Als Ninja Gaiden Anfang der 2000er den revolutionären Sprung von 2D auf 3D wagte, definierte die Serie das Actiongenre neu. Schnell, kompromisslos und ikonisch. Ryu Hayabusa wurde zum Inbegriff des modernen Videospiel-Ninja. Doch nach dem umstrittenen Ninja Gaiden 3 wurde es lange still um die Reihe. Jetzt, über zwölf Jahre später, kehrt sie zurück . Und das gepublished von Xbox, die eine lange Historie mit der Reihe verbindet und entwickelt unter der Führung von Team Ninja und PlatinumGames, den Meistern des stylischen Spektakels im Action-Genre. Ob sie das Erbe des Drachenclans würdig fortsetzen können, erklären wir in diesem Test.
Wie ein Ninja!
Bevor wir in das nicht enden wollende Action-Feuerwerk eintauchen – und Spoiler: Ninja Gaiden 4 ist genau das – ein paar Worte zur Geschichte: Das Spiel setzt nach den Ereignissen von Ninja Gaiden 3 an und entführt uns in ein nahes Zukunfts-Tokio, das durch die Rückkehr des Dunklen Drachen ins Chaos gestürzt wurde. Unter dem Einfluss der Unterwelt präsentiert sich die Stadt in einer düsteren, regenverhangenen Cyberpunk-Ästhetik. Anders als in den vorherigen Teilen übernimmt man zum Anfang des Spiels nicht die Kontrolle über Serienheld Ryu Hayabusa, sondern schlüpft in die Rolle des neuen Ninjas Yakumo, der mit einem eigenen, dynamischen Moveset ausgestattet ist und den dunklen Dämonen ordentlich einheizt.

Yakumos Kampfstil unterscheidet sich deutlich vom ikonischen Moveset Ryus. Wie in den anderen Serienteilen kann man zwischen verschiedenen Waffen wechseln, die jeweils eigene Spezialangriffe bieten. Seine besondere Fähigkeit ist die Bloodraven-Form, mit der er für begrenzte Zeit – aufbrauchbar durch eine aufladbare Leiste – deutlich stärkeren Schaden verursacht. Das Wechseln zwischen den Waffen geht dabei spürbar flüssiger von der Hand und scheint fest in den Spielfluss integriert zu sein, als es das noch bei den anderen Teilen der Reihe war. Während einer Combo kann man nahezu endlos zwischen den Waffen wechseln, ohne die Angriffskette zu unterbrechen. Zumindest, bis die Gegner am Boden liegen oder… das, was von ihnen übrig geblieben ist.
Geschmeidiges Gameplay und scharfe Klingen
Wie sich das neue Moveset anfühlt? Absolut fantastisch. Ninja Gaiden 4 macht von der ersten Sekunde an klar: „Ich bin ein 3D-Ninja-Gaiden und ich weiß genau, was die Fans von mir erwarten.“ Das Gameplay wirkt unglaublich flüssig, fast wie aus einem Guss. Es ist ungemein befriedigend, das Moveset stetig zu erweitern und immer spektakulärere, völlig übertriebene Action-Combos aneinanderzureihen. Auch nach mehreren Stunden war ich immer wieder beeindruckt, welche Kombinationen dieses Kampfsystem ermöglicht. Auch das Blocken und Ausweichen fühlen sich jederzeit präzise und fair an. Perfekte Ausweichmanöver werden mit einem kurzen Zeitlupeneffekt belohnt, perfekte Blocks mit einem mächtigen Konter. Man darf wirklich nicht unterschätzen, wie stark der Einfluss von PlatinumGames auf dieses Kampfsystem spürbar ist, ohne dass dabei das Vermächtnis der Reihe verloren geht. Ninja Gaiden 4 präsentiert sich hier in absoluter Bestform und ist rein vom Kampfsystem das vermutlich beste Spiel der Reihe.

Auch der legendäre Ninja Ryu Hayabusa ist in Ninja Gaiden 4 wieder länger spielbar und fühlt sich dabei so vertraut an wie nie zuvor. Und zugleich besser denn je. Schon nach wenigen Minuten war ich komplett drin und hatte Ryus Moveset sofort wieder im Blut. Zugegeben, ich habe erst in diesem Jahr das Remake von Ninja Gaiden 2 gespielt, aber sowohl langjährige Fans als auch Neueinsteiger werden die Abwechslung zwischen den unterschiedlichen Kampfstilen von Yakumo und Ryu zu schätzen wissen, weil sich beide auf ihre Art einzigartig spielen.
Vertraut ist nicht immer gut
Eine weitere Sache, die Ninja Gaiden 4 zu einem echten 3D-Ninja-Gaiden macht, sind die schlauchigen Level, die mit einer Fülle von Gegnern, Schätzen, leichten Abzweigungen und weiteren optionalen Inhalten gefüllt sind. Dazu kommt noch jede Menge Platforming-Action, die meist in einem Bosskampf gipfelt, der von der Inszenierung jede Vorstellungskraft übertrifft. Tatsächlich ist die Levelstruktur sowohl Stärke als auch Schwäche zugleich. Einerseits macht das ständige Bekämpfen großer Gegnerhorden unglaublich viel Spaß und wird so schnell nicht langweilig. Andererseits bleibt eine Chance ungenutzt, die Reihe spielerisch weiterzuentwickeln, denn wirkt die Levelgestaltung stellenweise sehr sicher und konservativ. Kurze Rail-Platforming-Elemente à la Sonic the Hedgehog zählen zu den wenigen Neuerungen, sind aber weder bahnbrechend noch besonders divers gestaltet. Die Monotonie fällt anfangs kaum auf, doch spätestens nach drei Kapiteln in einem steril weißen Labor mit immer gleichen Gegnergruppen und Gegnertypen wirkt das ständige Drücken von X, Y und besonders RT/R2 zunehmend ermüdend.
Komisch wird es besonders im letzten Drittel des Spiels, in welchem die ersten drei Bereiche und ihre dazugehörigen Bosse einfach recycelt werden, diesmal aber mit Ryu statt Yakumo spielbar sind. Auch wenn diese Abschnitte nun etwas kürzer sind und sich Ryu definitiv anders spielt, kann ich diese Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen, weil man nach dem Durchspielen sowieso jedes Kapitel sowohl mit Yakumo als auch mit Ryu spielen kann.

Am Ende dieser Level wird man fast immer mit den zuvor erwähnten und absolut fantastischen Bossen belohnt, die sowohl in ihrer Kreativität als auch in ihrem Stil herausragend und vor allem enorm unterhaltsam sind. Gerade bei diesen Bosskämpfen merkt man den stärksten Einfluss von PlatinumGames. Viele Designs erinnern stark an Bayonetta, die Angriffsmuster wirken teils wie aus Nier: Automata und man spürt an einigen Stellen sogar minimale Einflüsse von Vanquish oder Anarchy Reigns. Mir fallen sofort mehrere besonders denkwürdige Bossmomente ein, aber hier zu viel zu verraten, würde den Überraschungseffekt verderben. Nur so viel: Sie gehören zu den besten Bossen im gesamten Action-Genre.

Blutig, brutal und bockschwer
Eine Eigenschaft, für die Ninja Gaiden schon immer berühmt und berüchtigt war, trifft auch hier wieder hart zu: Ninja Gaiden 4 kann brutal schwer sein. Gleichzeitig ist es aber umso befriedigender, wenn man einen herausfordernden Abschnitt und auch das Kampfsystem erst einmal gemeistert hat. Ein unachtsamer Moment oder eine misslungene Combo und man beißt schneller in den Bordstein von Neon-Tokyo, als man schauen kann. Wem das zu frustrierend ist, kann jedoch beruhigt sein: Ninja Gaiden 4 bietet neben einigen Zugänglichkeitsoptionen auch einen anpassbaren Schwierigkeitsgrad, verschiedene Hilfsitems und einen gelungenen Trainingsmodus zum Üben. Dadurch ist der vierte Teil der Reihe grundsätzlich für die meisten ohne Weiteres spielbar und kann selbst nach frustrierenden Momenten schnell wieder Spaß machen.
Und apropos brutal: Ninja Gaiden hat eine lange Geschichte von Schnittfassungen und Nicht-Erscheinungen in Deutschland. Umso erfreulicher ist es, dass Ninja Gaiden 4 unzensiert und frei verfügbar hierzulande erscheint und dabei in puncto Gewalt keineswegs hinter seinen Vorgängern zurückbleibt. Das Enthaupten eines Gegners oder das Zerteilen mit dem Katana wirkt in für das Genre in der heutigen Zeit fast schon banal, doch die Vielzahl an Verstümmelungen und spektakulären Finishern hat mich immer wieder überrascht und geschockt zurückgelassen und zeigt, dass der Kreativität offensichtlich keine Grenzen gesetzt sind. Stilistisch, brutal und dabei kreativ. Genau das, wofür Ninja Gaiden schon immer stand, gelingt auch Ninja Gaiden 4.

Da geht mehr!
Inszenatorisch überzeugt Ninja Gaiden 4 auf ganzer Linie. Vom futuristischem Tokio über dichte Wälder bis hin zu Tempelanlagen und actiongeladenen Kämpfen auf Hochhäusern. Die Schauplätze sind visuell beeindruckend und rufen gleichzeitig nostalgische Erinnerungen an die originale Ninja-Gaiden-Trilogie wach. Charakter- und Gegnerdesigns fügen sich nahtlos in die Spielwelt ein, während einige Bosse mit ihrem Stil eher an Titel von PlatinumGames erinnern, aber dennoch perfekt ins Gesamtkonzept passen. Neben Ryu Hayabusa taucht ein anderer bekannter Charakter auf, wobei die… vertrauten Kurven… der Vorgänger mal mehr, mal weniger subtil erhalten bleiben.
Gleichzeitig kam ich bei vielen Actionszenen nicht umhin, an das zu denken, was Platinum mit der Bayonetta-Trilogie geschafft hat, in der gefühlt alle zwei Sekunden etwas explodiert, ein neues Spielelement eingeführt wird oder eine kreative und wirklich unvorhergesehene Überraschung passiert. Hier bleibt Platinum meiner Meinung nach hinter dem eigenen Potenzial zurück, auch wenn Ninja Gaiden 4 keineswegs frei von spektakulären und erinnerungswürdigen Momenten ist. Für eine Reihe, die von Natur aus so over the top ist und ein Entwicklerstudio, das genau diese Übertreibung als Markenzeichen hat, wäre hier meiner Meinung nach aber deutlich mehr drin gewesen.

Abgerundet wird dieses Action-Spektakel von einem mitreißenden, dynamischen Soundtrack, der perfekt auf die jeweiligen Umgebungen abgestimmt ist und im Kampf motiviert, das Maximum aus den eigenen Combo rauszuholen. Auch technisch macht Ninja Gaiden 4 eine hervorragende Figur und lief auf meinem PC mit einer RTX 4080 durchgängig flüssig und ohne irgendwelche Probleme. Auch Bugs oder sonstige Glitches konnte ich nicht feststellen. Sehr schön!
Willkommen zurück, Ninja Gaiden
Abschließend lässt sich sagen, dass Ninja Gaiden 4 den Namen Ninja Gaiden mehr als verdient trägt und sowohl Team Ninja als auch PlatinumGames an die herausragenden Teile der Reihe, insbesondere Ninja Gaiden und Ninja Gaiden 2, anknüpfen können. Die Geschichte ist herrlich verrückt, das Kampfsystem schnell, brutal, ungemein befriedigend – im Hack-and-Slash-Genre nahezu unerreicht – und kleine neue Ideen, allen voran Yakumo als frischer Hauptcharakter, bringen neue Impulse in die Serie. Lediglich inszenatorisch bleibt Platinum Games stellenweise hinter meinen Erwartungen und der Spielhistorie des Studios zurück. Gleichzeitig wirken die schlauchigen Level und das vergleichsweise simple Leveldesign an ein bis zwei Stellen etwas langatmig. Insbesondere im letzten Drittel, in welchem sich ganze Level einfach wiederholen. Das Rad muss bei einer funktionierenden Reihe nicht neu erfunden werden, doch ein etwas kreativeres Leveldesign hätte man 2025 schon erwarten können.Die knapp 10-stündige Kampagne überzeugt dennoch durch ihren hervorragenden Spielfluss.

Ninja Gaiden 4 ein vollwertiger Teil der Reihe und ein fantastisches Actionspiel für Fans und Neueinsteiger, das lange in Erinnerung bleiben wird. Besonders im Hinblick auf die kürzliche Nachricht vom Tod des visionären Game Directors Tomonobu Itagaki, der die Reihe einst von 2D in die Dreidimensionalität führte, freut es umso mehr zu sehen, dass sein Erbe so würdig weitergeführt wird.
Artikelbilder: ©XBOX/Koei Tecmo Games