Hollow Knight: Silksong – Das Spiel mit dem Frust

Am 4. September ist mit Hollow Knight: Silksong einer der meist erwarteten Titel der letzten Jahre erschienen. Schon kurz nach Release legte das Spiel den Nintendo eShop, Xbox Live und sogar Steam zeitweise lahm. Der Grund dafür: die enorme Beliebtheit des ersten Teils und die extrem lange Wartezeit zwischen Ankündigung und Veröffentlichung. Silksong war beinahe schon zu einem Mysterium geworden. Nun ist es endlich da und ich konnte bereits einige Stunden mit dem Spiel verbringen. Im Kern ist Silksong ein klassisches Metroidvania. Spielerisch jedoch ignoriert es gefühlt 50 Jahre Gamedesign-Geschichte. Warum das in diesem Fall nichts Gutes ist und warum Silksong vor allem frustriert, erfahrt ihr hier.

Ein Metroidvania, wie es im Buche steht?

Vorneweg: Silksong ist an sich kein schlechtes Spiel. Wie schon der Vorgänger glänzt es mit einer wunderschönen Inszenierung, vielfältigen und kreativ gestalteten Biomen sowie liebevoll designten Charakteren und Gegnertypen. Selbst auf der Nintendo Switch 2 macht Silksong optisch einiges her und läuft dabei sogar in 120 fps. Auch das Erkunden bereitet grundsätzlich viel Freude. Die Map ist, wie für Metroidvanias typisch, riesig, verwinkelt und voller Geheimnisse. Für meinen Geschmack fällt sie etwas zu groß aus – doch gerade Genre-Fans dürften hier voll auf ihre Kosten kommen.

Also ist Hollow Knight: Silksong einfach fantastisches Metroidvania mit hübscher Inszenierung? Leider nicht. Meiner Meinung nach macht Silksong – genau wie schon der Vorgänger – im Game-Design eine Menge falsch. Fangen wir mit dem Schwierigkeitsgrad an: Silksong ist wirklich herausfordernd. Gegner können einen bereits mit wenigen Treffern ausschalten und es gibt unzählige verschiedene Angriffsmuster, die man sich erst einmal aneignen muss. Das ist grundsätzlich in Ordnung. Problematisch finde ich jedoch, dass Silksong keinerlei Schwierigkeitsgrade anbietet. Alle Spieler*innen müssen dieselbe Erfahrung machen. Dabei spielen eben nicht alle mit denselben Fähigkeiten. Das wirkt auf mich wenig inklusiv und unnötig abschreckend. Aber gut, wir beißen uns durch, nicht wahr? Schließlich hat man ja schon andere schwierige Spiele in seiner Laufbahn gemeistert.

Schaut zurecht auf ihre Lebensleiste: Nach nur wenigen Schlägen ist es aus

Souls lässt grüßen!

Hier beginnt der wirklich frustrierende Teil: Hollow Knight: Silksong orientiert sich in einigen Game-Design-Entscheidungen stark an der Souls-Reihe. Im Spiel gibt es eine Währung namens „Rosenkranzperlen“, mit der man beispielsweise Karten für neue Gebiete kaufen oder Checkpoints freischalten kann. Doch ähnlich wie die Seelen in den Soulsborne-Titeln verliert man diese Perlen beim Sterben. Genau hier liegt das große Problem. Denn Silksong ist nun einmal ein Metroidvania – ein Genre, das von freier Erkundung lebt. Wenn man jedoch bei jedem Fehltritt wertvolle Perlen verliert, entsteht automatisch eine Zwangssituation: Statt experimentierfreudig neue Wege einzuschlagen, läuft man immer wieder denselben Pfad ab, nur um die verlorene Währung zurückzuholen. Gedanken wie „Eigentlich will ich links schauen, aber oben rechts liegen noch meine Perlen“ ist allgegenwärtig. So verwandelt sich Erkundung in Trial-and-Error und das in einem Genre, das eigentlich für seine unzähligen Möglichkeiten bekannt ist.

Noch deutlicher zeigt sich dieses Problem in den Bosskämpfen: Stirbt man hier, bleiben die Perlen direkt im Kampf zurück. Das bedeutet, man hat nur zwei Möglichkeiten: entweder man beißt sich so lange an dem Boss die Zähne aus, bis man ihn besiegt oder man verzichtet auf seine hart erarbeiteten Perlen. Zwar existieren Mechaniken in Silksong, die den Verlust erschweren sollen, doch auch diese sind mit erheblichen Kosten verbunden und lösen das Grundproblem nicht wirklich.

Ich glaub‘, ich Spinne: Die Bosse in Silksong sind teils phänomal inszeniert

Wie bereits erwähnt, werden auch Wegpunkte mit Perlen freigeschaltet. Doch was passiert, wenn man gerade alle Perlen verloren hat, weil man zuvor gestorben ist? In diesem Fall bleiben nur zwei Optionen: Entweder man farmt mühsam neue Perlen, nur damit der Weg etwas kürzer wird – oder man läuft jedes Mal fünf Minuten zurück zum Boss, sobald man stirbt. Gerade weil die meisten Bosse auf Angriffsmustern basieren, die man erst nach und nach lernen muss, ist ein Sieg beim ersten Versuch nahezu unmöglich. Sollte ein Boss mal zu schwierig werden, bietet das Spiel zwar eine kleine Hilfestellung an, aber groß hilfreich ist diese nicht wirklich.

Wirklich frustrierend wird es, wenn man für einen Boss um die 20 Versuche braucht und ebenso oft den beschwerlichen Weg dorthin laufen muss, weil der nächste Checkpoint entweder weit entfernt oder schlicht nicht freigeschaltet ist. Doch welchen Mehrwert hat das? Abgesehen davon, dass es nervt, eigentlich keinen. Schon die Souls-Reihe hatte anfangs genau dieses Problem. Ein Problem, das das Team um Hidetaka Miyazaki eingesehen hat. Spätestens mit Elden Ring wurde ein faires Checkpoint-System eingeführt, bei dem man direkt vor dem Boss respawnt. Denn der Weg dorthin ist nicht herausfordernd, sondern schlicht unnötig frustrierend.

Ich habe meine Spielsessions schon mehrfach abgebrochen. Nicht etwa, weil der Boss an sich keinen Spaß gemacht hätte, sondern weil mir der ständige Weg dorthin einfach auf die Nerven ging. Besonders ärgerlich wird es, wie schon erwähnt, wenn im Bosskampf auch noch 200 kostbare Perlen liegen, die man ungern aufgibt. Also läuft man immer wieder zurück, versucht es erneut. Eine Sache die auch immer wieder den Spielfluss beim Kämpfen unterbricht. Und apropos Bosskämpfe: So spaßig und herausfordernd sie teilweise auch sind, missachtet Silksong hier eine der goldenen Regeln des Gamedesigns – die Belohnung. In den meisten Fällen ist „Fortschritt“ die einzige Anerkennung, die man für eine Stunde mühsamen Bosskampfs erhält. Doch Fortschritt allein ist keine Belohnung. Zwar bekommt man anfangs hin und wieder eine neue Mechanik oder eine kleine Spielerei, doch im Großen und Ganzen bleibt Silksong erschreckend geizig, wenn es darum geht, die Spieler*innen für ihr Durchhaltevermögen zu entlohnen. Selbst die Souls-Reihe war in dieser Hinsicht nie so unfair.

Sitzplatz reserviert: Die Checkpoints in Silksong sind enorm wichtig – und kosten

Fortschritt ist keine Belohnung

Und wenn wir schon bei Belohnungen sind, lohnt es sich auch, die Progression der Spielfigur Hornet genauer zu betrachten. Denn wirklich viele Möglichkeiten, sie spürbar stärker zu machen, gibt es nicht. Man kann zwar mühsam den Lebensbalken erweitern, Waffen tauschen und hin und wieder neue Fähigkeiten freischalten, doch verändert sich Hornets Stärke abseits davon im Spielverlauf kaum bis gar nicht. Ein Souls-Fan auf Twitter brachte dazu ein Argument, das ich zu gut finde, um es nicht zu erwähnen. Ich hatte ihn gefragt, warum er Hollow Knight nicht mochte, obwohl es doch ähnlich frustrierend wie die Souls-Serie sei. Seine Antwort: In Souls kann man durch Farming den Schwierigkeitsgrad zumindest etwas abfedern. Und auch wenn ich selbst kein Freund von Grinding bin, muss ich dieses Argument anerkennen. In Silksong bist du dagegen auf zwei Dinge angewiesen: Entweder findest du durch Erkundung eine kleine Verbesserung oder du wirst schlicht durch Übung besser. Das macht das Spiel insgesamt weniger zugänglich und erhöht die Frustration zusätzlich.

Auf dem Friedhof ist der Tod am nächsten

Gerade deshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass mein Charakter nach mehreren Stunden Spielzeit kaum stärker wird, während die Gegner immer mächtiger erscheinen. Hornet verfügt nur über wenige Angriffsmöglichkeiten, steht dabei aber einem Arsenal an gegnerischen Techniken gegenüber. Besonders merkwürdig wirkt das im Vergleich zu Shinobi: Art of Vengeance, das ebenfalls kürzlich erschienen ist. Dort besitzt der eigene Charakter ein vielseitiges Moveset, das sich stetig erweitert und spürbar für Fortschritt sorgt. Im direkten Vergleich fühlt sich das Kampfsystem von Silksong fast wie ein Prototyp an. Und das, obwohl auch Shinobi alles andere als einfach ist. Doch dank anpassbarer Schwierigkeitsgrade, sinnvoller Belohnungen und fairen Checkpoints wirkt es deutlich zugänglicher und damit letztlich motivierender.

Frust als Gameplay-Mechanik

Fairerweise: In Silksong kann man durch Erkunden tatsächlich stärker werden. Doch das Spiel hindert einen durch die zuvor beschriebenen Probleme aktiv daran, diesen Erkundungsdrang auszuleben. Besonders frustrierend wird es dadurch, dass man zusätzliche Items erwerben muss, damit die Karte wirklich sinnvoll nutzbar ist. Silksong legt einem ständig unnötige Steine in den Weg – es ist einfach nur frustrierend. Herausforderung kann spannend sein, ohne gleichzeitig nervig und demotivierend zu wirken.

Silksong hat eine enorme Fanbase, und die „Git Gud“-Fraktion der Souls-Bubble wird mir sicher nur entgegnen können, dass es an meinem Skill liegt. Sicher gibt es Spieler*innen, die in diesem Genre deutlich besser sind als ich – aber eben auch viele, die schlechter sind. Und an diese denke ich. Videospiele sollten vor allem eines: Spaß machen. Silksong erinnert daran, dass 50 Jahre Videospielgeschichte und konservative Gamedesign-Prinzipien nicht umsonst existieren. Und dass man nicht immer der eine sein muss, der herausragt. Hollow Knight: Silksong ist ein tolles Metroidvania; man merkt, dass das australische Team Cherry Freude an der Entwicklung hatte und sich kreativ ausgetobt hat. Dennoch nimmt meine Lust, das Spiel zu spielen, von Stunde zu Stunde ab. Und ich habe noch genug andere Titel, die ich spielen möchte. Ich möchte Silksong mögen, aber Frust sollte niemals eine Gameplay-Mechanik sein.

Artikelbilder: ©Team Cherry

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