Zwischen Hype und Plagiatsvorwürfen – Palworld in der Bestandsaufnahme

Palworld macht derzeit von sich reden. Das Survival-Game wurde lange als “Pokémon with Guns” betitelt. Beim Spielen fällt auf: Es ist weit mehr als das. Auch deswegen spielen Millionen Menschen gerade mit den Pals, bauen Industrieanlagen, craften, schaffen Automatismen und schalten neue Technologien frei. Klingt wenig nach Pokémon und doch ist die Debatte um Ähnlichkeiten so groß wie nie. Denn sehr offensichtlich bedient sich Pocketpair Inc. nicht nur gewisser Inspiration, sondern hat sich manche Assets mehr oder weniger direkt „ausgeliehen”. Es steht der Verdacht des Plagiats durch die Nutzung von AI im Raum. Herbeigeredet? Berechtigt? Konsequenzlos? Ich versuche einzuordnen, worum es in der Diskussion geht.

Was ist Palworld eigentlich?

“Pal was?”. Das Spielprinzip von Palworld ist tatsächlich gar nicht so einfach herunterzubrechen. Man kann umherlaufende Monster fangen, andere wiederum bekämpfen. So weit, so Pokémon. Allerdings kann man auch die Fähigkeiten der Wesen nutzen, um Ressourcen abzubauen, zu transportieren, Nahrung zu produzieren, zu bauen oder zu verarbeiten. Dadurch lassen sich ganze Landwirtschaftsanlagen hochziehen, in denen die Pals arbeiten. Ein Survival-Pokémon mit Lebenssimulation, Strategieelementen und Waffen. Oder so ähnlich. Die anfängliche Fülle an Möglichkeiten hat mich leicht überfordert, doch nach ca. 20-30 Minuten entwickelte sich die Anspielsession zu einem Loop aus Aktivitäten und Abhängigkeiten, die mich zudem clever motivieren.

Gotta catch ‚em all?

Kurzum: Palworld machte mir nach anfänglicher Skepsis richtig Spaß. Doch schon sehr schnell erblickte ich manche…Merkwürdigkeit. Der Startbildschirm zeigt mir auf der rechten Seite ein Pflanzen-Donphan, welches zu offensichtlich abgekupfert aussieht. Auch die ersten Schritte im Spiel wurden von einer Einblendung verziert, die stark dem Breath of the Wild UI/UX-Design ähnelte. Aber die Vorwürfe gehen aktuell weit über erste Eindrücke meinerseits hinaus. Wie also jetzt damit umgehen, dass das Team dahinter möglicherweise Designs der originalen Pokémon geklaut hat? Schauen wir uns vielleicht erst einmal an, wer hinter dem Spiel steckt. 

Wer steckt hinter dem Projekt?

Pocketpair Inc. ,mit Sitz in Japan, wird angeführt von CEO Takuro Mizobe. Der hat auch eine kleine Nintendo-Vergangenheit. Denn zwischen 2010 und 2012 nahm er am Nintendo Game Seminar teil und entwickelte dort DS-Spiele. Diese Eventreihe brachte viele kleinere Titel hervor, die dann bei DS Download Play heruntergeladen und gespielt werden konnten. Nach einem Ausflug, u.a. bei JP Morgan, brachte er bei ResuPress das erste eigene Spiel raus, wechselte dann nach zwei Jahren aber die Branche. Er war Mitgründer von Coincheck, einem japanischen Bitcoin Wallet Plattform, auf der man auch Bitcoin kaufen und verkaufen kann. Nach nur einem Jahr war Schluss und er gründete Pocketpair Inc. Der etwas untypische Lebenslauf enthält bei näherer Betrachtung noch eine weitere Begeisterung: Künstliche Intelligenz.

Auf Twitter betonte Mizobe immer wieder die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, insbesondere in Bezug auf die Spieleentwicklung. Nein, nicht nur das. Mit AI: Art Imposter gibt es von Pocketpair ein ganzes Spiel, welches sich um die Erstellung von Kunstwerken durch AI dreht. Der Titel ist derzeit im Early Access. Wie auch Palworld. Wie auch Craftopia. Drei, der insgesamt vier Spiele des Studios, sind aktuell im EA-Programm. Craftopia duselt dabei schon fast dreieinhalb Jahre als Early-Access-Game umher. Wie machen die das denn bitte? Laut LinkedIn beläuft sich die Zahl der Mitarbeitenden auf 11-50 Leute. Eine große Spannbreite. Doch genaue Angaben lassen sich nicht finden. Dass sich die Zahl der Mitarbeiter*innen, auf das einzelne Spiel heruntergebrochen, aber in Grenzen hält, wirkt schon fast logisch. Oder gab es Hilfe? 

Mizobe feiert nicht nur künstliche Intelligenz, er denkt auch über das Aushebeln von Copyrights mittels AI nach.

Mizobe zeichnet sich also als absoluter Fan von Künstlicher Intelligenz aus. Aber der Vorwurf, der aktuell erhoben wird, wiegt schwer. Schauen wir uns diesen mal genauer an. Dass sich Pocketpair an vielen Spielen orientiert hat, ist kein Geheimnis. Mizobe selbst betonte, dass ARK oder Rust ein Quell der Inspiration für Palworld waren. Auch der Art Style erinnert an vielen Stellen an Breath of the Wild. Inspiration, mehr oder minder direkt, ist aber gängig und auch nicht automatisch verwerflich. Allerdings geht es in dem Fall um weit mehr als das. Denn wenn man sich so manche Designs der Pals anschaut, stolpert man über Designelemente, die nicht nur ähnlich zu Pokémon aussehen, sondern 1:1 übernommen wurden. Teilweise begegnet man auch Monstern, die eine wilde Mixtur mehrerer Pokémon sind. Weiter verwundern Beiträge von Mizobe, in denen er referiert, wie AI helfen kann Copyrights zu umgehen. Ein moralisch fragwürdiger Gedanke. Aber fand das Ganze in Palworld sogar schon Anwendung? Ein Blick auf konkrete Beispiele verdeutlicht das Ganze. 

Strg C + Strg V

Das Wesen Dumud beispielsweise ist ein Fischwesen. Eines, welches gleich zwei Merkmale besitzt, die man aus dem Pokémon-Universum kennt. Zum einen wäre da das Gesicht. Dieses ähnelt in Teilen dem von Flegmon. Seien es die Gesichtszüge, die Zähne oder die Augen. Die Ähnlichkeit ist zumindest da. Wenig streitbar ist allerdings das Thema der Rückenflosse. Denn diese ist 1:1 die von Memmeon. Gleiche Form, gleiche Farbe, gleicher Stil. Das kann kaum ein Zufall sein.

Nächstes Exempel. Das Galar-Mauzi findet sich quasi in dem Pal “Grintal” wieder. Die Augen und die Zähne sind quasi exakt identisch. Gleiche Größe, gleiche Form, gleiche Farbe. Es sind einige, wenn auch wenige Beispiele, in denen Assets scheinbar 1:1 übernommen wurden, die allerdings auch nicht besonders einzigartig oder aufwändig sind. Zumindest aber gibt es viel Hinzunahme von “Inspiration”. 

Auf Resetera postete der member “stormfire” ein Bild mit einer compilation von Vergleichen. Dort sehen wir zahlreiche Monster, die mehr als nur inspiriert wirken. Wir sehen teils den gleichen Körperbau, die exakt gleiche Farbpalette oder das gleiche Gesicht, wie im Fall eines Pals, welches das nahezu unverändert das Gesicht vom Pokémon “Meganie” erhalten hat. Oder schnell begegnet man in Palworld einem Donphan im Pflanzen-Stil. Nein, Pokémon hält kein Patent auf Monster im Anime-Stil. Aber Palworld verwendet nicht nur sehr ähnliche Designs und gleiche Farben in vielen Bespielen, sondern nutzt auch gleiche oder ähnliche Assets. Jetzt gibt es insgesamt drei Optionen, warum das so sein könnte.  

Das Vorbild lässt sich kaum leugnen.

Verschiedene Szenarien sind denkbar

Option 1:  

Es ist die vielleicht unwahrscheinlichste Variante, angesichts der vielen Überschneidungen. Nämlich, dass es sich schlichtweg um einen Zufall handelt. Oder um mehrere. Dass Pokémon auch als Inspirationsquelle galt, lässt sich anhand des Design kaum leugnen. Dass die ein oder andere Gestaltung dann doch sehr abgekupfert aussieht, kann auch Zufall sein, wenngleich die Wahrscheinlichkeit dafür eher gering ist. Einen Zufall mag es geben, vielleicht auch zwei. Aber die Menge an erheblichen Ähnlichkeiten, als auch die Nutzung exakt gleicher Assets, scheint schon beinahe über puren Zufall hinaus zu gehen. 

Option 2: 

Die Inspiration könnte auch ganz bewusst etwas zu tiefgehend genutzt worden sein. Dass im Monster-Design eine Person saß, die Pokémon Fan ist und / oder aufgrund der Beliebtheit das Kult-Design aufgreifen wollte, kann auch zu ganz entschiedenem Abkupfern geführt haben. Ob Formen, Farben, Art-Design. Schwierig wird aber die extreme Nähe zu den bekannten Taschen-Monstern in so manchen Fällen. Etwas ungewöhnlich wirkt aber teilweise die Zusammensetzung mehrere Bauteile zu einem Pokémon, die jedoch komplett unterschiedlich sind. Ist man da von selbst draufgekommen? Denn laut Mizobe war lediglich eine einzige Person für das Monster-Design zuständig. Dazu noch eine, welche bei allen anderen Firmen abgelehnt wurde. Warum dann gerade solche Zusammensetzungen? Warum überhaupt so dreist von Pokémon abschauen? Allein das erweckt den Verdacht des Plagiats, auch wenn manche Kombinationen etwas willkürlich wirken. Es wäre aber wahrscheinlich die auch rechtlich “sichererste” Möglichkeit. Denn Ähnlichkeiten sind ja nicht anfechtbar. 

Eine Kernfrage ist, ob Palworld unter Hinzunahme von künstlicher Intelligenz im Design der Monster entstanden ist.

Option 3: 

Darum streitet man sich wahrscheinlich derzeit am meisten. Möglich wäre der Einsatz von AI. Mizobe’s Liebe und Affinität zu AI spräche dafür. Auch weil das Studio bereits ein Spiel mit kompletten AI-Fokus entwickelt hat. Zudem hatte Mizobe bereits sehr konkrete Tweets in der Vergangenheit veröffentlich, die AI in Bezug auf Pokémon-Designs hervorhebt. Hinzu kommt, dass die Pal-Designs sehr inspiriert wirken, aber zusätzlich fast gleiche Farben nutzen. Dazu mitunter gleiche Assets. Die Vermutung liegt tatsächlich nah. In dem Fall hätte Pocketpair nämlich sämtliche Pokémon in die KI einschleusen müssen, damit die künstliche Intelligenz Pals aufgrund dieser Daten erstellen kann. Das Design eines Pokémon ist jedoch geschützt und darf nicht verwendet werden. Bei AI, sofern ein neues Werk daraus entsteht, ist die Lage international undurchsichtig, auch weil die ganze Thematik noch relativ jung ist.

Die Sache mit Steam

Doch ein Punkt spricht derzeit noch gegen Option 3, wobei…eigentlich sogar zwei. Zum einen ist das Spiel auf Steam erschienen. Dort muss jeder Titel, der unter Hinzunahme einer AI entstanden ist, aber auch genau aufschlüsseln, wo und wie AI im Spiel eine Rolle spielt oder gespielt hat. Wäre Palworld also mit Hilfe von künstlicher Intelligenz entstanden, so hätte man es aufzeigen müssen. Was findet sich aber auf Steam?  

Wenn Pocketpai künstliche Intelligenz genutzt hätte, müsste man darüber gegenüber Steam ausführlich Bericht erstatten.

Nichts. Pocketpair hat keinerlei Angaben gemacht. Sind diese Angaben wahrheitsgemäß, dann hat das Studio auch keine künstliche Intelligenz genutzt und die große AI-Anschuldigung wäre haltlos. Doch wenn Pocketpair bewusst dazu keine Angabe gemacht hat, wäre es ein Skandal. Es wäre eine Bereicherung mittels einer bekannten Marke, deren Designs man sich beraubt hätte, um sie mittels künstlicher Intelligenz neu zu verarbeiten. Aber da sind wir momentan im Raum der Spekulationen. Egal wie, wir befinden uns in einer moralischen Debatte. Selbst ohne die Nutzung von AI wäre das sehr offensichtliche Aufgreifen von Pokémon-Designs zur besseren Vermarktung ein Move, den man zurecht kritisieren könnte. 

Wir wissen noch zu wenig

Da wir aber einfach nicht wissen, welche der genannten Optionen der Wahrheit am Ehesten entspricht, sitzen wir eigentlich im Dunkeln. Wir wissen nicht einmal, ob wir jemals die Wahrheit erfahren werden. Doch wie gehen wir mit dem, was wir wissen, überhaupt um? Boykottieren, Abwarten, die Debatte ignorieren? Letzteres wäre wahrscheinlich fatal, da die grundsätzliche Thematik sehr zukunftsweisend für die Spieleentwicklung sein kann. Gerade mit Palworld sollten wir sehr achtsam umgehen. Wir sollten inmitten einer sachlichen Diskussion auf die Thematik aufmerksam machen, ganz gleich, ob man das Spiel boykottieren möchte, abwartet oder es weiterspielen möchte. Darüber hinaus sollten wir uns jedoch nicht an Hetze beteiligen, auch weil wir noch viel zu wenig Details kennen. Mizobe äußerte sich nämlich via Twitter, dass man mittlerweile Morddrohungen erhalte. Zudem distanziere er sich von den derzeitigen Anschuldigungen, ohne dabei aber konkret die Punkte zu nennen, die alle im Raum stehen.

Ein Fehler wäre es nämlich aktuell zu viel hineinzuinterpretieren. Wir arbeiten derzeit nur auf der Lage von Beobachtungen und Vermutungen. Aufgrund dessen lässt sich aber keine seriöse Bewertung und Entscheidung fällen. Der Fall Palworld wird uns noch länger begleiten. Der Umgang mit dem zweifelsohne tollen Spiel fällt vielleicht schwer. Solange aber noch offizielle Infos fehlen, werde ich mich eher in abwartender Haltung befinden und dennoch die Augen nach weiteren Hinweisen und Infos offenhalten, die uns ein hoffentlich klareres Bild liefern. Bedenken äußern ja, aber mit dem Umherwerfen von zu herbeigeführten Anschuldigungen müssen wir vorsichtig sein und zunächst die Faktenlage der nächsten Tage, Wochen und Monate beobachten. 

The Pokémon Company schaut sich Palworld nun genauer an.

Kaum Mitleid?

Weshalb aktuell aber wenig Kritik seitens der Community einprasselt, dürfte an Nintendo, bzw. GameFreak liegen. Denn “Pokémon” ist zwar die größte Brand überhaupt, doch wird sie eher mit wenig Liebe behandelt, wenn es um Videospiele geht. Mangelnder Mut, katastrophale Technik, Stillstand, Inspirationslosigkeit. Hätten die Pokémon Game keine Pokémon, würde sich auch niemand dafür interessieren. Palworld bedient genau die Sehnsucht nach einer neuen Ausrichtung eines Pokémon Spiels. Auch weil es für das, was es sein will, auch sehr viel richtig macht. Es ist ein Stückchen Genugtuung, vielleicht auch ein wenig “Karma”-Mentalität. Und alle frustrierten Pokémon-Fans haben dieses Gefühl vielleicht auch nicht ganz ungerechtfertigt in sich. Doch so genervt wir davon sind, sollten die Vermutungen wahr sein, würde es nicht ein solches Vorgehen rechtfertigen. Auch die Reaktion von Nintendo bleibt abzuwarten. Werden Schritte eingeleitet? Können Sie es überhaupt? Jedenfalls kündigte The Pokémon Company an, dass man Palworld nun genauer untersuchen werde und ggf. Maßnahmen ergreifen werde. Bis es dazu eine Entscheidung geben wird, dürfte noch viel Wasser durch den Rhein fließen. Aber letztlich bleibt nur ein berühmtes Meme zu zitieren: Schauen wir mal was wird. Was wird. 

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