Es kann ja nur noch besser werden, oder? Zumindest dachte man sich das nach den Massenentlassungen in der Videospielbranche im vergangenen Jahr. Doch 2024 knüpft in dem Punkt leider nahtlos an das an, wovor wir uns bereits etwas gefürchtet haben. Mittlerweile durchzieht sich das große „Gewinne zurecht rücken“ durch sämtliche Unternehmen. Ob Microsoft, Unity, Thunderful, Pixelberry, Riot Games, Embracer Group, Eidos, SEGA oder nun auch Sony. Schon jetzt sind wir fast bei den Zahlen angelangt, die 2023 aufs ganze Jahr gesehen hervorgebracht hat. Es war also nur ein Vorbote auf das was da kommen sollte. Doch was bedeutet das? Woher kommt der Kündigungswahn? Steht die Videospielindustrie vor einem Crash?
Zu schnell gewachsen
Es ist der 27. Februar 2024. Sony Interactive Entertainment entlässt ca. 900 Mitarbeitende. Eine Schocknachricht, die inmitten der vielen anderen Entlassungen aber schon leider zur Normalität gehört. Bereits Wochen zuvor schockten Massenentlassungen bei Microsoft, Riot Games, Unity und vielen anderen. Das Ziel: Kosteneinsparung. Aber wieso ist dies ein so breites Problem in der Branche? Hier kommen viele Faktoren zusammen. Zum einen spielt Corona eine nicht unwesentliche Rolle. Während der Pandemie erlebte die Gaming-Branche ein Wachstum, welches über sämtliche Wirtschaftszweige seinesgleichen suchte. Klar, die Leute waren zu Hause und Gaming ist ein enorm zugängliches Medium. Enorme Verkaufszahlen und riesige Profite waren die Folge, auch wenn viele Entwicklungen verschoben werden mussten. Doch die Branche insgesamt erlebte ein beispielloses Wachstum. In 2023 verlagerte sich das Leben aber wieder mehr nach draußen. Die Menschen wollten raus. Konzerte, Messen, Touristik, Festivals. Sie alle erlebten einen Boom. Darunter litt die Gaming-Branche natürlich, doch im Prinzip stabilisierte sich der Markt nur. Dem zu großen Wachstum in kurzer Zeit, steht nun eine Normalisierung gegenüber. Viele Unternehmen stellten sich auf das große Wachstum als dauerhaften Zustand ein. Doch entgegen der kapitalistischen Grundsätze gilt eher: Wachstum ist nicht ewig.
Hire & Fire
Der weitaus größte Anteil an Kündigungen findet sich in den USA. Kein Wunder. Die Arbeitnehmerrechte sind hier so gering, wie kaum irgendwo in europäischen Gefilden. Hire & Fire. Genau das lebt auch die Gaming-Branche mittlerweile vor und wenn man in guten Zeiten mal viele Leute braucht, kann man genauso viele ganz einfach wieder vor die Tür setzen. Konsequenzen? Nahezu keine. Aber Firmen wie Microsoft oder Sony würden doch finanziell locker gut überleben können? Ja, aber es führt zum nächsten Problem. Man will sich ja schick machen für die Aktionäre. Der Mythos vom ewigen Wachstum muss erhalten werden. Gewinne, Gewinne, Gewinne. Immer neue Rekorde müssen vermeldet werden, um am Aktienmarkt eine gute Performance hinlegen zu können. Alles für die Aktionäre. Menschen vor die Tür setzen ist ein sehr leichtes Instrument in den USA. Es geht schnell, spart viel Geld und kann selbst bei mäßigen Umsätzen den Eindruck erzeugen, dass alles in bester Ordnung ist. Die langfristige Sicht ist schon sekundär.
Kein Platz für Kultur
Sehr deutlich zeigen das die jüngsten Entwicklungen bei Sony und Microsoft. Sony Interactive Entertainment untersteht nun ab April einem neuen Interim-CEO. Der erwähnte jüngst, dass sein Ziel die Optimierung der Margen sei. Dazu wolle man beispielsweise Software vermehrt auch auf den PC bringen, da die Margen hier vielversprechend seien. Auch Live-Service-Games stehen hoch im Kurs. Games als Wirtschaftsinstrument. Durchgeplant als Mittel zum Zweck, um möglichst schöne Zahlen zu produzieren. Phil Spencer verdeutlichte jüngst ebenfalls, dass man sich eben in der Situation befinde, ständig Wachstum zu generieren und auch immer daran gemessen werde zu wachsen. Projekte wie Pentiment finden daher den Weg auf andere Systeme, weil sie alles andere als gewinnbringend sind. Auch wenn der Wert als Kunstwerk sicherlich in so einem Fall unermesslich ist, solche Produkte werden wir aus den großen Häusern wahrscheinlich seltenst oder gar nicht sehen. Die Spiele sind auf Profit ausgerichtet, nicht auf Spaß, Abwechslung und tolle spielerische Mechanismen. Viele verrennen sich darin, große Geldmaschinen zu entwickeln. Suicide Squad, Skull & Bones, Babylon’s Fall sind da Beispiele aus jüngerer Vergangenheit, die den Anforderungen nicht gerecht werden, weil standardisierte Mechanismen der Innovation untergeordnet werden.
Spiele im XXL-Format
Zudem werden Spiele immer teurer und dauern länger in der Entwicklung. Mehrere Hundert Millionen Dollar? Keine Seltenheit mehr, ebenso wenig wie Entwicklungszeiten von vier, fünf oder sechs Jahren. Natürlich muss das Geld auch erstmal eingespielt werden. Manchen gelingt es, manche scheitern kläglich. Das Resultat sehen wir bereits. Die Flut an Remaster und Remakes ist mittlerweile erdrückend. Das Spiel mit der Nostalgie und geringeren Entwicklungskosten, als auch geringeren Risiken, funktioniert. Wer möchte schon in solchen Zeiten etwas wagen. Auf sichere Weise sehr viel Geld verdienen ist das Ziel. Die Folge: Weitere Neuauflagen, Live-Service Games, Ports und Aufwärmkost. Wohin entwickelt sich aber die Kostenspirale?
Was passiert mit dem Indie-Markt? Was bedeuten die Konsolidierungen der ganzen Studios und Firmen? Möglicherweise stehen wir vor einem Crash der Branche, so wie vor vielen Jahrzehnten bereits. Falls ja, wäre es aber ein anderes Ausmaß. Zum einen ist Gaming ein mittlerweile viel größerer Markt, andererseits sind die Strukturen in der Branche jedoch komplett anders. Ein Vergleich mit den 80ern ist also eigentlich nicht zielführend. Zwar glaube ich nicht an einen Crash der Branche, dafür aber an eine noch etwas weiter anhaltende Krise. Zudem steht die Branche vor einem Scheideweg. Bigger = Better? Oder besinnen wir uns wieder auf Qualität? Kommen von irren Monetarisierungsmodellen los? Oder wird es gar schlimmer? Selten war die Zukunft so nebelig.