Endlich ist es da! Für viele Rennspiel-Fans, die rund vier Jahre leidvoll warten mussten, gibt es mit „Project CARS“ nun endlich neues Futter – sogar für die Current-Gen-Konsolen. Wer sich nicht zu den ausgewählten Finanzierern zählt, die bereits während der Entwicklung mit immer neuen PC-Builds versorgt wurden, darf sich nun mit der fertigen Verkaufsversion vergnügen, die leider einen holprigen Start erlebt hat. Speziell die Konsolen-Versionen wurden mit einigen Updates versorgt, die für mehr Performance sorgen und diverse Fehler ausmerzen. Wie sich der Titel nun auf der Konsole schlägt, verrät mein Test der Xbox One-Version mit Patch V1.4.
Als die Slighty Mad Studios im Jahre 2011 die ersten Konzeptbilder von Project CARS veröffentlichten, war ich auf Anhieb sehr angetan und freute mich auf einen Rennspiel-Titel der ehemaligen Need for Speed: Shift-Entwickler. Nachdem EA das Studio quasi vor die Tür gesetzt hatte, war nicht abzusehen wie es weiter geht und da ich die zumindest etwas realistischeren Need for Speed-Titel mochte, konnte ich das aus Shift bekannte Gameplay kaum erwarten. Laut Creative Director Andy Tudor sieht man sich in der Konkurrenz mit Forza Motorsport 5 und setzt dabei die Messlatte überaus hoch an. Hat Project CARS wirklich das Zeug zu einem Forza 5-Killer? Finden wir es heraus!
Eigentlich sollte man ja stets ruhig und vernünftig an die Sache heran gehen, sich erst mal alle Menüs und Einstellungen ansehen, das Spiel auf seine Bedürfnisse anpassen…blablabla. Verflucht, es ist Project CARS und ich springe direkt in ein freies Training um endlich wieder das gewohnte Slightly Mad-Gameplay zu spüren. 🙂 Also dann: Nach einem gelungenem Start, gefolgt von striktem einhalten der Ideallinie, steuere ich die erste Kurve an. Ein kurzes anbremsen, einlenken und prompt bricht der BMW M1 aus, so dass ich mich im Kiesbett wiederfinde. Was sich zunächst nach einem typischen Fahrfehler anhört, wiederholt sich im Laufe der Session etliche male und ich muss feststellen, dass mir dieses Gameplay völlig fremd ist. Vielleicht ist es doch eine gute Idee, zunächst die Einstellungen des Spiels aufzusuchen um sich den Steuerungsoptionen zu widmen. Hier macht sich bei mir die erste Ernüchterung breit, da man auf der einen Seite zwar sehr viele Optionen zur Verfügung gestellt bekommt, um die Steuerung nach seinen Bedürfnissen anzupassen, aber nicht eine einzige Option und deren Auswirkung erklärt wird! Vielleicht geht es nur mir so, aber ich wüßte jetzt nicht was die Option „Todeszone Gas“ oder „Todeszone Kupplung“ etc. bewirkt. Auch sucht man diverse Presets wie z. B. „Einfach„, „Fortgeschritten“ oder „Profi“ vergebens, so dass mich an dieser Stelle das ungute Gefühl überkommt, die bevorzugte Steuerung mit einem Lenkrad vom PC einfach auf die Konsole portiert zu haben. Nachdem meine Versuche die Steuerung merklich zu verbessern gescheitert waren, machte ich mich auf die Suche nach den idealsten Einstellungen und wurde bei den Kollegen von Xbox Front fündig, die die besten Settings für einen Standard Xbox One-Controller ermittelt hatten. Mit der neuen Konfiguration fiel mir die Steuerung der Fahrzeuge schon leichter, aber noch immer neigten diese selbst bei 60kmh noch zu starken Ausbrüchen, so dass ich mich gefrustet für eine längere Pause entschieden hatte, in der Hoffnung das die nächsten Patches Abhilfe schaffen würden. Glücklicherweise haben die Entwickler mit Patch 1.3 & V1.4 diverse Steuerungsprobleme behoben und das Handling weiter verbessert, jedoch existiert noch viel Luft nach oben – besonders beim Handling in den Einstellungen. Das pure ansehen seiner aktuellen Steuerungskonfiguration mit anschließendem verlassen des Menüs, dauert knapp 39 Sekunden. Dabei ist das noch nicht mal das Ende der Fahnenstange, denn bei der Optik konnte ich unvorstellbare 79 Sekunden für die gleiche Aktion messen.
Optisch macht Projects CARS eine sehr gute Figur, wenngleich ich vorab jedoch sagen muss, dass Forza 5 insgesamt immer noch Eindrucksvoller aussieht. Im Bereich der Strecken zieht der Racing-Titel aus dem Hause Turn 10 schon den kürzeren, wenn es um die Detailverliebtheit geht, denn Slighty Mad’s Racer bietet hier etwas realistischere Bodentexturen und Curves sowie echte Bandenwerbung, aber die ständig auftretenden Popups bei Objekten und Schatten killen die Stimmung merklich. Auch die Lebhaftigkeit durch Integration von Zuschauern ist bei Forza 5 mehr gegeben. Bei den Fahrzeugen nimmt man es bei Project CARS auch nicht so genau, denn obwohl man damit wirbt, den Anspruch einer echten Rennsimulation zu haben, passen einige Besonderheiten nicht ganz, die zum Teil eigentlich Auswirkungen auf das Fahrverhalten haben müssten. Nehmen wir z. B. mal den automatisch herausfahrbaren Heckspoiler des AUDI R8. Während man bei Forza 5 sehr deutlich sehen kann, wie der Heckspoiler ab einer gewissen Geschwindigkeit angehoben und erneut abgesenkt wird, ist dieser bei Project CARS dauerhaft ausgefahren. OK, natürlich kann man den Heckspoiler beim erwähnten Modell von AUDI manuell steuern und draußen lassen, daher nehmen wir mal an, dass das so gewollt ist, aber wie sieht es mit den Bremsklappen des Pagani Huayra aus? Beim abbremsen des italienischen Supersportlers werden zwei getrennte Bremsklappen im Heck ausgefahren, die beim beenden des Bremsvorgangs erneut in ihren Ursprungszustand wechseln. Bei Project CARS hingegen scheint man vermutlich der Ansicht zu sein, das die Bremsklappen eher als Heckspoiler für den Anpressdruck verantwortlich sind und lässt diese stumpf dauerhaft ausgefahren. Auch der Dreck nach einer Rennsession fehlt auf den Fahrzeugen, aber dafür fällt das Schadensmodell deutlich umfangreicher aus, als es beim Konkurrenzen Forza 5 der Fall ist, wobei die Kollisionsphysik nicht immer nachvollziehbar ist. Was man aber unbedingt mal ausprobieren sollte, ist das fahren bei starkem Regen in der Helmkamera-Perspektive. Die Regentropfen auf der Scheibe sehen nicht nur verflucht gut und echt aus, sondern man bekommt ein gutes Gefühl dafür, welche Anforderungen an den Fahrer unter diesen Bedingungen gestellt werden und reduziert den energischen Einsatz des Gaspedals zukünftig vielleicht doch mal. 🙂 Die feinen Details im Cockpit der Fahrzeuge könnten für meinen Geschmack noch etwas realistischer ausfallen, denn oftmals erkennt man z. B. kein Leder auf dem Armaturenbrett sondern einfachen Kunststoff.
Wichtig für ein tolles Spielgefühl ist auch der Sound und gerade hier bewegt sich der Racer auf ziemlich dünnen Eis. Auf der einen Seite hören sich manche Fahrzeuge richtig knackig an und verleiten gerade zu, mal öfter richtig auf das Gas zu latschen, während einige andere Fahrzeuge nicht wirklich wie das Original und oben drein noch ziemlich brav klingen. Auch passt bei einigen Fahrzeugen das Drehzahlgeräusch im Stand nicht, welcher sich oft abgehakt anhört. Das größte Problem ist der fiese Sound-Bug, den es vermutlich nur auf der Xbox One zu hören gibt, wo die Klangkulisse generell von einer Art dauerhaftem Echo bzw. überlappen mehrerer Soundfiles zerstört wird. Leider scheint man das Problem selbst mit dem aktuellsten Patch nicht in den Griff bekommen zu haben. Somit steht man vor der Auswahl, das ganze Rennen neu zu starten, wenn das Sound-Problem auftritt, oder es einfach zu ertragen, in der Hoffnung, es würde sich wieder normalisieren – was es leider nur selten tut.
Arcade-Racer werden sich bei Project CARS umgewöhnen müssen, denn Ausflüge ins grüne oder ins Kiesbett werden mit nicht gewerteten Runden bestraft. Wer mit dem Controller unterwegs ist, wird mit dieser nicht abschaltbaren Hürde zusätzlich zu Kämpfen haben, aber leider setzt sich dieses Verhalten nicht in allen Bereichen konsequent fort, denn Flaggen werden kaum ernst genommen und bevor man mittels Strafen disqualifiziert wird, muss man sich schon extrem viel leisten. Das scheint auch die KI zu wissen und rempelt durch ihre offensive Fahrweise was das Zeug hält. Dafür fahren die virtuellen Gegner nicht nur einfach der Ideallinie hinterher und nutzen den freien Raum aus, um sich voran zu Pirschen und euch das Leben schwerer zu machen. Wer es aber noch eine Ecke realistischer mag, kann sich in den Optionen mächtig austoben. Dabei meine ich nicht nur das einfache aus- oder hinzuschalten von Hilfen, was natürlich auch möglich ist, sondern viel mehr die Auswahl eines vollwertigen Schadensmodells mit physikalischen Auswirkungen, den Benzinverbrauch und eine skalierbare Reifenabnutzung. Auch mechanische Fehler sind aktivierbar, so dass man ohne Fremdeinwirkung einem Motorschaden oder anderen defekten zum Opfer fallen kann. Letztere Option würde ich aber nur Fahrern empfehlen, die ziemlich Wut-Resistent sind. 😀 Kommen wir aber mal endlich mal zu einigen Eckdaten, denn diese sind ja nicht ganz unwichtig. 😉 In Project CARS erwarten den Spieler insgesamt 88 Fahrzeuge, wovon 8 Fahrzeuge erst im Laufe der Monate zur Verfügung stehen werden. Die Entwickler haben sich dazu entschieden, jeden Monat ein Fahrzeug zu Veröffentlichen um vermutlich den Wiederspielwert zu fördern. Damit wären es insgesamt 112 Fahrzeuge weniger, als Forza 5 zum Launch geboten hatte. Im Gegenzug lässt die großzügige Streckenauswahl kaum Wünsche offen, denn auf 30 verschiedenen Schauplätzen wurden insgesamt 110 Streckenvarianten generiert, die erst gemeistert werden müssen und natürlich sind auch die berühmten Strecken wie „Nürburgring„, „Spa Francorchamps„, „Le Mans“ oder „Laguna Seca„ mit dabei. Selbstverständlich lassen sich alle Fahrzeuge bis ins feinste Detail nach Belieben optimieren, wie es sich für eine gute Rennsimulation gehört.
Der Karriere-Modus von Project CARS ist inhaltlich sehr gut gelungen und gibt dem Spieler alle Freiheiten, so dass man z. B. selbst entscheiden darf, ob man ganz unten in einem Kart anfangen möchte, oder direkt ganz oben in der Formel 1 einsteigt. Auch bei den Verträgen wird einem nicht in die „Automatismus-Suppe“ gespuckt und man darf selbst alle eingehenden Angebote vergleichen und bei einem Team seiner Wahl unterschrieben. Die Präsentation ist mit Ausnahme des unterhaltsamen Live-Feeds, der fiktive Kommentare aus Social Networks beinhaltet, optisch ziemlich lieblos gestaltet und wird einfach in Tabellen serviert, was in der heutigen Zeit etwas angestaubt wirkt. Auch Siegesanimationen, Boxenluder oder ähnliches wird man bei diesem Titel nicht finden – immerhin warten einige Videos zur Belohnung einer abgeschlossenen Saison. Im Multiplayer-Modus sticht die fehlende Lobby wie ein Dorn im Auge und man muss vermutlich hier eher Microsoft die Frage stellen, was man sich dabei gedacht hat, zumal diese auf den anderen Plattformen vorhanden ist. Xbox One-Spieler dürfen nur auf ein automatisches Matchmaking zurückgreifen, falls man den Bedarf verspürt, sich mit der ganzen Welt zu messen. Glücklicherweise darf man auch Privat-Sessions mit Freunden bestreiten und die Renn-Vorgaben selbst definieren. Die Performance während den Rennen ist meist gut, führt aber mit steigendem Teilnehmerfeld zu deutlichen Lags. In meinen Augen würde ich die KI aber sowieso den Mehrspielerpartien fern halten, wenn es fair zugehen soll, denn auch hier wird dank der milden Strafen munter geschubst und gerempelt, als gäbe es kein Morgen.
Project CARS ist seit 07. Mai 2015 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich. Die Wii U soll im späteren Verlauf nachziehen.