Was läuft falsch bei den Game Awards?

Einmal mehr rücken die Game Awards näher und werden zum Gesprächsthema Nr. 1 in der Branche. Die von Geoff Keighley ins Leben gerufene Veranstaltung lockt weltweit Tausende vor den Bildschirm, um Videospiele zu zelebrieren und die besten Games und Leute auszuzeichnen. Zumindest auf dem Blatt Papier. Denn den Spielen des nahezu ausgeklungenen Jahres wird man kaum gerecht und spielen mittlerweile schon eine untergeordnete Rolle. Nicht nur das, denn auch die Nominierungen selbst hinterlassen Fragezeichen. Was läuft falsch bei den Game Awards?

Der falsche Fokus

In der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember heißt es in Deutschland: Lange wach bleiben. Denn die Game Awards werden zu einer eher ungünstigen Zeit – aus Deutscher Sicht – ausgestrahlt. Doch seid ihr nicht auch darauf gespannt, welche Spieleankündigungen präsentiert werden? Ja, oder? Und da sind wir bereits beim Kernproblem der Veranstaltung. Eine Show, die eigentlich dazu ins Leben gerufen wurde, um die erschienen Games in den Fokus zu rücken, das Jahr Revue passieren lassen und besonders erfolgreiche und gute Spiele in den Spotlight zu stellen. Doch wie sieht die Realität aus? Viele Nominierungen und Gewinner werden oft nur schnell abgelesen und ohne zeremonielles Zutun im Eilverfahren genannt. Meist sind dies vermeintlich “weniger spannende” Kategorien. Sieht so die Zelebrierung der Videospiele aus? Vorlesen, kurz “Glückwunsch” sagen und direkt weiter machen? Weil es “nur” um das beste Audio Design geht? Oder “nur” um den besten Art Style? “Nur” um das beste Sport Game? Es sind schon quasi Lückenfüller, der Vollständigkeit halber. Eine würdige Zelebrierung sieht allerdings anders aus. 

Juckt nicht

Denn wirkliches Interesse gibt es nur für wenige Kategorien. Das Einzige, worüber wirklich intensiv diskutiert wird, ist das GOTY, das Game of the Year. Klar, ist auch emotionales Thema. Doch der Rest wird von anderen Ereignissen überschattet. Große öffentliche Diskussionen, welches Spiel das Game mit dem größten “Impact” ist oder welches das beste Art Design hat, finden im Nachgang ja gar nicht statt. Stattdessen wird über die Ankündigungen gesprochen. Diese haben einen großen Teil der Show eingenommen. So sehr, dass es bereits im letzten Jahr über 40 Trailer zu kommenden Spielen, inkl. Filmen waren. Längst sind die Game Awards zur Marketing Maschinerie geworden, in der Publisher um Trailer-Slots buhlen. Werden so erschienene Spiele gerecht zelebriert? 2019 geht das Ganze so weit, dass Microsoft sogar deren neue Konsole, die Xbox Series X, auf den Game Awards ankündigte und zusammen mit Hellblade 2 zeigte. Natürlich ziehen solche Ankündigungen jegliche Aufmerksamkeit auf sich und stellen sämtliche vergangene Spiele an diesem Abend in den Schatten.

Fragliche Nominierungen

Neben der Sinnhaftigkeit dieses Announcement-Hypes, gibt es jedoch ein viel maßgeblicheres Problem: Die Nominierten. Man kann natürlich in all der subjektiven Wahrnehmung über diese streiten. Ob nun Deathloop ein besseres Art Design als Psychonauts 2 oder Kena: Bridge of Spirits etwa hat. Aber dieses Jahr birgt einige Nominierungen, welche mehr als fraglich sind. Angefangen bei Destiny 2 für den besten Community-Support. Unter normalen Umständen sicherlich verdient, jedoch wurde vor Kurzem ca. 100 Mitarbeitende gekündigt. Darunter ein großer Teil aus dem Support-Team, als auch der Community-Support-Manager. Bungie könnte nun also einen Award bekommen, dessen Leute dahinter im großen Stil entlassen wurden. Der Award geht somit nicht einmal an die, die dafür gearbeitet haben. Sowas verdient keinen Preis. Anderes Beispiel: Dave the Diver. Das Spiel wurde für die Kategorie “Best Indie Game” nominiert. Das Problem: Es ist gar kein Indie Game. Das Studio dahinter, Mintrocket, gehört nämlich zu Nexon. Nexon ist der größte Gaming-Publisher in Südkorea und machte zuletzt 700 Millionen Euro Umsatz. Sogar Nexon selbst bekundete, dass man Dave the Diver nicht als Indie-Titel ansehe. Indie steht für indipendent. Mit dem größten südkoreanischen Publisher im Nacken kann man das Spiel, welches zweifelsohne großartig ist, nicht als Indie-Titel ansehen. 

Bewusst oder schluderig?

Doch der größte Skandal ist noch ein anderer. Nominiert wurde als beste eSports-Coach nämlich Rémy „XTQZZZ“ Quoniam, französischer Coach für Counter-Strike. Warum ist das ein Problem? Er selbst meldete sich nach der Nominierung und forderte: “Streicht mich von der Liste!”. Denn der Coach war 2023 die meiste Zeit überhaupt nicht als Coach aktiv. Wie kann es sein, dass er trotzdem nominiert wurde? Immerhin beteuerte Geoff Keighley, dass ca. 120 Media Outlets an den Nominierungen gearbeitet haben. Bei näherer Betrachtung muss man sich aber fragen, wie solche Ergebnisse dann zustande kommen können. Wir sprechen bei diesen Beispielen nicht mehr groß über Subjektivität, denn es muss verbindliche Kriterien geben, nach denen eine Nominierung überhaupt passieren darf.

Als i-Tüpfelchen kommt außerdem hinzu, dass alle Spiele, die nach der Bekanntgabe der Nominierten erscheinen, nicht mehr berücksichtigt werden können. Wieso darf ein Spiel aber, welches Mitte November erscheint, nicht mehr berücksichtigt werden? Richtig, weil die Show unbedingt noch vor Weihnachten stattfinden muss. Denn die Game Awards sind in erster Linie ein Marketing-Event, welches das Weihnachtsgeschäft natürlich mitnehmen möchte. Ein Event im Januar wäre ehrlicher und fairer, aber dazu wird es sicherlich nie kommen. Ob es überhaupt zu einem Umdenken bei den Veranstalter*innen gibt, bleibt abzuwarten. Denn Märchen-Nominierungen gehören nicht auf eine der wichtigsten Gaming-Veranstaltungen der Welt. 

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