Diese Artikelreihe widmet sich jenen Videospiel-Serien, die den Mut aufbrachten altbewährte Mechaniken aufzubrechen, um sich neu zu erfinden. Mal aus der Not heraus, mal aus Innovationslust, aber jedes Mal mit Erfolg. In diesem Artikel widmen wir uns einem der Mitbegründer und langjährigen Veteranen des Survival Horror-Genres: Resident Evil
Aus dem Grab ins Herz der Popkultur
Freunde des gepflegten Horrorfilms werden interessiert aufhorchen, wenn sie seinen Namen hören: George A. Romero. Er galt als einer der Mitbegründer des modernen Horrorfilms und brannte sich vor allem durch die Schöpfung eines heute kaum noch wegzudenkenden, popkulturellen Phänomens in die Geschichte des Bewegtbildes. Er nutzte die große Leinwand um die Toten aus ihren Gräbern steigen und schlurfend, stöhnend, blutdürstend nach Menschen jagen zu lassen. George A. Romero war der geniale Kopf hinter den triebgesteuerten Untoten, denen wir heute in allerlei Medien regelmäßig begegnen: den Zombies.
Ohne die genredefinierenden Werke Night of the Living Dead aus dem Jahr 1968 und Dawn of the Dead, welcher 1978 Kinobesuchern das Schaudern lehrte, wären die Zombies, so wie wir sie heute in Film und Videospiel gewohnt sind, vermutlich nicht (im wahrsten Sinne des Wortes) aus dem Boden getreten.
Das Konzept des menschenfressenden Untoten begeisterte schnell die Massen. Als in den folgenden Jahren auch das Medium Videospiel an Relevanz gewann, war es entsprechend nur eine Frage der Zeit, wann die fauligen Kameraden ihren Auftritt im interaktiven Zeitvertreib bekommen würden. Ein Spiel für den 8-Bit Heimcomputer ZX Spectrum versuchte sein Glück von dieser Popularität zu profitieren. Das ausgesprochen kreativ betitelte Zombie Zombie holte 1984 dann aber doch nicht den erhofften Erfolg ins Haus der Publisher von Quicksilva.
Herrenhaus der Schrecken
Vielmehr sollten noch ein paar Jahre ins Land gehen, ehe Entwickler Capcom mit einem visionären Horrorspiel den Startschuss für eine ikonische Serie geben würde. Zunächst von Produzent Tokuro Fujiwara als Remake des Horror-RPG Sweet Home aus dem Jahr 1989 angedacht, durchfuhr das Konzept unter der Leitung von Shinji Mikami diverse Phasen der Umgestaltung. So stand etwa zu Beginn die Entwicklung eines Projekts für Nintendos SNES im Raum, gefolgt vom Konzept eines vollwertigen 3D-First Person-Titels für die PlayStation.
Es blieb letztlich bei der Wahl von Sonys Heimkonsole, die Ego-Perspektive wich jedoch zugunsten eines Third Person-Ansatzes.
Der technische Grundstein war also gelegt und das Team um Shinji Mikami machte sich an die Ausarbeitung eines Spielkonzepts, welches in erster Linie Abstand von actionorientierten Konventionen nehmen sollte. Diese Entscheidung würde belohnt werden, denn Capcoms Projekt mit dem Titel Biohazard (oder wie es uns hierzulande sicher geläufiger ist: Resident Evil) wurde zurecht mit kritischem, wie kommerziellem Erfolg bedacht.
Greifen wir aber nicht zu weit vorweg und beleuchten stattdessen erst einmal, wovon Resident Evil eigentlich handelt. Wir schlüpfen wahlweise in die Rolle von Jill Valentine oder Chris Redfield, zwei Mitgliedern des sogenannten S.T.A.R.S. Alpha Teams, einer Spezialeinheit des örtlichen Racoon City Police Departments. Nachdem sich groteske Mordfälle in naher Umgebung der Stadt häufen und der Kontakt zu dem darauf angesetzten Bravo Team abbricht, macht sich die A-Mannschaft auf, die Lage aufzuklären. Das Team findet den abgestürzten Helikopter der Bravo-Einheit im einem nahegelegenen Gebirgsgebiet vor und sieht sich ferner mit einer weiteren, schockierenden Situation konfrontiert. Bei der Untersuchung des Wracks werden sie von blutrünstigen Hunden angegriffen, welche die Einheit ungewollt voneinander trennt. Die Protagonisten retten sich gemeinsam mit Team-Leader Albert Wesker und dem bulligen Barry Burton in die vorläufige Zuflucht eines abgelegenen Herrenhauses.
Reizvoller Überlebenskampf
Doch wer hätte es gedacht: Das Herrenhaus legt sehr bald den trügerischen Mantel des sicheren Hafens ab, um den Spieler mit allerlei Schrecken zu konfrontieren. Hier lässt sich der Bogen zu den anfänglich thematisierten, modrigen Idolen der Popkultur schlagen, denn die hauptsächliche Bedrohung in Resident Evil geht von fauligen Zombies und diversen anderen mutierten Kreaturen aus. Diesen begegnen wir dabei nicht mit einem bodenlosen, prall an Waffen und Munition gefüllten Rucksack, sondern ganz im Gegenteil mit stark begrenzten Ressourcen.
Bei jeder Begegnung mit den stöhnenden Wiederkehrenden fragen wir uns, ob es sinnvoll ist ihn mit den wenigen, wertvollen Kugeln die uns zur Verfügung stehen niederzustrecken, oder ob wir lieber die Flucht antreten. Unsere Wunden versorgen wir mit unterschiedlich farbigen Kräutern, die je nach Kombination andere Wirkungen erzielen und gespeichert wird an Schreibmaschinen, für deren Funktion allerdings Farbbänder benötigt werden – richtig, auch diese sind rar gesät.
Resident Evil machte seinen Spielern schnell deutlich, dass man nicht in die Fußstapfen eines unerschütterlichen Monsterschlächters trat, sondern jederzeit die Verwundbarkeit seines menschlichen Protagonisten spürte. Jeder Erkundungsgang, bei dem man das Herrenhaus weiter erschloss, galt gut vorbereitet zu werden, da das eigene Inventar nur begrenzten Platz bot. Würde man auf Nummer sicher gehen und ein weiteres Farbband zu Ungunsten der knapp bemessenen Taschen mitnehmen, oder stattdessen zusätzliche Munition einpacken und bei einem Bildschirmtod, den errungenen Fortschritt riskieren? Diese schwierigen Fragen stellten sich Resident Evil-Spieler zuhauf und eben dies machte den großen Reiz des Spiels aus.
Die Geburt des Survival Horror
In das Prinzip des bedrohlichen Überlebenskampfes spielte nicht zuletzt das fantastische Gefühl von Progression. Während zahlreiche Türen des beeindruckenden Anwesens zu Spielbeginn verschlossen blieben, entdeckten wir im Verlauf immer neue Möglichkeiten, die vielen Gänge und Räumlichkeiten der furchteinflößenden Villa zu erschließen. Fand man sich nach einem nervenzerreißenden Ausflug am anderen Ende einer Tür vor, die von dieser Seite nun geöffnet werden konnte und damit den Weg zu einem vertrauten Raum frei machte, atmete man nicht selten erleichtert auf.
Resident Evil lebt von diesem anregenden Thrill und das empfanden nicht nur die Spieler so. Von der Kritik gelobt, fuhr die schaurige Hausbegehung einen kommerziellen Erfolg für Entwickler Capcom ein. Nicht zuletzt sicherte man dem Titel bald eine wichtige Stellung innerhalb der Geschichte der Horror-Spiele zu, denn bis heute gilt Resident Evil als ein Mitbegründer des beliebten Horror-Subgenres Survival Horror. Angesichts all dieser Lorbeeren ist es natürlich wenig verwunderlich, dass ein Nachfolger nicht lange auf sich warten ließ.
(Zombie-)Chaos auf den Straßen
Keine zwei Jahre später, im Januar 1998, stand mit Resident Evil 2 also bereits der nächste Ausflug in das vom T-Virus verseuchte Raccoon City ins Haus. Shinji Mikami machte für das Projekt den Regiestuhl frei, blieb jedoch als Produzent an Bord. Die kreative Leitung übernahm indes Hideki Kamiya, dessen Name vielen Spielern seiner späteren Arbeiten wie Devil May Cry, Viewtiful Joe oder Ōkami wegen, ein Begriff sein dürfte.
Im Vergleich zum Vorgänger schlüpfen wir in Resident Evil 2 nicht mehr in die Haut einer Spezialeinheit, sondern übernehmen die Kontrolle von Leon S. Kennedy, einem jungen Nachwuchspolizisten, der seinen ersten Tag im Raccoon City Police Department (kurz: R.P.D.) erwartet – und was für ein erster Tag das werden soll. Zwei Jahre nach den Geschehnissen des Vorgängers, hat der T-Virus nämlich wild weiter gewütet. Der von dem pharmazeutischen Unternehmen Umbrella als biologische Waffe angelegte Virus hat einen Großteil der Bevölkerung von Raccoon City zu Zombies mutieren lassen und unser Protagonist Leon steht mitten in der Misere. Immerhin erhält er dabei Unterstützung von der ebenso unerfahrenen, aber taffen College-Studentin Claire Redfield.
Richtig gelesen – Claire teilt ihren Nachnamen mit Chris Redfield, der sich im Vorläufer durch das Herrenhaus schlug. Als seine jüngere Schwester darf sie sich nun an seiner statt mit allerlei kreativ gestalteten Mutanten auseinandersetzen. Das unverhoffte Heldenduo schlägt sich folgend durch das örtliche Polizeirevier (und später weitere Settings), konfrontiert diverse neue und unheimliche Feinde und deckt allerlei Intrigen auf.
Schauderhafte Neuzugänge
Spielmechanisch hingegen blieb bei dem zweiten Eintrag der Serie allerdings das meiste beim Alten. Es galt weiterhin bedacht mit den eigenen Ressourcen zu haushalten, Rätsel zu lösen, das Polizeirevier nach und nach zu erschließen und sich bei alldem mit zahlreichen Widersachern auseinanderzusetzen. Gerade hinsichtlich des letzten Punktes, bewies das Entwicklerteam großen Einfallsreichtum, denn es stockte den Feindesbestand um vielfältige neue bizarre Gestalten auf. Das blinde (aber sehr geräuschempfindliche), raubtierartige Biest mit Codenamen Licker, weiß Spielern bis heute einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen. Ähnliches gilt für den stoischen Hünen Mr. X, der im Laufe der Handlung mehrfach den Weg des Protagonisten kreuzt.
Resident Evil 2 erweiterte aber nicht nur Schauplätze und Monsterrepertoire. Auch bezüglich des narrativen Handlings der beiden Protagonisten, drehte man an diversen Stellschrauben. Legte man sich nämlich im Vorgänger auf eine der beiden Figuren fest, befehligte man sie schlichtweg, bis der Abspann über den Bildschirm flimmerte. Im Kern hielt Resident Evil 2 an diesem Konzept fest, eröffnete dem Spieler aber nach Abschluss einer der beiden Kampagnen die Möglichkeit, das Abenteuer erneut aus der Perspektive der zweiten Hauptfigur zu erleben. Während essentielle Spielinhalte beim zweiten Durchgang gleich blieben, traf der Spieler hierbei teilweise auf andere Figuren und Feinde und wurde mit einem True Ending für seine Mühen belohnt.
Die konsequente Weiterführung der Spielidee sorgte für abermals positiven Anklang bei den Spielern, wie der Presse. Bis heute gilt Resident Evil 2 für viele Fans der Serie als einer, wenn nicht der beste Eintrag der Serie. Selbstredend also, dass Capcom bereits an der Produktion eines dritten Ablegers werkelte.
Rückkehr einer alten Bekannten
Fans mussten sich erneut nicht lange gedulden, denn es dauerte keine zwei Jahre, ehe Capcom im September 1999 den dritten Ableger ihrer mittlerweile international renommierten Horror-Serie veröffentlichten, bei dem diesmal Kazuhiro Aoyama Regie führte. In Resident Evil 3: Nemesis übernahmen wir die Kontrolle unserer alten Bekannten Jill Valentine, welche nach den Ereignissen im Spencer Anwesen von ihrer Position bei S.T.A.R.S. zurückgetreten ist. 24 Stunden vor den Geschehnissen von Resident Evil 2 unternimmt sie den Versuch aus Raccoon City zu entkommen. Eine Bemühung die sich – man mag es kaum glauben – als äußerst schwierig herausstellt.
Auf ihrer Odyssee durch die brennenden Trümmer der Stadt, trifft Jill auf Überlebende einer Spezialeinheit des Schurkenkonzerns Umbrella. Die Soldaten sehen sich jedoch selbst im Visier der Bösewichte, sodass aus Feind bald Freund wird. Diese Zweckgemeinschaft ist auch bitter nötig, denn ein besonders grausamer Feind streift durch die Straßen – die bioorganische Waffe Nemesis. Der hochgewachsene Mutant jagt unerbittlich nach jedem, der von den verschleierten, bösartigen Machenschaften von Umbrella unterrichtet ist.
Allzweckwaffe: Nemesis
Wie schon Resident Evil 2, orientierte sich auch der dritte Ableger stark an den Wurzeln der Reihe. Das Entwicklerteam um Aoyama reicherte das Spielprinzip jedoch mit neuen Mechaniken und Komfortfunktionen an, sodass es Spielern beispielsweise ermöglicht wurde, Angriffen auszuweichen und sich auf der Stelle um 180 Grad zu drehen. Wirklich frischen Wind brachte aber der titelgebende Nemesis, welcher Jill in regelmäßigen Abständen das Leben schwer macht.
Kreuzte der scheußliche Koloss ihren Weg, galt es für den Spieler per Quicktime-Event zu entscheiden, ob er sich der Bestie stellt, oder lieber das Weite sucht. Mutant Nemesis scheute dabei nicht vor dem Einsatz von großen Geschützen zurück – im Vergleich zu seinen stumpfen Zombie-Kollegen wusste er nämlich mit Raketenwerfer und Co. umzugehen.
Die wachrüttelnden Begegnungen mit dem Supermutanten ließ Spielern das Blut in den Adern gefrieren. Sie feierten diesen frischen Stressfaktor als gelungene Neuerung, Kritiker stimmten euphorisiert zu und überhäuften den Titel mit zahlreichen Höchstwertungen.
Capcom gönnte sich aber keine Verschnaufpause, im Gegenteil: Hinter den Kulissen liefen parallel bereits die Arbeiten zu einem weiteren Serienableger.
Ausflug auf Segas Dreamcast
Dabei handelte es sich aber nicht etwa um ein potenzielles Resident Evil 4, sondern um das Spin-Off mit dem Titel Resident Evil Code:Veronica. Wie bei den vorangegangenen Teilen, fungierte Shinji Mikami auch bei diesem Projekt als Produzent, die kreative Leitung übernahm Hiroki Kato. Interessanterweise legte das Team das Projekt ursprünglich als den dritten Eintrag der Hauptserie an, während Resident Evil 3: Nemesis als Spin-Off angedacht war. Letztlich entschied man aber angesichts der Tatsache, dass Nemesis auf Sonys PlayStation erschien um und machte daraus den offiziellen dritten Hauptteil. Code:Veronica markierte dafür den ersten Horror-Ausflug außerhalb von Sonys Heimkonsole und erschien für Segas Dreamcast.
Heldin dieses Abenteuers ist Claire Redfield – wir erinnern uns: die taffe College-Studentin, die Nachwuchspolizist Leon in Resident Evil 2 unter die Arme griff. Drei Monate nach der Flucht aus Raccoon City infiltriert die nun noch viel taffere Claire auf der Suche nach ihrem Bruder Chris, eine Anlage der Umbrella-Corporation in Paris. Die halsbrecherische Aktion geht leider in die Hose, das Sicherheitspersonal setzt sie außer Gefecht und verfrachtet sie kurzerhand in ein Gefängniskomplex auf Rockford Island.
Natürlich wütet der altbekannte T-Virus auch hier schon und so tun sich Claire und Mithäftling Steve Burnside zusammen, um einen Weg zu finden von der Insel zu fliehen. Serientypisch verstricken sie sich dabei in allerlei Konflikte und Intrigen, die immer weitere Offenbarungen zu Tage fördern. Die Narrative zeigte sich also abermals unterhaltsam, wie skurril.
Hübscher Tapetenwechsel
Verglichen mit seinen Vorläufern, stach Code:Veronica vor allem durch seine technische Präsentation hervor. Die Tatsache, dass die Reihe einen Ausflug auf Segas vielversprechende Heimkonsole machte, brachte nämlich vielfältige technische Möglichkeiten mit sich. Das Entwicklerteam versteifte sich entsprechend nicht länger auf vorab gerenderte Hintergründe, wie Spieler sie bislang gewohnt waren, sondern setzten auf in Echtzeit berechnete 3D-Umgebungen – ein Umstand der nicht zuletzt die Tür für einen dynamischeren Kameraeinsatz öffnete. Vorbei waren die Tage der statischen Bildschirmwechsel.
Frischer Wind wehte auch bei der Wahl des Settings. Rockford Island und eine später im Spiel besuchte antarktische Militäreinrichtung boten eine willkommene Abwechslung zum chaotischen Apokalypse-Szenario der US-amerikanischen Kleinstadt Racoon City. Spielmechanisch traute man sich hingegen weniger aus den vertrauten Gefilden. Das tat der positiven Resonanz aber keinerlei Abbruch, denn wie schon seine Vorgänger, badete Code:Veronica in einem satten Sturzbach der Anerkennung.
Zurück auf Null
Es wird niemanden überraschen, dass Capcom weiterhin nicht daran dachte, der Serie eine Verschnaufpause zu gönnen. Die Marke wuchs zu einem beliebten, wie profitablen Franchise an, welches mittlerweile neben der Hauptserie, diverse Spin-Offs und sogar eine erste Kinoadaption umfasste. Um die aberwitzige Filmreihe, die aus diesem ersten Leinwandausflug resultierte soll es an dieser Stelle aber nicht gehen.
Für den nächsten Serienteil verpflichtete Capcom Koji Oda als Leiter des Entwicklerteams. Das Projekt, welches im November 2002 für Nintendos GameCube erschien, erhielt den schlichten Titel Resident Evil 0, der bereits andeutete, wohin die Reise gehen sollte. Mit Zero gedachte das Team nämlich zurück zu den Wurzeln zu gehen und die verworrene Geschichte um intrigante Großkonzerne, tödliche Viren und kühner TeilzeitheldInnen mit zusätzlichen Details zu füttern.
Genau genommen geht es sogar zurück zu dem 23. Juli 1998, als der Helikopter des Bravo Teams abstürzte und damit die Geschehnisse der ersten Resident Evil einleitete. Wir nehmen den Blickwinkel der jungen Sanitäterin Rebecca Chambers ein, welche den Absturz unbeschadet übersteht und auf einen betriebslosen Zug in Nähe der Absturzstelle stößt. Sie untersucht das Innere und wird mit infizierten, zu Zombies mutierten Passagieren konfrontiert. Ferner stößt sie auf den entflohenen Häftling Billy Coen, mit dem sie sich in ihrer Not zusammentut.
Teamarbeit in der Zombie-Not
Auch Zero lief gameplaytechnisch traditionelle Pfade ab, zwei Neuerungen stachen aber im Vergleich zu den Vorgängern heraus. Der grantige Ex-Marine Billy war etwa nicht nur für die Geschichte des Spiels relevant, sondern Rebeccas stetiger KI-Begleiter. Dem Spieler stand es frei, zwischen den beiden Protagonisten zu wechseln und der jeweils anderen Figur Anweisungen zu geben. Ein Umstand aus dem nicht zuletzt frische Rätselsituationen resultierten. Zudem strich das Entwicklerteam die altbekannten Item-Truhen, in denen man nicht benötigte Ausrüstung lagerte. Stattdessen erhielt der Spieler nun die Möglichkeit überall an Ort und Stelle Items abzulegen und sie gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder einzusammeln.
Die neuen Spielmechaniken wurden von Kritikern gemischt aufgenommen. Während die einen das Partner-Konzept der frischen Idee wegen lobten, kritisierten andere die schwache KI des Kumpanen. Ähnliches galt für den neuen Umgang mit dem Item-Management.
Die Kritik beschränkte sich aber nicht nur auf spielmechanische Neuerungen, vielmehr begannen Fans und Kritiker dem im Kern seit 1998 unveränderten Gameplay, Ermüdungserscheinungen zu attestieren.
Die nach wie vor schwerfällige Steuerung, welche von Fans witzelnd mit jener eines Panzers verglichen wurde und das Grafikkonzept um vorgerenderte Hintergründe und statischen Kameraeinstellungen wirkten antiquiert. Grundlegend fiel die Resonanz auf das Spiel aber überwiegend positiv aus, nichtsdestotrotz schienen sich die Verantwortlichen hinter den Kulissen von Capcom im Nachgang für neue Herangehensweisen an die Serie zu öffnen.
Zeit für einen Neustart
An Stillstand war also nicht zu denken, wohl aber an eine Neuerfindung der Serie. Um eine gelungene Revitalisierung zu gewährleisten, verwarf Capcom diverse Ansätze, an denen bereits hinter verschlossenen Türen gearbeitet wurde. Eines dieser Konzepte entstand beispielsweise erneut unter der kreativen Leitung von Hideki Kamiya, dessen Ansatz aber zu stark von der Kernidee der Reihe abwich. Das Spiel blieb jedoch in der Entwicklung und erschien 2001 unter dem Namen Devil May Cry, welches seinerseits den Startschuss zu einer erfolgreichen Spielreihe gab. Erste öffentliche Lebenszeichen eines Resident Evil 4 erhielten Fans zur E3 2003, als Capcom einen Gameplay-Trailer präsentierte, der im Vergleich eine tonal deutlich andere Version zeigte, als jene die im Januar 2005 die Videospiel-Regale bekleiden würde.
Wir sahen einen bewaffneten Mann, der vorsichtig durch die finsteren Gänge burgähnlicher Räumlichkeiten schlich und sich mit paranormalen Geschehnissen auseinanderzusetzen hatte. So ließen dekorative Ritterrüstungen beim Passieren plötzlich ihre Äxte zu Boden schnellen, Puppen erwachten zum Leben und hüpften bedrohlich umher und eine schemenhafte, mit Haken bewaffnete Gestalt hetzte den Protagonisten durch die Gemäuer. Bis auf einige Kernelemente sollte von diesem interessanten Ansatz nicht mehr viel in der finalen Fassung übrig bleiben – das war aber auch gar nicht schlimm. Denn das 2005 für Nintendos GameCube veröffentlichte Resident Evil 4 entpuppte sich dennoch als Meilenstein der Serie und gesamten Videospielgeschichte.
Mistgabeln und Kettensägen
An den chaotischen Ereignissen von Racoon City gereift, mauserte sich Leon S. Kennedy vom einfachen Police Officer zum U.S. Regierungsagent. Sechs Jahre später steht er nun vor der Aufgabe, Ashley Graham, die Präsidententochter zu retten, welche von einer obskuren Sekte entführt wurde. Startpunkt seiner Ermittlungen bietet ein kleines, spanisches Dorf, in dem er serientypisch schon bald mit seltsamen Vorkommnissen zu kämpfen hat. Die Einwohner des Dorfes erweisen sich nämlich alles andere als gastfreundlich und attackieren den Agenten mit Mistgabeln und… Kettensägen. Keine halben Sachen eben. Leon findet bald heraus, dass ein Mann namens Osmund Saddler für das aggressive Verhalten der Bauern verantwortlich ist, indem er sie mit Gedanken kontrollierenden Parasiten infizierte. Wie sich herausstellt handelt es sich bei Saddler zudem um den Führer der Sekte, welche die Präsidententochter entführte, sodass Leon sich aufmacht, seinem Treiben ein Ende zu setzen und Ashley zu retten.
Der E3-Trailer von 2003 deutete bereits an, dass die grundlegende Spielmechanik deutlich von den vergangenen Titeln abweichen würde und die finale Version bestätigte dies umso mehr. Das Entwicklerteam unter der Leitung von Shinji Mikami setzte auf eine Third Person-Perspektive, bei der die bewegliche Kamera nah über der Schulter des Protagonisten verharrte. Anderswo war dieser Ansatz sicherlich schon deutlich geläufiger, für Resident Evil bedeutete dieses Umdenken allerdings die nötige Erweiterung des Horizonts.
Nun war endgültig Schluss mit vorab berechneten Hintergründen und vorgegebenen Kameraperspektiven. Endlich war man dazu in der Lage, gezielte Schüsse auf seine Widersacher abzugeben – ihnen etwa ins Knie zu schießen, um sie damit zu Fall zu bringen, oder gar direkt das Blei zwischen die Augen zu pusten. Leon verwurzelte beim Zielen zwar immer noch an Ort und Stelle, im Vergleich zu den Vorgängern aber, wirkte die neu errungene Bewegungsfreiheit, wie ein geglückter Griff nach den Sternen.
Terror statt Grusel
Diese Beweglichkeit brauchte es auch, denn Resident Evil 4 gab schnell zu verstehen, dass der Fokus nicht mehr auf der Generierung von düsteren und diffusen Angstmomenten lag, sondern regelrechter Terror und Panik den Spieler durch die Handlung treiben sollten.
Kaum mit der Steuerung vertraut, treten wir zu Beginn des Spiels etwa in das eben angesprochene Dorf und sehen uns wenig später von einem fluchenden Lynchmob durch Ställe und Häuser gehetzt. Uns fliegen Beile entgegen, Heugabeln schnellen auf uns zu, Feindesscharen versuchen uns zu umzingeln. Wir suchen Zuflucht in kleinen Hütten, schieben panisch Schränke vor Türen und Fenster um Zeit zu gewinnen, nur um in der Ferne das herannahende Surren einer Kettensäge zu hören. Instinktiv verstehen wir, dass eine Auseinandersetzung mit diesem stämmigen, Säge schwingenden Unhold unschön ausgehen würde. Ein Verdacht der sich bestätigt, als wir bei der Flucht in die Arme eines anderen Feindes rennen, welcher uns lang genug aufhält, damit der Riese seine Motorsäge kreischend in unserem Hals vergraben kann. Du bist tot verkündet der Bildschirm – was du nicht sagst.
So sah meine persönliche erste Erfahrung mit Resident Evil 4 aus. Mein Herz pochte noch eine Weile weiter, nachdem die Panik abzuklingen begann und so verstörend die Sequenz war, so elektrisierend fühlte sie sich an. Mein Enthusiasmus flammte förmlich auf und bannte mich für Stunden an den Controller.
Dynamischer Überlebenskampf
Der beschriebene Einstieg war bezeichnend für die gesamte Spielerfahrung. Spieler schlugen sich dynamisch durch abwechslungsreich gestaltete Szenarien und Feindeshorden. Alles fühlte sich deutlich flotter an, als in den bisherigen Resident Evil-Titeln, ohne das Grundgefühl der Serie einzubüßen. Denn wer denkt, dass Resident Evil 4 zum stumpfen Ballerfest verkam, lag falsch. An zahlreichen Mechaniken merkte man dem Titel die DNA seiner Vorläufer an.
Noch immer galt es mit seinen Ressourcen bedacht zu haushalten. Im Gegensatz zum einfachen Slot-System der Vorgänger, setzte der vierte Teil allerdings auf ein Grid-System, in dem Waffen und sonstige Ausrüstung ihrer Größe entsprechend mehr oder weniger Platz einnahmen. Eine Schrotflinte bedurfte etwa deutlich mehr Kapazität, als ein Heilkraut. Als Spieler erwischte man sich demnach häufig beim effizienten Ordnen und Organisieren seiner Ausrüstung, um sich möglichst gut ausgestattet den nächsten Herausforderungen zu stellen. Dieses Weiterdenken etablierter Mechaniken durchsetzte Resident Evil 4, während es an den richtigen Stellen innovierte und modernisierte.
Ein vitales Spielelement nahmen Spieler gemischt auf: die KI-Partnerin Ashley. Früh in der Handlung aus ihrer Gefangenschaft befreit, folgte einem die Präsidententochter fortan. Ähnlich wie in Resident Evil Zero gab der Spieler ihr Befehle, mit dem Unterschied, dass Ashley (ihrer Rolle als privilegierte Teenagerin entsprechend) keine Möglichkeit besaß, sich zur Wehr zu setzen. Folglich galt es für große Teile des Spieles aggressive Feinde zu bekämpfen, während man einen Blick auf seine (immer die selben Hilferufe kreischende) Begleiterin haben musste. Schwächelte die Mechanik schon in Resident Evil Zero, stellte sie hier zurecht ein valides Ziel für Kritik dar.
Dieser Umstand war aber leicht zu verschmerzen, erhielt man doch eine solch geniale und konsequente Weiterentwicklung einer lieb gewonnenen Serie. Fans und Kritiker waren sich einig, Resident Evil 4 war nicht nur ein herausragendes Survival Horror-Spiel geworden, sondern feuerte die Messlatte für Genre einmal mehr in luftige Höhen. Bis heute spricht man von dem Titel als eines der besten Horror-Titel aller Zeiten – wie ich finde, zurecht.
Der zweite Teil dieses Artikels Mut zum Neustart: Resident Evil #2 erscheint am kommenden Freitag, den 03. April 2020.