Zukunftsvisionen in Spielen: Wie stellen sich Spiele unsere Zukunft vor?

Beeindruckende Zukunftsvisionen, spannende Voraussagungen und hochentwickelte Technologien sind Themen, mit denen sich das Medium Videospiel seit jeher beschäftigt. So gut wie jedes Genre hat schon einmal einen Blick in Richtung Zukunft gewagt und uns mit der ein oder anderen kreativen Vorstellung überrascht. Passend zum „Next Level – Festival for Games“, das seine Besucher in diesem Jahr mit auf eine spielerische Reise in die Zukunft nimmt, wollen auch wir noch einmal auf unsere Videospiel-Highlights blicken, die einige herausragende futuristische Welten geschaffen haben.

Sid Meier’s Alpha Centauri (Firaxis Games, 1999)

Unsere kleine Reise beginnt im Jahr 1999, denn schon da skizzierte niemand geringeres als Sid Meier eine spannende Zukunftsvision, die zumindest Jahre später in Teilen wahr werden sollte: In Sid Meier’s Alpha Centauri sieht sich die Menschheit mit einer nur allzu vertrauten Gefahr konfrontiert. Die Menschen haben die Erde mittels Seuchen, Kriege und Hungersnöten zugrunde gerichtet und alles Leben steht kurz vor seiner Ausrottung. Als letzte verzweifelte Maßnahme, wenden sich die wichtigsten Entscheidungsträger der Vereinten Nationen dem Himmel zu und bemannen ein Kolonisierungs-Raumschiff, die Unity. Auf dem erdähnlichen Planet Chiron im Alpha-Centauri-System beginnen die einzelnen Crewmitglieder eine eigene Gesellschaft gemäß ihrer Ideologie aufzubauen und drängen die Menschheit ein weiteres Mal in Richtung Faktionalismus sowie Krieg. Sid Meier’s Alpha Centauri ist ein durchaus komplexer Strategietitel, der sich spielerisch sehr nah am Civilisation-Franchise bewegt. Neben einigen interessanten futuristischen Technologien, Waffen und Transportmitteln, spricht der Titel vor allem ein Thema an, das uns ja bereits seit Jahrzehnten tangiert: Kolonialisierung und Raumfahrt. Sid Meier zeigt auf spielerische Art, welche Herausforderungen die Erschließung von neuem Lebensraum im All mit sich bringen kann. Doch der Spieldesigner hat noch an anderer Stelle ein geschicktes Händchen bewiesen und sogar eine beachtliche Vorhersage getroffen, die sich wenige Jahre später als zutreffend herausstellen sollte: Im Spiel war es Spielern nämlich möglich das menschliche Genom zu kartieren und so diverse Vorteile für die eigene Bevölkerung zu erspielen. Das eigentliche Human-Genome-Projekt wurde allerdings erst einige Jahre später, im Jahr 2003, erfolgreich abgeschlossen. Die Entwickler von Firaxis haben hier nicht nur eine spannende Zukunftsvision geschaffen, sondern auch noch, ohne es zu wissen, eine korrekte Vorhersage getroffen.

Deus Ex (Eidos Interactive, 2000-2003/ Square Enix, 2011)

Keine Top-Liste von Sci-Fi-Games ohne die Erwähnung von Genre-Urgestein Deus Ex. Die Spielereihe erzählt dabei von dystopischen Zukunftsaussichten, in einer Welt in der Maschinen und Androiden bereits zum alltäglichen Leben gehören. Das mittlerweile fünf Spiele umfassende Franchise, thematisiert weit mehr als nur die typischen Cyberpunk-Aspekte wie Kybernetik, Nanotechnologie oder Augmentierungen. Vielmehr zeigt man wie künstliche Intelligenz die Gesellschaft beeinflussen kann und wohin sich die Menschheit infolge dieser neuerlichen Konkurrenz bewegen kann. Lead Writer Sheldon Pacotti betitelte den Aufstieg der Automaten als apokalyptische Wende, die vor allem der Mittelklasse ihrer Daseinsberechtigung beraubt. Menschliche Intelligenz, Arbeit und Anstrengung werden schier nicht mehr benötigt. Simpel ausgedrückt: Der Mensch „bringt keinen Mehrwert mehr“. „Ein Thema, das mich heutzutage mehr beschäftigt, ist der sinkende wirtschaftliche Wert der Menschen“, so Pacotti.

Während die Originalteile deutlich weiter in der Zukunft spielen, haben gerade die aktuellen Spiele wie Deus Ex: Mankind Divided eine greifbarere futuristische Welt gewählt. Augmentierungen, die der menschlichen Biologie entgegenstehen und ihn zu beeindruckenden Übermenschen mutieren lassen, sind dabei an der Tagesordnung. Die actiongeladene Story wird dabei ebenso von machthungrigen Megakonzernen angetrieben wie von heiklen terroristischen Akten mittels Nanotechnologie. Fun Fact: Der Serienerstling hat die Zerstörung des World Trade Center durch Terroristen gut ein Jahr vor dem tatsächlichen Anschlag vorhergesagt.

Detroit: Become Human (Sony Interactive Entertainment, 2018)

Gerade im Bereich der aktuelleren Videospiele gibt uns Quantic Dream mit Detroit: Become Human einen Einblick in eine nur allzu nahe gelegene Zukunft. In der Welt von Detroit werden intelligente Androiden nämlich bereits im Jahr 2022 erfunden. Diese menschlichen Abbilder sehen nicht nur genauso aus wie wir, sondern sind bereits in der Lage menschliche Gespräche sowie Emotionen zu imitieren. Schon im Jahre 2038 gehören diese Roboter zum Alltag und bedienen einen Massenmarkt. Ob als Beamte, Handwerker, Haushaltshilfen oder im Rotlichtmilieu – die Androiden sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft geworden. Zwar übernehmen die Androiden allerlei gefährliche sowie niedere Arbeiten und schaffen so Abhilfe, doch die Technologie birgt auch ihre Tücken. Roboter werden von den Menschen mit Verachtung bestraft, die Arbeitslosenquote in den USA steigt auf beachtliche 37 Prozent. Dies führt auch zu geopolitischen Spannungen zwischen den USA und Russland, die alsbald ein Wettrüsten im Bereich der Androiden-Technologie starten. Doch auch abseits des technologischen Fortschritts beschäftigt sich Detroit mit einigen absehbaren Problemen. Der Umkehrpunkt des Klimawandels ist bereits überschritten und das Unheil nimmt seinen Lauf. Hunderte Tierarten sind ausgestorben und werden nur noch von ihren Androiden-Pendants imitiert. Schließlich wendet sich auch der vom Menschen erfundene Fortschritt gegen seinen Schöpfer: Immer mehr Maschinen entwickeln ihrem Programm widersprechende Verhaltensweisen und werden zur potenziellen Gefahr für den Menschen. Die Kampagne von Detroit: Become Human stellt eine Art interaktiven Film dar, der je nach den eigenen Entscheidungen multiple Enden bereithält. Die Spielwelt zeigt sich dabei so facettenreich und durchdacht wie dystopisch und verstörend. Ein wirklich gelungenes Drama, das die Abgründe des immer weiter fortschreitenden technologischen Wandels und der All-Digital Mentalität visualisiert.

Watch Dogs (Ubisoft, 2014-2020)

Eine ähnlich nahe Zukunftsvision mit leicht anderer Ausrichtung zeigt uns das Franchise rund um Watch Dogs. Hier werden weniger die Maschinen in den Vordergrund gerückt, als vielmehr der gläserne Mensch und sein digitaler Fingerabdruck. In der fiktiven Welt von Watch Dogs ist jeder Mensch permanent online und via ctOS (central Operating System) mit allem um sich herum verbunden. Doch das zukunftsträchtige Computernetzwerk mutiert alsbald zum Lebensmittelpunkt vieler Menschen. ctOS bestimmt das Leben in einer jeden Stadt, steuert sämtliche Abläufe, brandmarkt Verbrecher und sorgt für soziale Ungerechtigkeit. Diese Entwicklung ruft auch Kriminelle auf den Plan, denn Daten sind nun Macht, derer kaum einer widerstehen kann: Zahlreiche korrupte Großkonzerne und Unternehmen sammeln Daten, um sie für ihre eigenen perfiden Zwecke zu missbrauchen.

Das in wenigen Wochen erscheinende Watch Dogs: Legion führt das Konzept seiner beiden Vorgänger konsequent fort und zeigt wie sich dieser digitale Wandel in der Londoner-Metropole weiterentwickeln kann. Während die Automatisierung und die künstliche Intelligenz (KI) immensen Druck auf die Wirtschaft ausüben, steigen parallel Arbeitslosigkeit und die organisierte Kriminalität in riskante Höhen. Selbst der Pfund wurde mittlerweile von den zahlreichen Kryptowährungen überholt und verliert zunehmend an Relevanz. Kurzum: Dank des ctOS wird London für seine Bewohner zum Überwachungsstaat, der die Aktivitäten eines jeden Einzelnen nicht nur im Auge behält, sondern auch massiv einschränkt. Aus diesen Entwicklungen heraus erheben sich immer mehr Hacker- und Aktivitätengruppen, die das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und die Ungerechtigkeit sühnen wollen. IT-Fertigkeiten und Hacker-Skills werden in dieser Welt zu einem unschätzbaren Wert. Watch Dogs hat zwar viele dystopische Ansätze, gibt uns aber auch einen ersten spannenden Einblick in eine Welt, in der jeder und alles vernetzt ist. Das bietet natürlich auch spielerisch so einige innovative Mechaniken: Mit einem Hacker der Gruppe DedSec dürfen wir in einer offenen Spielwelt Menschen, Maschinen oder Gegenstände hacken und so für einiges an Chaos sorgen.

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NieR (Square Enix, 2010-2017)

Die wohl abgedrehteste Japano-Sci-Fi-Welt in unserer Liste bietet mit Abstand NieR. Der 2010 erschienene Genre-Mix NieR spielte hunderte Jahre in der Zukunft und wusste Spieler bereits damals mit seiner Androiden-Thematik bisweilen zu überraschen. Das gut sieben Jahre später veröffentlichte NieR: Automata setzte dem nochmals einen drauf: Im Jahr 11945, und damit 8480 Jahre nach dem Erstling, fechten die noch übriggebliebenen Menschen einen aussichtslosen Stellvertreterkrieg gegen außerirdische Invasoren. Nachdem diese die Erde mit riesigen Roboter-Armeen angriffen und so die Menschheit erheblich dezimierten, schlagen die Erdenbewohner nun in einem erbitterten Kampf mit hochentwickelten Androiden zurück. Im Zentrum der Geschichte steht der weibliche Android 2B, der auf die zerstörte Erde entsandt wird, um die feindlichen Roboter zu eliminieren. Doch die Geschichte dient keineswegs nur einem Selbstzweck und ist bei weitem nicht so platt wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint: Vielmehr bietet die Welt allerlei Facetten; es treten Androiden auf den Plan, die Emotionen verspüren, die die Menschen des Altertums nachahmen, auf der Erde friedlich leben wollen und kein Interesse daran haben am Kampfgeschehen teilzunehmen. NieR: Automata lässt dabei diverse moralische und philosophische Fragen aufkommen, die den kompletten Spielverlauf über im Raum stehen und den Spieler beschäftigen. Inwieweit können Roboter menschlich sein? Was sagt das über die Menschheit aus? Was bedeutet der Tod für digitale Wesen oder welche Motivation treibt Maschinen in einem Krieg an? Trotz des abgedrehten Settings beschäftigt sich Automata von Beginn an ernsthaft mit schwerwiegenden Themen, die mit einer Zukunftswelt voller hochentwickelter Roboter zwangsläufig einhergehen. Das Spiel geht dabei sogar noch tiefer in die Materie als Detroit: Become Human, verzichtet jedoch keineswegs auf all das Drama und die herzzerreißende Inszenierung. Nicht nur die Geschichte und das Charakterdesign strotzen vor japanischer Skurrilität, auch das Gameplay ist fernab von originärer Spielekost. NieR: Automata vereint zahlreiche Genre, spielt mit Perspektiven, wechselt zwischen den verschiedensten Spielelementen und kreiert so ein abwechslungsreiches Gesamterlebnis.

Observer (Aspyr, 2017)

Observer verbindet Cyberpunk-Elemente mit den düsteren Facetten eines Horrorspiels. Das Ergebnis ist eine dystopische Spielwelt sondergleichen, die dem Spieler nicht weniger moralische Bedenken auferlegt. Unsere Geschichte beginnt im Jahr 2084 in Krakow, Polen. Die sogenannte digitale Pest Nanophage hat tausende Menschen getötet, Kriege ausgelöst und die Überlebenden in einen zügellosen Drogenkonsum getrieben. In Folge dieser Ereignisse hat der Megakonzern Chiron die Kontrolle über die Stadt an sich gerissen und die Polizeieinheit „Observer“ ins Leben gerufen, die die Aufgabe hat, die Gedanken der Bürger zu hacken. Unser Protagonist Daniel Lazarski ist ein eben solcher Elite-Neuraldetektiv, der sich in die Erinnerungen von Verdächtigen hackt – immer auf der Suche nach neuen Hinweisen. Im Verlauf der Handlung sieht sich Daniel immer häufiger mit dunklen Geheimnissen und Ängsten seiner Gegenüber konfrontiert, die selbstverständlich auch ihn emotional nicht kalt lassen. Die komplette Spielwelt von Observer schockiert und lässt den Spieler fassungslos zurück: Die urbanen Umgebungen sind heruntergekommen, kalt, grau und bedrohlich. Die Leute verstecken sich hinter dicken Stahl- und Drahtschichten, während ihre Gedanken, Ideen, Ängste, ihr komplettes menschliches Bewusstsein offenliegen. Die Menschen versuchen der Realität zu entfliehen, Drogen- und Hologrammsüchtige werden gesellschaftlich gebrandmarkt und in dedizierten Lagern abgelegt. Horror-Fans dürfen gern einen genaueren Blick auf die doch recht bedrückende und nicht weniger beeindruckende Zukunftsvision von Entwickler Bloober Team werfen.

System Shock 2 (Looking Glass Studios & Irrational Games, 1999)

System Shock 2 ist heutzutage wohl einer der Spieleklassiker, die erst Jahre nach offiziellem Release Kultstatus erreichen konnten. Ähnlich wie sein spiritueller Nachfolger Bioshock spricht das Sci-Fi-Horrorspiel vielschichtige aber dennoch aktuelle Themen an: eine größenwahnsinnige, von Menschenhand geschaffene KI wendet sich gegen seinen Schöpfer sowie ein biologisches Kollektiv, das aus genetischen Experimenten erschaffen wurde und als dritte Instanz der Mensch, der ums Überleben kämpft. System Shock 2 entführt den Spieler in eine Raumstation am Rande des Weltraums, in der er sich gegen die KI S.H.O.D.A.N zur Wehr setzen muss. Letztere miemt den unsichtbaren, aber immer präsenten Gegner, der den Spieler mit neckischen Kommentaren zu verunsichern weiß. S.H.O.D.A.N.s Rolle in der Geschichte ist dabei keineswegs eindimensional und so ranken sich in vielen Community-Foren mannigfaltige Interpretationsansätze um eben jene Persona. Aber genau diese undurchsichtigen Verhaltensweisen einer wenig greifbaren künstlichen Intelligenz machen das Setting so faszinierend und gleichsam fast schon realistisch.

System Shock 2 zeigt aber noch weitere Schritte der menschlichen Entwicklung auf: genetische Experimente, Kybernetik, Kollektivität und Egozentrismus zeigen deutlich den Verlust von moralischem Denken auf und lassen den Spieler auch noch lange nach dem Abspann über die einzelnen Facetten sinnieren. Selbst spielerisch ist System Shock 2 auch heute noch einen Ausflug wert. Horror-Elemente gepaart mit einem seichten Rollenspielsystem und einem soliden Koop-Modus unterhalten durchweg.

 


Unsere Empfehlung für den November:

Solltet ihr nun Lust bekommen haben, mehr zum Thema zu erfahren, dann möchten wir euch den Besuch des „Next Level – Festival for Games“ ans Herz legen. Das Event findet – natürlich unter Berücksichtigung aller aktuellen Corona-Schutzbestimmungen – vom 13. bis 15. November auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen statt. Besucher dürfen sich nicht nur über zukunftsweisende Ideen und innovative Spiele freuen, sondern auch Vorträgen und Diskussionen zu aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz beiwohnen. Die Messe bietet dabei Unterhaltung für Groß und Klein: Ausstellungen, Erlebnis-Parcours, Performances, Workshops, Werkstätten und Labore laden auf interaktive Weise dazu ein am Austausch teilzunehmen. Weitere Informationen zum aktuellen Programm und dem Festival an sich erhaltet ihr auf der offiziellen Website: next-level.org

 

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