Es gibt kaum eine Videospielreihe, die sich so oft versucht hat neu zu entdecken, wie Alone in the Dark. Das Adventure erfreute sich Anfang der 90er mit Teil 1 – 3 noch großer Beliebtheit, trotz das sich die Spiele schon damals in vielen Dingen grundsätzlich unterschieden. Bergab ging es mit allem, was danach kam. Egal ob The New Nightmare, der Reboot von 2008 oder Illumination. Es ging in der öffentlichen Wahrnehmung nie über ein durchschnittliches Spiel hinaus. Auch wenn das Franchise schon lange keinen erfolgreichen Vertreter mehr hatte, gibt es nun das Comeback. THQ Nordic schickt einen erneuten Reboot in den Ring, der sich im letzten Jahr um eine gleichzeitige Veröffentlichung mit Alan Wake 2 mogelte. Doch kann AitD gegen das Remedy Meisterwerk ankommen? Oder ist der Vergleich vielleicht komplett unangebracht?
Aus zwei Perspektiven
Edward Carnby (gespielt von David Harbour) begleitet als Privatdetektiv Emily Hartwood (gespielt von Jodie Comer) auf dem Weg nach Derceto Manor. Emily Hartwood möchte nämlich ihren vermissten Onkel Jeremy finden, der in der Nervenheilanstalt Derceto Manor lebt und behandelt wird. Doch nicht nur Jeremy, sondern ihr ganzer Stammbaum ist durchzogen von einem paranormalen Phänomen. Denn es zieht sich wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte, dass die Familienmitglieder nach und nach ihren Verstand verlieren und von einem Schattenmann reden. Dem gilt es nachzugehen. Dazu kann man zwischen Emiliy und Edward als spielbare Charaktere wählen. Das äußert sich auch in einer unterschiedlichen Entwicklung des Spiels in Form von ein paar verschiedener spielbarer Bereiche, als auch verschiedener Dialoge.
Das ist auch wichtig, denn Emily hat grundsätzlich ein anderes Verhältnis zu den Figuren und zur Geschichte als Edward, der als außenstehende Person herantritt und sich eher einen guten Lohn dazu verdienen will. Die Geschichte von Alone in the Dark erzählt sich dabei in einem schönen Tempo und schafft es mich in die Welt einzusaugen. Das liegt zum einen am Setting der 1920er Jahre, aber auch wie es sich durchweg inszeniert. Schöne Zwischensequenzen wechseln sich mit environmental Story ab, durch welches ich dank zahlreicher Aufzeichnungen weitere Informationen zu Figuren, Hintergründen und Gegebenheiten in der sonderbaren Klinik erfahre. Schön ist auch die automatische Vertonung der Schriftstücke. Die ist in den Momenten auch gelungen – was die Vertonung der Charaktere angeht, reicht die Qualität der deutschen Sprecher*innen von mäßig bis ganz gut. Einziger Kritikpunkt ist höchstens die fehlende Charakterdynamik insbesondere der Hauptfiguren. Edward und Emily begegnen sich im Spiel nur selten und auch die Szenen in denen man auf die skurrilen Nebenfiguren trifft, kommen ein wenig kurz. Denn davon würde ich aufgrund der interessanten Charakterzeichnung gerne mehr sehen.
Die Schattenwelt
Ein Grund, warum ich die Geschichte ebenfalls mag, ist wie sie mich nach und nach in eine paranormale Dimension führt. Denn das Anwesen Derceto Manor ist nicht nur einfach ein Ort mit sonderbaren Leuten, sondern auch ein Ort an dem Realität und Zerrwelt innerhalb von Jeremys Gedanken verschwimmen. So kann sich die Spielwelt von einem zum anderen Moment verändern, warnt mich nicht vor und sorgte so immer wieder für Überraschungen, die sich gut in das Storytelling verweben. Die detaillierten Räume und Umgebungen, zusammen mit der stimmigen Soundkulisse, sorgen im Rahmen des von Lovecraft inspirierten Settings für eine sehr dichte Atmosphäre, welche mich dazu hinreißen lässt zu sagen: So unheimlich hier alles ist, ich bin gerne in der Welt von Alone in the Dark. Richtiges Grusel-Flair kommt dabei selten auf, lediglich einige wenige, aber gut gesetzte Jump Scares können schocken. Gerne hätte ich mehr von dem psychodelischen Horror erlebt, der in der Story und der Welt steckt.
Neben dem narrativen Fokus des stimmigen Reboots darf ein Aspekt nicht fehlen: Das Puzzlen! Das Adventure gibt mir sowohl kleinere, als auch größere und räumlich übergreifende Rätsel an die Hand, die von sehr einfach, bis hin zu etwas knobelig reichen, mir aber stets viel Spaß bereiten. Manche verfolgen einem bestimmten roten Faden, andere wissen aber auch zu überraschen. Im Gesamtkontext schafft es Alone in the Dark mit dieser Mischung aus Atmosphäre, Geschichte, Puzzlen und dem Entdecken des verwinkelten Anwesens eine große Stärke zu entwickeln, welche mich durchaus positiv überrascht hat und für mich ein grundlegender Eckpfeiler einer hoffentlich zukunftsweisenden Neuausrichtung für die Marke sein kann.
Der Kampf wird zum K(r)ampf
Doch leider gibt es einen weiteren zentralen Aspekt des Spiels, der so gar nicht funktioniert. Ausschließlich in der dunklen Schattenwelt tauchen nämlich Monster auf. Zunächst einmal hält sich die Variation derer hier sehr in Grenzen, zum anderen avancieren die Kämpfe zur Geduldsprobe. Zur Bekämpfung stehen Pistole, später auch Schrotgewehr und Maschinengewehr zur Verfügung. Immer wieder lassen sich Nahkampfwaffen finden, die aber nach einigen Schlägen zerbrechen. Doch eins hat alles gemeinsam: Es spielt sich furchtbar schwammig. Egal ob es das Schwingen von Schaufeln oder Hackebeilen ist, oder gar das Abfeuern von Schusswaffen. Jede Aktion fühlt sich irgendwie ungenau, irgendwie behäbig und irgendwie unbefriedigend an, was auch an dem miesen Trefferfeedback liegt.
Auch das teils hölzerne Movement in den Kämpfen stört, doch noch viel schlimmer ist die Kameraführung. Zu oft positioniert sich die Kamera nämlich sehr ungünstig und nah an meine Figur, sodass ich nur die Hälfte im Blick habe und nicht selten in einer Zwickmühle zwischen zwei Gegnern lande. Nervig. Da hilft auch das Ausweichmanöver nicht immer. In der Umgebung sind außerdem Wurfgegenstände verteilt, die ich aber nicht einsammeln kann. Stattdessen halte ich auf dem Controller mit gedrückter Schultertaste diesen Gegenstand fest und muss dann den Gegner anvisieren und den richtigen Lock On Spot finden. Das ist nicht nur umständlich, sondern kann einen nach Zielerfassung auch mal für einen schnellen Wechsel in den Rage-Mode führen.
Da steckt dennoch Hingabe drin!
Nicht immer muss ich mich aber mit Waffen in den Kampf stürzen. Hin und wieder gibt mir das Spiel auf linearen Pfaden zu verstehen, dass ich auch um sie herumschleichen kann. Die Möglichkeiten sind hier allerdings enorm begrenzt und nicht selten offenbart sich hier, wie aber auch in den Kämpfen, die oftmals dümmliche KI der Gegner. Nee…Kämpfen ist nicht so wirklich die Stärke des Spiels. Es hat zum Glück keinen immensen Fokus darauf. Auch fehlen mir aber Möglichkeiten, dass sich meine Figur im Laufe der Zeit in seinen Fähigkeiten verbessern oder anpassen lässt. Im Grunde bleibt das Kampfsystem in seinen Möglichkeiten von Anfang bis Ende sehr ähnlich.
Das ist vor allem ärgerlich, weil das Spiel sonst nämlich so viele Dinge richtig macht. Getrennt einstellbare Sprache bei Text und Vertonung? Check! Einstellbare Hilfestellungen in Bezug auf Hinweisen in der Spielwelt? Auch dabei! Einen Wiederspielwert dank der zwei Figuren und des New Game + Modus? Drin! Es sind nur einige Beweise dafür: Hier haben sich Leute wirklich Gedanken gemacht!