Test

Test: Borderlands 3

Das Chaos ist zurück!

Wirft man einen Blick auf den erfolgreichen Werdegang des bunten Shooter-Phänomens Borderlands, ist es recht eklatant, dass der Koop-Hit nicht zuletzt das gesamte Genre tiefwirkend mitgeprägt hat. Im zeitlos-liebevollen Comic-Gewand bekehrte Entwickler Gearbox Software mitsamt „Bazillionen“ an Schießeisen, einem motivierenden Skill-System und einem simplifizierten Humor-Einschlag 2009 erstmals die Shooter-Fangemeinde. Auf den nächsten vollwertigen Ableger des charakterstarken Gliedes in der Kette des Loot-Geballers durften Fans nun zuletzt 7 Jahre warten. Während das Spin-off Borderlands: The Pre-Sequel 2015 dem Erfolgszug einen marginalen Dämpfer verpasste, soll der vierte Ableger nun die Wogen glätten. Mit Borderlands 3 wird die Reise der Kammerjäger bereits ab dem 13. September 2019 auf dem PC, der Xbox One als auch der PlayStation 4 fortgeführt. Grund genug sich erneut auf die humoristische Jagd nach dem lohnenswertesten Ausrüstungs-Sets im Cell-Shading-Look zu stürzen und zu ergründen, ob Borderlands 3 exakt das Sequel ist, das das Genre-Urgestein verdient hat.

„Mein Arsch hat eure Ärsche gerettet“

5 Jahre nach den Ereignissen in Borderlands 2 und dem damit einhergehenden Ableben des ikonischen Antagonisten Handsome Jack, setzt nun die Geschichte des neuesten Projekts von Gearbox Software ein. Anstatt nun dem charismatischen Tyrannen entgegenzutreten, übernehmen nun die Calypso-Zwillinge Tyreen und Troy den Part der missgünstigen Antagonisten. Wenig überraschend wird sich dabei erneut alles um die mysteriösen, eridianischen Kammern drehen, von dessen Erforschung sich das Geschwisterpaar nicht zuletzt neue Stärke und Popularität ersehnt. Dem totalitären, fanatischen Führungsstil der beiden Influencer und ihrem treu ergebenen Psycho-Streitkräften stellen sich nun die vermeintliche Heldentruppe Crimson Raiders in den Weg. Angeführt von Lilith, spielbare Sirene aus dem Erstling der Shooter-Reihe, dürft ihr nun in den Kampf gegen das machthungrige Zwillingspaar ziehen.

Gearbox Software wandelt mit Borderlands 3 auf zumeist recht prognostizierbaren Pfaden. Fans der Shooter-Reihe dürfte der Umstand der nicht allzu tiefgründigen Kampagne allerdings nie grundlegend überraschen, haben doch die drei vorherigen Ableger ebenfalls nicht mit einem weitgehend gehaltvollen Narrativ überzeugen können. Hinter dem Genre-Standard verbleibt der Koop-Shooter aber ebenfalls nicht zurück, was zuletzt ebenso an dem nostalgischen Auftritt bekannter Persönlichkeiten liegen dürfte. Borderlands 3 punktet vor allem durch seine humoristischen Einschläge samt seiner mehrdeutigen Wortwitze, charismatischer Charaktere sowie den zeitweise unterhaltsamen Queststrukturen. Ab und an verbindet Gearbox diesen humorvollen Umgang zudem mit härteren, ernsteren Augenblicken, was dem Abenteuer eine zusätzliche narrative Ebene verleiht ohne zu sehr künstlich aufzutragen.

Das größte Problem sind gleichzeitig die größten Hoffnungsträger des Koop-Geballers: die wirren Antagonisten. Die geringe Screen Time wird in Kombination mit ihrer flachen Hintergrundgeschichte sowie ihrem generischen, austauschbaren Auftreten bedauerlicherweise nie vollends genutzt und erreicht so leider keineswegs einen ähnlich ikonischen Status, wie der missgünstige Antagonist Handsome Jack. Gearbox stellt sich hierbei ironischerweise selbst seinen größten Konkurrenten, obwohl man vor 7 Jahren bereits einmal bewiesen hat, wie ein charismatischer Tyrann auftreten kann.

Borderlands macht „Bazillionen“ zur Zahl

Spielerisch dürft ihr mit dem aktuellen Ableger der populären Spielereihe nicht weniger als das vertraute Borderlands-Erlebnis erwarten: Umgängliches Koop-Multiplayer-Geballer gespickt mit einem schier unendlichen Waffenaufgebot im charmanten Cell-Shading-Look. Wie gehabt dürft ihr euch nun zwischen vier differenten Kammerjägern wählen, die sich spielerisch ausgesprochen gut ergänzen. So könnt ihr in die Haut von Amara, einer Nahkampferprobten Sirene, Moze, der brachialen Mech-Schützin und Zane, dem trickreichen Agenten schlüpfen. Zudem gesellt sich der Beastmaster FL4K, welcher sich deutlicher von den bereits etablierten Klassenstrukturen aus den bisherigen Borderlands-Ablegern abgrenzt und frische, taktische Möglichkeiten dem Koop-Gemetzel hinzufügt. So tritt der Dompteur mitsamt drei verschiedener Bestien im Gepäck in den Kampf, um die begehrten Kammerschlüssel. Diese lassen sich zwar nicht direkt steuern, erweisen sich umso häufiger allerdings nicht nur als konstruktive Ablenkung für das große Gegneraufkommen, sondern teilen gleichermaßen auch größere Schadensmengen aus. FL4K war noch vor Release dank seiner passiven Steuerungsmechaniken zum potenziellen Sorgenkind der verfügbaren Vault-Hunter-Riege degradiert worden, schlägt sich wider Erwarten allerdings recht passabel. Hin und wieder leiden FL4K’s KI-Begleiter dennoch unter minimalen Aussetzern, die sich vor allem in Bewegungslosigkeit äußern. Korrespondierende Patzer tangieren bedauerlicherweise auch andere Kammerjäger. So erstarren beispielsweise kurzzeitig Charaktere mitunter beim Ausführen offensiver Fähigkeiten.
Das kooperative Spielerverhalten wird von Gearbox dennoch mehr als erfolgreich in die Moderne gehoben. Unter anderem ist es möglich, dass Spieler differenter Level miteinander in einem Spiel zusammenfinden. Zudem verringert Gearbox das „Loot-Ninja“ aufkommen, indem die begehrte Ausrüstung schlichtweg instanziert werden kann.

Das motivationale Charakteristikum der begehrten Borderlands-Reihe wird bekanntermaßen nicht allein vom großen Loot-Aufgebot getragen, denn auch die spezifischen Rollenspiel-Elemente generieren einen grundsätzlichen Anreiz. Auch im vierten Ableger darf der Spieler seinen Charakter selbst aus insgesamt drei Skill-Trees formen. Diese beinhalten ab sofort nicht mehr nur passive Fertigkeiten, sondern auch divergente Abwandlungen des Action-Skills. Diesen könnt ihr vorrangig nicht nur selbst bestimmen sondern auch um diverse Elementarschadensarten sowie Effekte erweitern. Das leicht abgeänderte Grundkonzept erweist Spielern erhebliche Freiheiten, um die folglich notwendige, substanzielle Individualisierung voranzutreiben. Teams, in denen ab sofort mehrfach derselben Charakter figuriert wird, haben dennoch die Chance diese in umfangreichen Maße zu personalisieren, was vorrangig den kooperativen Spielaspekt vorantreibt.

Das fundamentale Herzstück der Loot-Shooter-Reihe verbleibt zweifellos das voluminöse Aufgebot an originellen Schießprügeln. Mit der hyperbolischen Phrase „Bazillionen an Waffen“ trifft Gearbox eine überaus glaubwürdige Aussage über die Quantität an Schießeisen. Wie aus den unmittelbaren Vorgängern bekannt wartet der Shooter allerdings nicht nur mit einer schier unendlichen Masse an prozedural-generierten Waffen auf, sondern überzeugt viel bedeutsamer mit seinen humoristischen Charme, unkonventionellen, skurrilen Kombinationsmöglichkeiten. Darunter werten die optionalen Feuermodi, die unter anderem den Elementarschaden einer Waffen ad hoc ersetzen können, den Detailgrad enorm auf. Von simplen Strukturen wie Shotguns mit Sniper-ähnlichen Zoomoptionen bis hin zu sprechenden Knarren, selbstlaufende Schießeisen samt dazugehöriger Extremitäten oder aufstellbaren Geschütztürme – Jedes mal aufs Neue sorgen leuchtende Loothaufen für frischen motivationalen Antrieb, die teils recht gleichförmigen Massenschlachten zu frequentieren. Verknüpft mit dem überaus akkuraten Gunplay und den neuen dynamischeren Steuerungselementen wie das Sliden oder das automatische Ergreifen von digitalen Vorsprüngen qualifiziert sich Borderlands 3 zum agilen Abenteuer im lebhaften Comic-Look.

„Über Sanctuary 2 reden wir nicht!

Als Hub-World, von der aus ihr die differenten Missionen ansteuert, dient hier das recht verwinkelte Raumschiff Sanctuary III. Quests selbst warten vor allem mit abwechslungsreichen Umgebungenstrukturen auf, was das Potenzial hinter dem Poly-Planeten-System überaus erfolgreich ausschöpft. Innerhalb der einzelnen Level wiederum hat Gearbox zahlreiche minimalere aber nicht weniger zweckdienliche Komfort-Features integriert. Unter anderem mit dabei eine 3D-Kartenansicht, überschaubare Schnellreisepunkte sowie die Möglichkeit Fahrzeuge individuell anzupassen. Die Quests in Borderlands 3 schwächeln hingegen genau an dem Punkt an dem auch schon seine Vorgänger Unvermögen bewiesen haben: Die Rede ist von der recht zurückgetretenen KI. Statt auf Klasse setzt Gearbox hier wie gewohnt auf Masse. Und so dürft ihr euch vor allem in den Hauptquests zahlreichen, relativ gleichförmigen Kampfhandlungen entgegenstellen. Viele eurer Kontrahenten verbleiben zunächst anspruchsloses Kanonenfutter, das dennoch mit einem recht großen Variantenreichtum aufwarten. Neben den allseits bekannten Skags, richtete ihr euch so gegen Psychos in jeglicher Statur, krabbelnde Kriechtiere, fliegende Insekten oder mechanische Androiden. Was die Hauptquests durch ihren Abwechslungsreichtum innerhalb der Missionstrukturen an Potenzial verschenken, fangen die sehr gelungenen Nebenmissionen wieder auf. Diese liefern euch nicht nur originelle Missionsabläufe samt humoristischer Einschläge sondern ebenfalls ein teils recht tiefsinniges, nostalgisches Narrativ, dass vor allem bei aufmerksamen Spielern der Erstlinge zum tragen kommt. Wirklich brillieren kann Gearbox zunehmend in den aufwendigen, zumal fordernden Boss-Kämpfen, die vor allem mit kreativen Gedankengängen punktiert Highlights innerhalb des Abenteuers positionieren. Auf diese Weise führen wir beispielsweise gegen Mouthpiece einen lebhaften Kampf zuwider der beatlastigen Musik, die durch die überdimensionalen Lautsprecher auf dem bunt erleuchtenden Spielfeld dröhnt. Im Takt der basslastigen Klänge seit ihr dazu gezwungen gezielt um die Boxen herumzuschlawenzeln, während diese euch zusätzlich zu dem regen Gegenraufkommen mit Schadenspunkten beriseln. Das Ganze macht nicht nur optisch einiges her, sondern schafft es auch spielerisch rundum erfrischende Impulse zu setzen, die entlohnend für die halbwegs eindimensionalen, vorherige Etappe dient.

Bunt, Bunter, Endgame

An den Endgame-Inhalten hat man innerhalb der letzten Jahre ebenfalls beträchtlich geschraubt. Wer die Kampagne zu einem Abschuss gebracht hat, darf sich neben den zahlreichen Nebenmissionen ebenfalls noch diversen, alternativen Herausforderungen stellen. Zusätzlich zur New Game Plus-Option und der fordernden Horde-Alternative ‚Ring des Gemetzels‘ könnt ihr mit den drei Chaos-Modi den Schwierigkeitsgrad und damit einhergehend die Qualität euer Beute potenzieren. Zudem dürft ihr nach Beendigung der Kampagne auf den Wächterrang zugreifen. Dieser ersetzt das Badass-Skilsystem des Vorgängers und gewährt euch somit die Möglichkeit auch weit nach Erreichen des Levelcaps euren Charakter zu individualisieren.

Optisch macht Borderlands 3 eine makellose Figur und glänzt mitsamt seinem prägnanten und liebevollen Cell-Shading-Look, der der Reihe ihre unvermittelte Zeitlosigkeit verdankt. Der größte Wermutstropfen verbleibt allerdings die technische Grundlage des Loot-Shooters. Framerateinbrüche, aufploppende Texturen sowie ungewollt herumschwebende Gegenstände sind da nur das geringste Übel. In meinem Testdurchlauf zwang das Spiel überdies Microsofts leistungsfähigere Heimkonsole, die Xbox One X, zweimal zu einem vollständigen Absturz. Gearbox gab zuletzt bereits bekannt die Performance-Probleme kurzfristig beheben zu wollen.

Fazit

Borderlands 3 ist in der Lage die Alleinstellungsmerkmale der Vorgänger gekonnt zu potenzieren, ohne den charakteristischen Fokus auf das motivierende, kooperative Gameplay einbüßen zu müssen. Zahlreiche minimale Modifizierungen innerhalb der variantenreichen Maps, die ausgeprägten Individualisierungsoptionen innerhalb der Skill-Trees, sowie die originellen Bosskämpfe, schaffen es Gearbox's Erfolgsreihe den Platz auf dem Genrethron wie selbstverständlich zu sichern. Trotz der recht gleichförmigen Hauptmissionen, den generischen Antagonisten und seiner technischen Defizite, überwindet der Koop-Shooter die motivationale Hürde nicht zuletzt wegen seines verbesserten Loot-Aufgebots und des ausgereiften Endgame-Konzepts. Mit Borderlands 3 humoristischen Charme, inklusive seines liebevollen Cell-Sading-Grafikstils, steht uns hier nicht minder ein zeitloses Koop-Abenteuer bevor, dass unser Freizeitbeschäftigungen vorerst wohl etwas auf den Kopf stellen dürfte.

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Borderlands 3 ist in der Lage die Alleinstellungsmerkmale der Vorgänger gekonnt zu potenzieren, ohne den charakteristischen Fokus auf das motivierende, kooperative Gameplay einbüßen zu müssen. Zahlreiche minimale Modifizierungen innerhalb der variantenreichen Maps, die ausgeprägten Individualisierungsoptionen innerhalb der Skill-Trees, sowie die originellen Bosskämpfe, schaffen es Gearbox's Erfolgsreihe den Platz auf dem Genrethron wie selbstverständlich zu sichern. Trotz der recht gleichförmigen Hauptmissionen, den generischen Antagonisten und seiner technischen Defizite, überwindet der Koop-Shooter die motivationale Hürde nicht zuletzt wegen seines verbesserten Loot-Aufgebots und des ausgereiften Endgame-Konzepts. Mit Borderlands 3 humoristischen Charme, inklusive seines liebevollen Cell-Sading-Grafikstils, steht uns hier nicht minder ein zeitloses Koop-Abenteuer bevor, dass unser Freizeitbeschäftigungen vorerst wohl etwas auf den Kopf stellen dürfte. Test: Borderlands 3