Wie schwer darf ein Videospiel sein? Die Frage ist nicht neu. Hollow Knight: Silksong hat sie jedoch wieder prominent in den öffentlichen Diskurs gebracht: Wie schwer darf ein Videospiel sein? “Na, so schwer, wie es eben sein will!”, wird der ein oder andere empört und auf den Tisch hauend rufen. Doch die Frage geht ein bisschen weiter: Denn ein hoher Schwierigkeitsgrad ist nicht gleich ein hoher Schwierigkeitsgrad. Wie entsteht der überhaupt? Schließt der dann automatisch andere aus, an einem Spiel teilhaben zu können? Was macht es in der öffentlichen Debatte, wenn ein Spiel schwer ist? Dröseln wir das Ganze mal auf. Es ist doch ein bisschen komplexer.
Wie entsteht ein hoher Schwierigkeitsgrad?
Allein hier gibt es so viel zu beleuchten. Schwieriger kann ein Spiel einfach sein, indem das Spiel exakt gleich ist, im Vergleich zu niedrigeren Schwierigkeitsgraden, nur eben die Gegner mehr Schaden einstecken bzw. mehr Schaden verursachen. Eine sehr einfache und spektakuläre Option, die aber schnell Wirkung zeigt. Manchmal wird aber noch eins drauf gesetzt und auch das KI-Verhalten wird angepasst. Etwa, wenn Feinde auch mal in Deckung gehen, sich untereinander heilen oder flankieren. Und da kommt auch mal etwas Würze rein, weil das „schwieriger sein“ sich nicht nur darauf bezieht, einfach weniger von Gegnern getroffen zu werden, sondern auch darin, komplexere Situationen zu verstehen und entsprechend zu handeln.
Darüber hinaus gibt es noch eine sehr beliebte Methode. Nämlich das „Reduzieren von Hilfsmechanismen“. Weniger Heiltränke, weniger Ausdauer, weniger Blocks möglich. Hauptsache irgendwas weniger, was hilft. Ja, es macht das Spiel schwieriger. Aber auch läuft es wieder auf Punkt 1 hinaus: Hauptsache weniger getroffen werden. Ja, okay, aber langweilig. Spannender ist ein Element aus Silent Hill. Mit jedem Schwierigkeitsgrad passen sich auch die Rätsel an. Bzw. idealerweise ist es so, dass man ein komplexes Rätsel hat und dieses bei niedrigeren Schwierigkeitsgraden vereinfacht. Aber so kann eine sehr individuelle Spielerfahrung gelingen. Damit sind wir aber auch beim zweiten Punkt.

Ab wann ist ein Spiel für jemanden schwer?
Kurze Antwort: Depends. Jeder Mensch hat unterschiedliche Fähigkeiten und Skills. Fähigkeiten kann man ausbauen, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Doch dieser Punkt ist immer unterschiedlich. Während die einen also unfassbar gut darin sind, komplexe Wirtschafts- und Ressourcenkreisläufe zu verstehen, ist eine andere Person sehr gut in schneller Auffassungsgabe und kommt mit schnellen Platformern gut zurecht. Eine andere Ausprägung davon kann vielleicht aber auch dafür sorgen, dass man in Shootern einfach das gewisse Etwas hat. Und so weiter.
Während ein Elden Ring für manche eine unlösbare Aufgabe ist, fühlen sich manche wiederum gut herausgefordert und nochmals sind andere wieder sehr unterfordert. Es ist immer eine individuelle Frage, die man natürlich über gewisse Durchschnitte gesehen auch in Teilen verallgemeinern kann. Aber das bedeutet auch, dass Schwierigkeitsgrade gewisse Leute ausschließen. Einfach, weil die eigenen Fähigkeiten für jenes Spiel ans Limit kommen, aber dafür in einem anderen Bereich stärker ausgeprägt sind. Es kann sich auch um die Fähigkeit „Geduld“ handeln. Nicht alle wollen sich die Zähne ausbeißen und sich Lernkurven widmen. Sei es aus einer Charaktereigenschaft heraus, oder aufgrund äußerer Umstände, wie Stress, Frust, Unwohlsein. Und dass Frust nicht toll ist, haben wir auch schon in einem anderen Artikel zu Silksong aufgearbeitet.

Der elitäre Toxic-Gamer
„Werd halt besser”, „Noob”, „Ich kann auch nichts dafür, dass du so schlecht bist”, „Du musstest das abbrechen? Come on, das war doch wirklich einfach”. In der Debatte stößt man unweigerlich auf solche Aussagen im Netz. Und sie kommen von Leuten, die in einem gewissen Game sehr gut sind und von oben herab blicken auf jene, die darin nicht so gut sind. Da schwingt etwas mit, um sich von anderen abzuheben, sich besser zu fühlen, sich selbst zu bestätigen. Ein „wir gegen die”, ein „ich bin besser als du”. Aber nicht als Bestandsaufnahme, sondern um sich über andere zu belustigen. Um etwas zu kompensieren? Möglicherweise.
Aber ein hoher Schwierigkeitsgrad bringt leider häufig solche Kommentare hervor. Man muss nur differenzieren. Häufiger treten sie auf, wenn es nur einen Schwierigkeitsgrad gibt. Weil alle die gleichen Bedingungen vor sich haben und man sich ja noch besser über andere stellen kann. Gibt es mehrere Schwierigkeitsgrade, wird sich natürlich immer noch damit gerühmt, dass man es ja auf „schwer“ geschafft habe. Aber nicht damit, das Spiel überhaupt gespielt zu haben. Es ist zumindest eine Abflachung. Aber merken wir uns den Punkt mal.

„just get good”
Gehen wir nochmal auf die Fähigkeiten ein. Denn häufig kommt die Forderung, dass man das Spiel halt mastern soll, dass man Passagen trainiert und mit Gameplay-Mechaniken noch besser umgehen können sollte. Da steckt etwas hinter, was man tatsächlich wieder zurück erlernen muss, mit mehreren „aber“. Denn ich merke an mir selbst, dass ich selbst schon an der einen oder anderen Stelle zu früh kapituliert habe. Wenn ich mich dann doch aufgerafft habe, mich dem zu stellen, klappte es dann doch irgendwann und hat mich happy und stolz gemacht. Das war in meinen jüngeren Jahren noch ein bisschen häufiger so, weil man nur sehr wenige Spiele hatte und Spiele oft sehr knackig waren. Aber es hat mich auch gelehrt, mir so manche Passagen genauer anzuschauen und mich mehr damit zu beschäftigen, um es am Ende doch zu schaffen. Und sicher ist es an der einen oder anderen Stelle auch ein guter Reminder, sich mehr auf Herausforderungen einzulassen, bei denen man sich ganz schön strecken muss. Weil, wie ich an mir selbst merke, wir oft mehr erreichen können, als wir uns im ersten Moment einreden.
Aber: Es ist auch kein allgemeines Rezept. Manchmal kommt man einfach an eine Grenze und dann schlägt es in Frust über. Und Frust macht unglücklich. Anhaltender Frust ist sicherlich nicht das, was man aus Videospielen mitnehmen sollte. Zudem wollen wir auch oft überhaupt nicht viel Zeit mit Lernkurven verbringen. Es braucht Zeit, Geduld und es hindert auch mal, nach einem stressigen Tag abzuschalten, weil das Spiel selbst stresst. Für all jene funktioniert das Argument somit überhaupt nicht.

Die Lösung
Mehrere Schwierigkeitsgrade: Juhu, es ist so einfach. Wir haben ja über die verschiedenen Typen und Arten von Schwierigkeitsgraden gesprochen. Wenn es clever gemacht ist, können wir alle an einem Spiel teilhaben lassen, ohne dass irgendjemand eine schlechtere Erfahrung hat. Jeder kann eine eigene Erfahrung haben, um ein Spiel auf eine individuelle Art und Weise zu genießen. Denn die eigene Grenze ist dann anpassbar und wenn man keine Lust auf Anstrengung hat, dann geht man eben relativ easy durch Sekiro durch. Dadurch wird deine persönliche Erfahrung nicht schlechter. Oder merkst du gerade, dass es dich stört, wenn jemand easy durch Sekiro durchkommt, weil man es auf leicht spielt?
Immer wieder stößt man auf Debatten, in denen sich Menschen dagegen wehren, dass schwierige Spiele leichtere Modi bekommen sollen. Aber es betrifft deine eigene Spielerfahrung nicht. Man kann das Spiel genauso spielen, wie es für dich persönlich passt. Also scheint es ja nicht darum zu gehen, dass andere Schwierigkeitsgrade das Spiel „kaputt machen“ würden. Es geht um Prestige. Es ist ein angekratztes Ego. Plötzlich können Menschen ein Spiel ebenfalls spielen, ggf. auch durchspielen, die es vorher nicht konnten. Und das ist etwas, was man sich, so glaube ich, abgewöhnen sollte. Du kannst stolz auf einen Run in einem Spiel sein, ohne dich gegenüber anderen damit zu profilieren. Es ist quasi die Zerschlagung einer elitären „ich bin der Geilste”-Runde. Deswegen sind verschiedene Schwierigkeitsgrade, sofern gut gemacht, ein ideales Mittel, um ein Spiel allen zugänglich zu machen.

„Ja, aber vorhin fandest du es gut, wenn man auch mal öfter Passagen probiert und versucht über sich hinauszuwachsen”. Das eine schließt das andere nicht aus. Mit dem Spielfortschritt kann auch ein langsamer Anstieg des Schwierigkeitsgrads erfolgen, der aber eben angepasster ist. So lernt man mit der Zeit dazu, steigert sich auch selbst, ohne aber gefrustet ausgeklammert zu werden. Und wer weiß, vielleicht gibt es zukünftig sogar gute Systeme dahinter, die Potenziale erkennen und den Schwierigkeitsgrad dynamisch im gesamten Spiel anpassen, sodass jeder Mensch seinen eigenen Schwierigkeitsgrad hat? Naja, das ist, glaube ich, schon wieder ein Thema für sich, mit viel Für und Wider. Daher auch, wieder mit Bezug auf Team Cherry und Silksong: Operiert lieber weniger mit Patches an dem einen Schwierigkeitsgrad herum, sondern macht einfach mehrere. Für die einen mit dem unverfälschten Schwierigkeitsgrad, für andere mit Anpassungen nach unten und möglicherweise noch einen weiteren leichten Modus. Es hat für niemanden Nachteile.
Artikelbilder: © From Software/ Team Cherry/ Bethesda Gaming Studios/ Studio MDHR/ Blizzard