Durch EA, Nintendo und nun auch Capcom demonstrierte man uns bereits in den ersten Monaten des laufenden Jahres, wie selbstsicher sich mittlerweile Neuauflagen einstiger Klassiker in das routinierte Produktportfolio der Gaming-Giganten eingeschlichen haben und wie risikobefreit „Spielerecycling“ und der dazugehörige Nostalgiegedanke die qualitativen Standards eines potentiellen GOTY-Anwärters erfüllen kann. Und nicht allein Capcom mimt hier aktuell den Wiederholungstäter: Nintendo bewies 2019 mit The Legend of Zelda: Link’s Awakening bereits, dass ein neuer Look, spielerische Varianz getragen von neuer Hardware, ein angestaubtes Spielgefüge zurück in die Relevanz hieven kann. Capcom berief sich nach der qualitativen Achterbahnfahrt ihrer populären Survival Horror-Reihe Resident Evil 2019 ebenfalls auf die früheren Serienerfolge und bewies zuletzt nur zu gut, dass man durchaus weiß, wie das eigene Franchise funktioniert.
Mit Resident Evil 2 und darauffolgend Resident Evil 3 lud Capcom damals nicht nur auf einen nostalgischen Ausflug in die Vergangenheit ein, sondern ermöglichte ganz neuen Generationen den Zugang zum sympathischen 1998 alten Zombie-Spektakel mit B-Movie-Vibe. Und parallel zur Konkurrenz, die mit Dead Space und Metroid Prime den Massenmarkt und gleichsam Kritikerstimmen in Wallung versetzen, schlug Capcom 2023 nun ein weiteres Mal zu: Resident Evil 4 ist seit dem 24. März 2023 zurück und man sahnt erwartungskonform internationale Höchstwertungen für ein wirklich hervorragendes Spiel ab, das… nunja, vorher auch schon irgendwie hervorragend war. Ein Spielrecycling, das dank seiner vielzähligen Neuauflagen innerhalb der vergangenen Konsolengenerationen noch eine beachtliche Spielbarkeit genoss, was die Frage nach der Rechtfertigung für die ‘neue Neuauflage’ schon fast obligatorisch wirken lassen könnte. Und falls man sich jetzt doch erdreisten möchte die Vorwurfskeule von Profitgier und Bequemlichkeit auszupacken, lasst mich gerne anhand der zahlreichen Anpassungen erläutern, warum das aktuelle Remake zum Horror-Hit Resident Evil 4 von mehr getragen wird als nur von einer emotionalen Daseinsberechtigung.
Grafische Überarbeitung, eine direktere Steuerung, elegantere Umgebungsstrukturen – natürlich kommt auch Resident Evil 4 nicht ohne die obligatorischen Anpassungen eines Remakes aus. Neue Dialogzeilen und eine schlüssige Ausarbeitung der bekannten Charaktere tun dabei ihr Übriges, um eine moderne Dynamik ins Spiel zu integrieren, die wiederum eine gewisse Ganzheitlichkeit innerhalb der Neuauflage konstruiert. Spielerisch hat Capcom vorrangig am Pacing geschraubt, da wo wir früher viel umsichtiger durch die spanischen Wälder gestreift sind, zeigt sich das Remake nun deutlich actionreichen und gehetzter: mehr Gegner, mehr Herausforderungen inklusive eines hohen Maßes an Abwechslung. Das vor allem initial schnelllebiges Spielkonstrukt unterstreicht gekonnt den USP des 2005 erschienen Trash-Horror-Titels: kurzweilige, intensive Actionpassagen, die sich genretypisch dennoch niemals in einer Reizüberflutung verlieren und diskrepanter Weise den Spieler immer wieder zu einem bedachteren Vorgehen motivieren können. Es wirkt fast so, als wenn Capcom bewusst Abstand von dem beklemmenden Pacing der direkten Vorgänger genommen hat, um Resident Evil 4 für seinen vermeintlich finalen Auftritt viel eher eine vollkommen eigene Bühne zu widmen.
Um das neuen Spieltempo auch mit einem spielerischen Fundament zu untermauern, hält eine vereinfachte Parry-Mechanik samt zerstörbarer Nahkampfwaffen Einzug in die Neuauflage. Während erstere Protagonist Leon eine unverhältnismäßig hohe Widerstandsfähigkeit gegen einen Großteil der gegnerischen Angriffe gewährt, versucht Capcom mit dem Verschleiß der Klingen immerhin ein geringfügiges Gegengewicht aufzubauen. Ein Konzept, das augenscheinlich also zwar in seiner Balance erheblich schwächelt, den Spieler aber in eine gewisse Sicherheit zu wiegen vermag, was folglich oft in einer deutlich offensiveren Kampfeshaltung resultieren wird. Und hier schließt sich erneut der Kreis um Capcoms actionlastigere Ausrichtung der Survival-Horror-Neuauflage.
Auch Schützling Ashley bleibt im Rahmen von Capcoms Umstrukturierung nicht verschont. Anstatt aufgrund der vulnerable Präsidententochter viel zu oft den unliebsamen Todesbildschirm ausgespielt zu bekommen, nimmt der japanische Entwickler nun Abstand von dem balkenförmigen “Überlebenscountdown”, der ihren Lebenswillen visualisiert, und stattet gleichsam die Jugendlichen mit zusätzlichen Aktionen aus. Erstere sorgte damals vor allem für starke Restriktionen innerhalb der gewollt actionreicheren Auseinandersetzungen, die den Fokus aus Angst vor dem frühen Ableben von Ashley deutlich vom eigentlichen Spielgeschehen ablenkten, zum NPC shifteten und dadurch den Spieler in eine eher passivere Kampfhaltung zwangen. Gleiches gilt für die inflationäre Verwendung der Quick-Time-Events: Resident Evil 4 setzte ursprünglich verstärkt auf das systematische “Knöpfe-Drücken”, um auch abseits der aktiven Gameplay-Abschnitte einen gewissen Adrenalinspiegel beim Spieler aufrechtzuerhalten – (nichtsahnend) dass man mit den damaligen Genre-Gepflogenheiten und dem daraus resultierende narrativ partiell die eigentliche liebevoll-trashige Storygrundlage untergräbt, ist dabei aber nur das geringe Übel. Viel mehr nahm der japanische Konzern dieses „Spielelement“ zum Anlass ausschweifende Kampfpassagen in langatmiges „rumgeklicke“ zu konvertieren, was letztlich für mehr Frustration sorgte als es die eigentliche Zielsetzung des Spiels unterstützte. Nachvollziehbar also, dass Capcom die QTE’s entfernte und unter anderem den Krauser-Kampf von Grund auf restaurierte.
Was letztendlich blieb, war zwar in seiner Gesamtheit ein wirklich herausragendes Videospiel, das aber deutlich in seiner Stringenz und Ganzheitlichkeit zu schwächeln drohte. Capcom verlor sich damals viel zu oft auf dem Weg, die actionlastigere Ausrichtung des eigenen Franchise zu definieren und damit vor allem auch in dem Genre-Usus seiner Zeit. Unsicherheit und Mutlosigkeit verhinderten damals zwar nicht das Resident Evil 4 zu einem internationalen Meisterwerk wurde, diese marginalen Ausbrüche aus dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept sorgten aber dafür, dass man das auch in den vergangenen Jahren nicht ohne Nostalgiebonus bleiben respektive rechtfertigen konnte. Vermeintliche Belanglosigkeiten, die Capcom mit dem Remake nun zu korrigieren vermochte, um das Spiel zu erschaffen, was man wahrscheinlich immer erschaffen wollte. Eine Rechtfertigung, die man einem Unternehmen auch abseits seiner notwendigen (!) “Profitgier” zugestehen darf und letztendlich ist das ja auch das, was Unternehmen eigentlich tun müssen: Umsatz generieren. Und am besten dann doch mit Produkten, die wir alle gleichermaßen lieben, oder?