Ganze 18 Jahre mussten sich Fans des Action-Adventures Shenmue auf eine Fortsetzung gedulden. Im November soll es nun aber endlich soweit sein und die Trilogie um Protagonist Ryu Hazuki ein würdiges Ende finden. Im Rahmen der gamescom konnten wir bereits vorab offiziell Hand an Shenmue 3 legen und verraten euch, warum uns das Spiel direkt ans Herz gewachsen ist.
Shenmue 3 setzt die Geschichte seines direkten Vorgängers nahtlos fort und soll nach fast zwei Jahrzehnten endlich den mittlerweile berüchtigten Cliffhanger am Ende des zweiten Teils auflösen. Unser Protagonist Ryu Hazuki will Rache für den Mord an seinem Vater nehmen und auf der Suche nach Antworten verschlägt es den Nachwuchs-Kampfsportler ins ferne China. Die uns vorgeführte Demo-Version setzte direkt zu Beginn des Spiels ein und führte Ryu in ein kleines, ruhiges Dorf am Rande Chinas, das angeblich einen Informant beheimatet, der mehr über die Drahtzieher zu wissen vermag.
Wir starten unvermittelt an einem kleinen Fluss mit anschließender farbenfroher Blumenwiese. Ein erster Blick auf die Assets verrät: Die Entwickler haben sich allein für diese sehr ländliche Ecke des Spiels wunderschöne, fast malerische Umgebungen und Panoramen einfallen lassen. Die Wiesen, Berge und das Geplätscher des Wassers zaubern bereits hier eine atemberaubende Idylle, die zum verweilen einlädt. Einige Meter weiter entdecken wir bereits das erste kleine Holzhaus, das einen Krämer mit seinen Waren beheimatet. Erneut spielen Interaktionen mit NPCs eine nicht gerade untergeordnete Rolle, um in der Geschichte weiter voranzukommen und wertvolle Informationen zu sammeln. Ein detailliertes Questlog oder gar eine Anzeige der nächsten Aufgaben gibt es in Shenmue 3 nämlich nicht. Einzig euer Tagebuch vermerkt nützliche Hinweise, sobald ihr diese einmal gefunden habt.
Ganz im Zeichen der Vorgänger setzt auch Shenmue 3 auf ein sehr langsames, behäbiges Pacing, das gerade junge Spieler eingangs abschrecken dürfte. Jeder Infohappen muss noch manuell aufgenommen und von euch verwertet werden. Minimap mit Questmarker? Fehlanzeige. Wollt ihr eine wichtige Person finden, fragt ihr eben einfach die Leute um euch herum. Gleiches gilt, solltet ihr einmal in der Geschichte feststecken und einen hilfreichen Tipps benötigen.
Die NPCs sind genau dafür gut ausmodelliert, voll vertont und haben verschiedene Dialogzeilen. Besonders positiv fallen auch die Aktivitäten der Charaktere auf. Zwar sind die Charaktere in unserer Anspielsession den immer gleichen Aufgaben nachgekommen, diese wirken jedoch sinnvoll in der Spielwelt platziert und integriert. So macht eine Schar von Kindern mitten auf dem Dorfplatz beispielsweise Kampfsportübungen, während eine alte Dame im Tempel ihren Ritualen nachgeht. Allein dies macht die Welt ungemein lebendig und charmant, auch wenn diese vielleicht gar nicht so dynamisch ist wie es den Anschein macht.
Ein ganzes Stück weiter am Fluss können wir zudem einen kleinen Amüsier-Bezirk erspähen. Eine ganze Reihe an Straßenspielern bieten hier rudimentäre Glücksspiele für einen schmalen Taler an. Probiert euer Würfelglück, werft Kugeln in einen Becher oder zieht euch Sammelfiguren aus einem Gashapon-Automaten – an Nebenaktivitäten mangelt es Shenmue 3 ganz offensichtlich nicht. Selbst das kleine Dorf hat bereits eine breite Auswahl an Minispielen und Nebenbeschäftigungen zu bieten.
Ein etwas abgelegenes Kampfdojo lädt sogar zum obligatorischen Kampftraining ein. Und das haben wir auch bitter nötig, fordert uns unser Informant doch zu einem Duell im Austausch gegen die benötigten Hinweise. Schon einfache Trainingskämpfe oder kleinere Sportminispiele steigern dabei Ryus Kampffertigkeiten und erlauben euch so noch stärker zu werden. Das Kampfsystem selbst fühlt sich dabei wenig dynamisch, fast schon schwerfällig an. Per Tastendruck kann Ryu Angriffe blocken, einfache Schläge oder Tritte verteilen, einen Ausweichschritt vollführen und sogar einen kleinen Special-Move einsetzen. Jedes dieser Manöver benötigt allerdings eine nicht unerhebliche Zeit und verringert die Kampfgeschwindigkeit enorm. Dennoch haben es die Kämpfe in sich. Gerade als Anfänger schenken euch eure Gegner nichts und nutzen eine gute Bandbreite ihres Movesets. Eine regenerierende Lebensleiste gibt es im Übrigen nicht. Nach jedem Kampf muss Ryu etwas Essbares zu sich nehmen, um seine Lebensleiste wieder in Schuss zu bringen. Trotz der wirklich detailreichen Umgebungen sieht man Shenmue 3 das hohe Alter des Franchise an. Die Animationen sowie Mimik sämtlicher Charaktermodelle wirken statisch, fast schon emotionslos. Die Steuerung des Hauptcharakters sind steif und nicht einmal annähernd realistisch. Shenmue 3 bleibt seinen fast 20 Jahre alten Wurzeln in jeder erdenklichen Hinsicht treu. Das kann für eingefleischte Fans eine gewisse Nostalgie mit sich bringen, auf der anderen Seite aber auch ein Zeichen für Rückständigkeit und mangelndes Qualitätsbewusstsein sein.
Auch wenn Shenmue 3 sicherlich nicht das grafisch anspruchsvollste Spiel ist, sich spielerisch schon fast altbacken anfühlt und auch inhaltlich noch nicht mit einer tiefsinnigen Geschichte überzeugen konnte, versprüht Shenmue 3 eine gehörige Menge an Charme. Lässt man sich einmal darauf ein und gibt dem sehr gediegenen Pacing eine Chance, bietet Shenmue 3 im Gegenzug vielen aktuellen Titeln die Möglichkeit zu entschleunigen und sich in ein vergangenes Jahrzehnte zu begeben. Ein wenig Nostalgie dürfte dafür aber wohl auch nötig sein.