Das Erwachsenwerden ist ein Prozess voller Emotionen, Ängste, Sorgen und Träume. Zwar wurde das Thema auch schon auf vielfältige Weise in Filmen und Videospielen aufgegriffen, doch wahrscheinlich keines davon ist wie Goodbye Volcano High. Diese Visual Novel nahm mich mit auf eine Reise voller Höhen und Tiefen und ließ mich am Ende begeistert, als auch etwas traurig zurück, angesichts dessen, was das Spiel emotional stellenweise zu bieten hat. Ich versuche, ohne Spoiler, zu erklären, warum Goodbye Volcano High ein kleines Highlight des Jahres ist.
Ich bin in einer Band!
Zunächst der Wikipedia-Klappentext. In der Welt des Spiels leben keine Menschen, sondern Dinosaurier. Doch der Lebensstil und die Gesellschaft ist ein Spiegelbild aus “Menschen-Zeitalter”. Fang ist die Hauptfigur des Titels und befindet sich in ihren letzten Wochen auf der High School von Volcano High. Für die hegt sie allerdings wenig Interesse, ihre Leidenschaft gilt der Musik. Diese praktiziert sie mit ihrer Band “Worm Drama”, zu welcher ihre Freunde Trish und Reed gehören. Während Reed ein eher ruhiger Geselle ist und im Inneren auch ein kleiner Nerd ist, gibt sich Trish sehr extrovertiert, beinahe auch etwas kindlich und auch mit einer gewissen Hingabe für Krabbeltiere. Die Truppe könnte kaum unterschiedlicher sein und beschäftigt sich parallel auch mit dem Thema, was nach der High School mal ist. Für Fang ist das klar. Sie will Musik machen.
Reed hingegen weiß nicht so wirklich, was er mal machen will. Vielleicht als Autor arbeiten? Oder in der Spieleentwicklung arbeiten? Keine Ahnung. Auch Trish ist hin und her gerissen. Das führt auch zu Konflikten, da Fang eine deutlich größere Ambition zur Band hat als die anderen. Dahingegen fühlt Fang nie die Zuneigung von Ihren Eltern so, wie es bei ihrem Bruder der Fall ist. Sie scheinen sich eher eine andere Zukunft für Fang vorzustellen und sehen in der Musik keine Perspektive. Perspektive, Träume und Ideen über die Gestaltung der eigenen Zukunft, sind etwas, was sich durch das ganze Spiel zieht und gewissermaßen auch durchaus Parallelen zu meinem eigenen Leben aufzeigte, wodurch man sich insgeheim sehr verbunden mit den Figuren fühlt.
Selbstbestimmung
Die Band ist aber nicht nur ein Element in der Geschichte, sondern hat eine größere Bedeutung. So gibt es immer wieder Segmente in Goodbye Volcano High, in denen man auch Songs performed. Hierzu muss man mit dem linken Stick “Bubbles” im richtigen platzen lassen, als auch vier verschiedene Buttons je nach Situation im richtigen Moment und im Takt drücken. Das ist anfangs noch sehr überschaubar, später aber durchaus fordernd. Aufgrund der guten Abstimmung auf die Musik, machen diese Passagen aber wirklich Laune und bieten eine sehr schöne Abwechslung. Das Ganze hat auch einen höheren Sinn. Denn die Truppe strebt ein besonderes Ziel an: Battle of the Bands. Der Wettbewerb wäre die große Chance einen Durchbruch zu erzielen und eine Karriere zu starten. Nur die Prioritäten liegen halt…manchmal woanders.
Das kann zu Diskussionen, Streit und Frust führen, oder man schluckt es einfach. Hierfür liest man sich nicht nur durch die Dialoge, sondern wählt auch regelmäßig zwischen verschiedenen Optionen. Das sind selten “gut oder böse”-Antworten, sondern auch gerne mal einfach grau. Diese haben aber durchaus einschneidende Auswirkungen. Manche verunsichern Fang oder ihre Gegenüber, manche machen Mut, andere hinterlassen Trauer, manche Antworten offenbaren Infos, andere dagegen präsentieren sich verschwiegen. Die Auswahl wirkte fast immer vielseitig und natürlich in Bezug auf die Dialoge und bot mir eine deutlich bessere Nachvollziehbarkeit. Hier ist Goodbye Volcano High deutlich weiter als sogar viele Rollenspiele.
Wie vor 65 Mio. Jahren
Neben familiären Problemen, Freundschaft und Liebe, gibt es aber ein Thema, welches über allem schwebt, im wahrsten Sinne des Wortes. Über Pangea (ja, so wird der Kontinent tatsächlich genannt) wurde ein Asteroid gesichtet, der auf den Planeten zu rasen scheint. Die offensichtliche Anspielung an das womöglich reale Ende der Dinosaurier gibt sich anfangs noch als grobe Ungewissheit, später aber als zunehmend reale Gefahr. Das äußert sich in einer schier kollektiven Depression, Angst und Unsicherheit über die Zukunft. Ehrlich gesagt hätte ich ein anarchistisches Szenario erwartet und keines, in der sich die Dino-Bevölkerung seinem Schicksal zu ergeben scheint.
Das ist Auslegungssache, doch die Art und Weise wie und warum sie dieses Szenario fokussieren, gefällt mir durchaus. Nicht nur ist es einfach Teil der Geschichte. Auch in den Dialogen ergeben sich Möglichkeiten. Ermutige ich andere, indem ich das Thema runter spiele? Breche ich eher in Panik aus und verunsichere ich mich und meine Freunde? Oder nehme ich es mit Humor? Das mag bei manchen gut ankommen, aber nicht bei allen. Denn wie gesagt, es gibt nicht immer ein schwarz und weiß. So ist Goodbye Volcano High ein Spiel, welches sehr gekonnt mehrere Lebenssituationen nimmt, die per se unterschiedlich sind, diese aber sehr gekonnt in sich erzählt und auch clever zusammenführt.
Goodbye Volcano High weiß sich gekonnt zu erzählen
Das liegt vor allem am tollen Writing der Geschichte. Es gab zwar seltene Momente, in denen sich eine bestimmte Szene ein wenig in die Länge zog, doch die große Mehrheit besitzt einen hervorragenden Aufbau in seiner Erzählweise, baut einen abgestimmten Spannungsbogen auf und besticht durch nahbare Dialoge und vor allem eine exzellente Sprachausgabe. Die Vertonung ist ausschließlich auf Englisch, fühlt sich allerdings überraschend natürlich an. Die Sprecher*innen haben hier eine wirklich hervorragende Performance hingelegt und tragen damit sehr zu der tollen Atmosphäre im Spiel bei, die sich so facettenreich präsentiert. Das liegt nämlich auch an der Art und Weise, wie Goodbye Volcano High aussieht. Der gezeichnete Stil hat definitiv ein Alleinstellungsmerkmal, zeigt sich bunt und verspielt, aber lässt dank der Animationen dennoch alle Variablen an Gefühlen zu. Zugegeben, der Stil ist sicherlich für manche gewöhnungsbedürftig. Ich war jedoch wirklich begeistert. Ein weiteres Highlight waren zudem die L&L-Sessions.
Was ist das, fragt ihr euch. Dabei handelt es sich schlichtweg um Dungeon & Dragons, nur mit einem anderen Namen. So treffen sich die Freunde manchmal abends, um eben L&L zu spielen. Auch unsere Hauptfigur Fang nimmt daran teil und schlüpft in eine Fantasy-Figur. Auch das ist so herrlich abwechslungsreich, weil man tatsächlich eine sehr schöne D&D Story nachspielt, wenn auch auf sehr simplifizierte Art und Weise. Aber immerhin muss man hier und da auch mal auf Initiative oder Angriff würfeln und Entscheidungen für den Ausgang der Story treffen. Nicht nur ist diese Geschichte in der Geschichte schön erzählt und gegen Ende emotional, auch sind die Dialoge abseits der Story (die halt an einem D&D-Abend tatsächlich so nebenher geführt werden) Teil dieser Segmente und wirken so unheimlich sympathisch und authentisch. Eine wirklich gelungene Auflockerung, welche sich so ehrlich in die Geschichte einfügt.
Abseits dessen gibt es im Menü noch einige Erinnerungen, die sich je nach gewählter Option freischalten lassen und einen Rückblick zu einem im Spiel nicht näher definierten Punkt liefern. Darin macht man nochmal einen etwas kurzen Ausflug in die Vergangenheit. Außerdem gibt es einen Social Media Feed. Fang ist nämlich viel am Smartphone. Sehr viel sogar. Leider lassen sich die Posts nur lesen und nicht etwas kommentieren. Das nimmt dem Ganzen etwas die Relevanz, sodass ich den Feed auch wieder schnell vergessen habe, auch wenn die Posts manchmal doch irgendwie ganz amüsant sind. Nach ca. 6 Stunden ist das Abenteuer dann abgeschlossen. Eine gute Länge wie ich finde. Durch die Intensität, die Verbundenheit zu den Figuren und die verschiedenen Themen, hatte ich das Gefühl, dass sich Goodbye Volcano High doch sehr vollkommen angefühlt hat und sich gut auserzählt.