Microsoft gewinnt vor Gericht gegen die FTC und ebnet damit den Weg für die Übernahme von Activision Blizzard. Was bedeutet der Sieg für Microsoft? Geht der Deal nun definitiv durch? Gibt es doch noch Stolpersteine? Und was heißt das alles für die Konsument*innen und für die Branche allgemein? Wir fassen den aktuellen Stand zusammen und wagen einen Blick auf das, was kommen kann.
FTC vs. Microsoft
Es ist das Ereignis überhaupt. Die Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht ein großes Spektakel, sondern es ist insbesondere ein riesiges Medienereignis. Warum? Weil es sich um die bislang größte Akquisition innerhalb der Gaming-Branche handelt und sogar unabhängig davon um eine der größten Übernahmen im Tech-Kosmos. Während bereits viele Aufsichtsbehörden weltweit ihr “Ja-Wort” gegeben haben, sträubte sich die CMA, die Aufsichtsbehörde aus UK, den Deal in der Form gewähren zu lassen. Man hat Bedenken. Microsoft könne insbesondere im Cloud-Bereich eine Art monopolistische Stellung erhalten. Auch mit der FTC aus den USA stritt man bereits lange. So lange, dass man vor Kurzem vor Gericht zog. Doch hier lag der argumentative Fokus auch auf der Marke Call of Duty und einer möglichen monopolistischen Stellung durch exklusive Spiele.
In Kalifornien wurden somit in den letzten Wochen zahlreiche Beweisstücke vorgebracht, warum die Übernahme nicht stattfinden sollte. Microsoft auf der anderen Seite legte Richterin Jaqueline Scott Corley entsprechende Dokumente vor, die Gegenteiliges belegen sollten. Auch die Verhandlungen waren ein amüsantes Unterfangen und brachten einige Infos hervor. Da auch Sony, in ablehnender Haltung gegenüber dem Deal, verhört wurde, kamen auch auf dessen Seite einige Infos ans Licht. Manche gewollte, manche aufgrund von Ungenauigkeiten eher ungewollt.
Seifenoper
So konnten wir in Erfahrung bringen, dass beispielsweise The Last of Us: Part 2 und Horizon: Forbidden West ein Budget von über 200 Millionen US-Dollar verschlungen haben. Zahlen, die uns sonst verwehrt geblieben wären und ein Ausmaß zeigen, welches bisherige Grenzen sprengt. Der Nachfolger zu The Last of Us soll sich demnach auch 7 Jahre in Entwicklung befunden haben. Sind das schon AAAA-Games? Ebenfalls interessant: Jim Ryan, PlayStation Chef, schrieb in einer Email, dass er sich eigentlich keine Sorgen bezüglich einer Übernahme machen würde. Er wisse ohnehin, dass Call of Duty weiterhin für PlayStation erscheinen werde.
Das ist insofern lustig und unterhaltsam, dass eben selbige Person vor Wochen und Monaten noch beteuerte, dass die Übernahme dazu führen würde, dass man Spiele wie God of War und The Last of Us nicht mehr machen könne, weil es zu sehr den Markt und deren Business Modell schädigen würde. Wie wir nun wissen: Völliger Blödsinn. Auf der anderen Seite präsentierte sich Microsoft über Monate hinweg als die absoluten Nichtskönner. Doch wenn man auf der einen Seite behauptet, man sei so unterlegen und hätte in allen Aspekten keine Chance, dann wirken einige Aussagen ebenfalls ein wenig irritierend. Zum Beispiel verkündete man, dass die Zahl aktiver User im Xbox-Kosmos noch nie so hoch sei, wie aktuell. Das klingt ja wirklich ganz furchtbar dramatisch. Nicht.
FTC mit einer mäßigen Performance vor Gericht
Doch das vor Gericht spielten sich relevantere Dinge ab. Die FTC legte dabei jedoch keinen durchweg souveränen Auftritt hin. Auf die Frage von Richterin Courley, welches Bethesda Game mit Call of Duty vergleichbar sein, antworteten diese The Elder Scrolls 6. Microsoft korrigierte, dass es The Elder Scrolls Online und eben wahrscheinlich 2026 The Elder Scrolls 6 geben werde, diese aufgrund verschiedener Ausrichtungen und Genres nicht mit Call of Duty vergleichbar seien. Die FTC merkte zudem an, dass auch Redfall und Starfield ähnlich zu Call of Duty seien. Auch hier wurde korrigiert. Als Sarah Bond von Microsoft verhört wurde, fragte man sie seitens der FTC im Verhör:
“Für die Nutzung von Cloud ist zwingend eine Windows-Lizenz notwendig, richtig?”. Natürlich ist das nicht richtig und auch hier musste korrigiert werden. Solche und ähnliche Aussagen sind natürlich wenig überzeugend. Mehr Überzeugungskraft konnte Microsoft liefern. Die Argumentation, dass Microsoft sowohl Call of Duty für verschiedene Plattformen auf 10 Jahre bringen werde, als auch dass man mit mehreren Cloud-Anbietern 10-Jahresverträge abschloss, um die Inhalte einem breiteren Publikum anbieten zu können. Dies hob Courley in ihrem Abschlussplädoyer hervor, ebenso wie die fehlenden Argumente der FTC, die beweisen sollten, dass der Markt nachhaltig durch die Übernahme geschädigt werde. Somit wurde der Blockierung der Übernahme nicht stattgegeben. Microsoft darf die Übernahme durchführen.
Das heißt nun?
Tatsächlich ist das ein großer Schritt im gesamten Prozess. Aber zu 100% Ist der Drops trotzdem nicht gelutscht. Die FTC kann in Berufung gehen und somit ein zweites Mal vor Gericht ziehen. Die Chancen stünden auch dann wahrscheinlich kaum besser. Doch verzögern wurde sich alles in jedem Fall. Dass die FTC Berufung einlegt, ist unwahrscheinlich, aber möglich. Hier müssen wir abwarten. Angenommen, hier bleibt alles, wie es aktuell ist, stünde nur noch die CMA im Weg.
Die Aufsichtsbehörde des Vereinigten Königreichs hat dem Deal bereits nicht zugestimmt. Doch angesichts der Niederlage der FTC vor Gericht, gerät die Entscheidung nun in den Mittelpunkt. Am 28. Juli sollte eine Anhörung stattfinden, da Microsoft gegen die Entscheidung der CMA in Berufung gegangen ist. Doch bereits kurz nach der Verkündung des Urteils im FTC-Prozess, gab es eine Kehrtwende. Die CMA und Microsoft bestätigten, dass man Gespräche für Verhandlungen aufnehme und somit den Rechtsstreit zunächst beiseitelegt. Damit könnte man die Bedenken seitens der CMA in Bezug auf Cloud-Gaming beilegen.
Doch was die Gespräche ergeben, wird sich zeigen. Auch wenn die CMA unabhängig ist, steigt der Druck von außen. Wie ließe sich rechtfertigen, den UK-Markt vom Game Pass zu exkludieren? Welches Signal sendet es in die Welt. Nicht umsonst äußerte sich auch Ministerpräsident Rishi Sunak etwas kryptisch, aber durchaus kritisch gegenüber der CMA. Auch würden die Chancen vor Gericht schlecht stehen. Wie ließe sich argumentieren, dass alle Welt den Deal freigibt, Microsoft in den USA vor Gericht gewinnt, nur in UK geht das nicht. Somit wird der Fall immer wahrscheinlicher, dass der Deal auch von deren Seite durchgehen darf.
Konsequenzen in beide Richtungen
Die Übernahme hätte positive und negative Seiten. Positive Aspekte wären, bzw. könnten sein, dass eine Verbesserung der Arbeitskultur bei Activision Blizzard entsteht. Der Publisher machte zahlreiche Schlagzeilen, wie systematisch Menschen diskriminiert, gemobbt und auch sexuell belästigt wurden. Auch im Wissen von CEO Bobby Kotick. Ein Umstand, den Microsoft nicht akzeptieren wird. Es wird definitiv eine Bewegung hin zu mehr Offenheit, Anerkennung und einer diverseren Kultur geben. Das ist wohl der positivste Umstand an der ganzen Übernahme. Darüber hinaus kann es sich aber auch positiv auf das Gaming-Lineup auswirken. Mit Microsoft in der Elternrolle, besteht die Chance für die Wiederauferstehung älterer Marken, die vernachlässigt wurden.
Singularity, Guitar Hero, Starcraft oder Tenchu könnten tatsächlich aus einem Tiefschlaf geholt werden. Außerdem stehen die Chancen nun besser, dass Call of Duty aus diesem Development-Circle ausbrechen könnte. Bisher war der Publisher “gezwungen” jedes Jahr einen neuen Ableger zu veröffentlichen, um Wachstum zu generieren und die Aktionäre glücklich zu stimmen. Damit einher ging auch Stagnation. Wer den Game Pass abonniert, dürfte zudem vom deutlich wachsenden Portfolio profitieren. Der Publisher bringt eine riesige Bibliothek an Spielen mit, die in großen Teilen auch in den Game Pass wandern könnten und den Service umso interessanter machen. Aber die Kehrseite bringt ebenso viele Argumente hervor. Konsolidierungen sind meist nicht allzu vorteilhaft.
Die Marktmacht konzentriert sich zunehmend auf einige wenige Unternehmen. Oft stirbt dadurch auch etwas Kultur in den Studios. Darüber hinaus werden über kurz oder lang mehr und mehr Spiele exklusiv für Xbox & PC erscheinen. Gut, für jene die dort eh unterwegs sind, weniger gut für jene die es nicht sind. Zu guter Letzt ist auch nicht in Stein gemeißelt, dass Microsoft dieses Schiff unter Kontrolle bekommt. Schließlich zeigte man sehr offensichtlich, dass man ein Managementproblem in Bezug auf die First-Party-Studios hat.
Die Entwicklung von Perfect Dark wurde mittlerweile in großen Teilen Crystal Dynamics übergeben, weil The Initiative Probleme hatte. Everwild bei Rare wurde zwischendurch neu entwickelt. Redfall war ein Desaster, weil Microsoft zu wenig auf das Projekt geachtet hat. 343 Industries und die Marke Halo ist ein Schatten seiner selbst. Ist Microsoft also in der Lage die ganzen Studios zu moderieren, zu pushen, zu fördern, zu verbessern? Auch wenn Activision Blizzard unabhängiger geführt wird, als ein 343, Rare oder The Initiative, sind Bedenken nicht unbegründet. Microsoft wird sich mit dem Thema befassen und zukünftig besser aufstellen müssen.
Es geht weiter
Wir blicken also, man mag es kaum aussprechen, auf ein mögliches Ende des Dramas. Eine Geschichte, wie sie die Gaming-Welt in der Form noch nicht gesehen hat. Es ist nun ein großer Schritt in Richtung Übernahme passiert. Aber vollendet, ist dieser trotzdem noch nicht. Die Auswirkungen wären im Falle einer Akquisition enorm, sowohl für Microsoft als auch für die gesamte Branche. Freud und Leid liegen einmal mehr oft eng beieinander. Daher dürfen wir gespannt auf die Ereignisse der nächsten Tage, Wochen und Monate blicken. Das Kapitel wird uns so oder so noch lange beschäftigen.