauf der Lizenzen dann gar nicht mehr erhältlich sind. Was können wir also tun? Auf legale Weise sind uns tatsächlich die Hände gebunden. Wir können lediglich den Gebrauchtmarkt abklappern und müssen uns mit teils horrenden Preisen abfinden, um die Konsolen und Spiele der Vergangenheit genießen zu können. Aber auch die alternden Konsolen werden mit der Zeit immer weniger. Irgendwann geben die Systeme den Geist auf und Reparatur-Services sind nicht immer in Hülle und Fülle vorhanden. Gerade bei Handhelds. Bleibt uns nur die Möglichkeit öffentlichen Druck auszuüben, um die Konsolenhersteller umzustimmen, damit wir einen Teil der Videospielgeschichte retten und erhalten können.