Wir schreiben das Jahr 1997. Wissenschaftler präsentieren der Öffentlichkeit das Klonschaf „Dolly“, eine gewisse Frau Rowling entfacht eine wahre „Lesehysterie“ mit Ihrem ersten Harry Potter-Roman und Nintendo schickt seine 64-Bit Konsole, den Nintendo 64, ins Rennen.
Es kommt, wie es kommen muss: Mein 13 jähriges Ich liest mit leuchtenden Augen von den dreidimensionalen Welten eines Super Mario 64 und spätestens bei den ersten Screenshots zu Zelda: Ocarina of Time ist es um mich geschehen. Hastig wird der Wunschzettel für Weihnachten angefertigt, in der Hoffnung, dass meine Eltern ein Einsehen haben und die Notwendigkeit von ungezügelter 64-Bit Power im heimischen Kinderzimmer anerkennen würden. Meine Argumente müssen damals entweder sehr überzeugend gewesen sein, oder ich war bis Heiligabend einfach verdammt artig und zuvorkommend, denn der Plan sollte aufgehen. Pünktlich zur Bescherung dürfen mein Bruder und ich ein brandneues Nintendo 64 unser Eigen nennen und wenn man meinem Vater glauben darf, musste er sich für Zelda: Ocarina of Time durch bürgerkriegsartige Zustände im Elektrofachmarkt kämpfen. Nintendo steigt Ende der 90er mit harter Konkurrenz in den Ring und muss sich gegen Sonys Titanten, der PlayStation und Segas Antwort, dem Saturn behaupten.
Die CD Technologie und der damit verbundene, für damalige Verhältnisse, riesige Speicherplatz für Spieledaten, war der gesetzte Goldstandard und ermöglichte epische CGI Intros und Zwischensequenzen. Aeris dramatischer Tod in Final Fantasy VII oder der kultig trashige Vorspann zum ersten Resident Evil, komplett mit seinen Laiendarstellern aus der Rubrik „Fremdscham“ – ohne die CD hätte es beides nicht gegeben. Umso verwunderlicher war es, als Nintendo bekannt gab, auch im auslaufenden Jahrtausend und trotz der mittlerweile etablierten Technik seiner Konkurrenten, weiterhin auf Module zu setzen.
Aber wie so oft in der Geschichte von Big N verstummten die Unkenrufe schnell, als die wahre Stärke des N64 eindrucksvoll demonstriert wurde – fantastische First-Party-Games, direkt zum Konsolenstart, gepaart mit Spielmechaniken und Inhalten, die im Nachgang oft kopiert, aber nie erreicht wurden. Super Mario 64 zeigte mit durchdachtem Leveldesign und präziser Steuerung, wie Jump ‘n’ Run in 3D funktionieren kann und sollte. Ganz davon zu schweigen, dass der dafür nötige Analogstick ein zentraler Bestandteil des N64 Gamepads war.
Zum Vergleich: die ersten Versionen des PlayStation-Controllers besaßen keinen analogen Steurerstick und der Saturn lieferte erst mit dem Titel Nights into Dreams seine Interpretation eines Pads mit Analogfunktion nach. Zelda: Ocarina of Time hingegen gab dem Spieler das Gefühl einer zusammenhängenden Spielewelt, die randvoll mit farbenfrohen Charakteren, atmosphärischen Details und reichlich Geheimnissen, einen vorher nie erreichten Grad an Immersion und Freiheit vermitteln konnte. Und dann wäre da noch ein gewissen First-Person-Shooter mit Filmlizenz, der mit einem durchdachten Steuerungskonzept und einer nicht linearen Levelstruktur, fast im Alleingang beweisen konnte, dass Ego Shooter nicht dem PC-Platzhirschen vorbehalten waren. Zugegeben, Nintendo hat damals hoch gepokert, aber im Konsolenkampf der ausgehenden 90er-Jahre war es rückblickend ein sehr cleverer Schachzug, nicht nach den Regeln zu spielen, sondern seine eigenen zu machen.
Ein Platz im „Videospiel-Olymp“ ist dem Nintendo 64 damit auf jeden Fall sicher und den Test der Zeit hat es auch souverän überstanden – meine Konsole läuft 20 Jahre später jedenfalls noch genauso rund wie Heiligabend 1997. 😉