Mit 17 Hauptspielen, dutzenden Portierungen und über 25 Jahren auf dem Buckel zählt Bandai Namcos Tales-Reihe zu den größten JRPGs unserer Zeit. Passend zum bemerkenswerten Silber-Jubiläum steht uns mit Tales of Arise auch gleich ein neuer Serienteil ins Haus, der sich nicht nur eine Menge vorgenommen hat, sondern gleich an die Spitze klettern will. Ob das Anime-Abenteuer seinen Ambitionen gerecht wird und warum JRPG-Fans definitiv ein Auge auf das Mammut-Projekt werfen sollten, erfahrt ihr in unserem Test.
Anime lässt grüßen
Als Anthologieserie setzt Tales mit jedem neuen Serienteil auch gleichzeitig auf eine komplett neue Geschichte mit frischen Charakteren und unverbrauchtem Setting. Das macht die Reihe für Veteranen wie Neulinge gleichermaßen interessant, ohne groß Vorwissen vorauszusetzen. Dieses Mal dreht sich das Geschehen um die beiden Planeten Rena und Dahna, die seit nunmehr drei Jahrhunderten im Clinch liegen. Während die BewohnerInnen von Rena aufgrund ihres technologischen Fortschritts die Oberhand behalten, müssen DahnaerInnen Zeit ihres Lebens ein Dasein als Sklaven fristen und für die Obrigkeit wertvolle Astralenergie sammeln.
In dieser zerrütteten Gesellschaft erwacht auch unser Protagonist Alphen, der sich weder an seine genaue Herkunft erinnern noch seine mysteriösen Kräfte kontrollieren kann. Es kommt wie es kommen muss und unser Held trifft alsbald auf die mysteriöse Renarin Shionne, die ihre ganz eigenen Ziele zu verfolgen scheint. Gemeinsam tritt das Duo dem Widerstand bei und setzt alles daran sich ihren Unterdrückern zu entledigen. So oder so ähnlich könnte vermutlich auch der Inhalt von 80% der Abenteuer- und Shonen Manga lauten: Mutiger Held ohne Erinnerung trifft auf mysteriöse Schönheit, die im Laufe ihres Abenteuers immer mehr zusammenwachsen und am Ende eine große Verschwörung aufdecken. Zugegeben, so generisch und belanglos wie das zunächst anmuten mag ist das Storytelling von Tales of Arise nicht, dennoch lässt das JRPG gerade zu Beginn nur wenige der bekannten Anime-Klischees aus. Sei es das ausufernde Gelaber unserer Companions, das ständige Overacting, der stupide Humor oder – wie sollte es auch anders sein – die über alle Maßen sexualisierten Rüstungen unserer weiblichen Begleiterinnen. Überzogene Stereotype treffen auf eine überemotionale Dramaturgie – Anime-Fans werden sich ohne Frage rasch gut aufgehoben fühlen.
Aber dennoch: So harsch das im ersten Moment vielleicht auch klingen mag, hinter der kunterbunten Fassade verbirgt sich eine bewegende und durchaus fesselnde Geschichte, die nicht nur einige sympathische Figuren zu Tage fördert, sondern mitunter auch einige nette Twists bereithält. Großartigen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte könnt ihr unterdessen im Übrigen nicht nehmen. Es gibt weder folgenschwere Entscheidungen zu treffen, noch multiple Enden – die Erzählung verbleibt vollkommen linear.
Bloß kein Risiko!
Tales of Arise bleibt vor allem spielerisch seinen klassischen JRPG Wurzeln treu. Wir laufen mit einem Trupp von insgesamt sechs Reken durch teils schlauchige Areale, erkunden gefährliche Dungeons und metzeln Monster aller Art nieder. Für jeden erfolgreich abgeschlossenen Kampf kassieren wir wiederum Erfahrungspunkte, neue Fähigkeiten oder gar bessere Ausrüstung, mit der wir unseren Charakter weiter ausbauen können. So weit, so unspektakulär. Tales of Arise ist gerade im Hinblick auf sein Spiel- und Kampfesgeschehen wenig innovativ oder besonders experimentierfreudig. Vielmehr besinnt man sich auf die für das Genre bewährten Mechaniken und poliert diese bestmöglich auf.
Trotz seiner traditionellen Ausrichtung macht Tales of Arise aber weniges wirklich falsch. Natürlich hat man es gleichsam versäumt sich einiger bekannter Genre-Krankheiten zu entledigen, die Motivationskurve hält sich aber trotzdem konstant hoch. Sieht man einmal von der unübersichtlichen Kartenführung, den überladenen Menüs oder den wiederkehrenden Grinding-Phasen ab, kann vor allem das effektgewaltige Kampfsystem auftrumpfen. Mit einer Partie aus insgesamt acht charmanten Charakteren prügelt ihr euch in Echtzeitkämpfen mit allerlei verschiedenartiger Monster um die Wette. Neben einem Standardangriff stehen pro Figur dabei drei bis sechs sogenannte Artes zur Verfügung – Zauber, die ihr nach Belieben austauschen und auch aufleveln könnt. Das allein gestaltet das Kampfsystem schon ausgesprochen vielseitig, hinzukommen dann noch sogenannte Boost-Angriffe, die ihr über Standardgriffe aufladet und mit jedem Partiemitglied einzeln abfeuern könnt. Das Schlachtfeld wird so zum Effektgewitter Sondergleichen, das zwar hin und wieder etwas an Übersicht einbüßen muss, letztlich aber absolut befriedigend ausfällt.
Ganz allgemein zeigt sich das Gameplay durchdacht und vor allem tiefgründig. JRPG-Experten werden sicherlich rasch Gefallen an dem komplexen Kombosystem finden und sich in die verschiedenartigen Spielmechaniken jeder einzelnen Figur reinfinden wollen. Jeder eurer Verbündeten kann nämlich direkt von euch gesteuert werden, hat seine ganz eigenen Angriffstechniken, Waffen und Manöver. So kann Magierin Rinnwell beispielsweise Zauber aus der Ferne wirken, diese aufladen, abspeichern und so mit anderen Techniken sinnvoll kombinieren, Shionne hingegen ist eine klassische Fernkämpferin, die Bomben und allerlei nützliche Gadgets auf die Gegner fallen lässt. Selbst das Movement der Charaktere spielt sich signifikant anders: Während unser Protagonist Alphen ein klassischer Nahkämpfer ist und eine flinke Ausweichrolle nutzt, versteckt sich Kisara hinter ihrem großen Schild und ist weitaus unbeweglicher als ihr Counterpart.
Dreister DLC-Shop
Das Spielgeschehen wird nicht zuletzt dadurch herrlich vielseitig und abwechslungsreich. Dank zahlloser Feineinstellungen und Schwierigkeitsgrade bleibt das Rollenspiel aber auch für Anfänger zugänglich und beherrschbar. Bei satten 40 Stunden Spielzeit kann Tales of Arise zugleich mit einem beachtlichen Umfang glänzen. Abseits der Hauptstory gibt es zwar nur wenig zu entdecken, die Kampagne selbst bringt aber bei weitem genügend Abwechslung mit. Nebenquests sind im Vergleich zur Konkurrenz rar gesät, zumeist recht standardmäßig und selbst Backtracking ist immer mal wieder Thema.
Obwohl Bandai Namco mit Tales of Arise ein wirklich gutes Händchen bewiesen hat, was das Spielgefühl und die Ausrichtung des Titels anbelangt, lässt man an einer Stelle doch jegliches Fingerspitzengefühl vermissen: Das japanische Unternehmen hat dem JRPG nämlich eine mehr als fragwürdige Preispolitik aufgedrückt. Obwohl ihr den Titel zum Vollpreis kaufen müsst, habt ihr schon vom Start weg Zugriff auf einen Ingame-Shop mit massig DLCs, Items und inhaltlichen Erweiterungen für euer Abenteuer. Das Angebot umfasst dabei keineswegs nur kosmetische Items wie allerlei ausgefallene Skins, sondern auch Gegenstände, die massiven Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen. Ob Bonuswaffen, Gold, neue Fertigkeiten oder gar eine ganze Schar an Erfahrungspunkten – die Goodies greifen maßgeblich in euren Spielfortschritt ein und sind gerade zu Beginn viel zu wenig ausbalanciert. Natürlich werdet ihr nie dazu genötigt den DLC-Shop zu betreten oder gar zu nutzen, ein deutliches Geschmäckle bleibt aber dennoch zurück.
Malerische Landschaften, wo man auch hinschaut
Tales of Arise ist ohne Frage das bisher optisch anspruchsvollste Spiel der gesamten Reihe. Die malerischen Umgebungen kommen mit zahllosen verspielten Details daher, die verzweigten Welten laden zum Erkunden ein und die unterschiedlichen Terrains bieten auch über dutzende Spielstunden hinweg massig Abwechslung.
Einziger Wermutstropfen: Die Kulissen bleiben zumeist statisch und bieten wenig bis keine Interaktionsmöglichkeiten. Der Atmosphäre tut dies aber nur wenig Abbruch. Allem voran die pompöse Präsentation dürfte Anime-Fans nämlich im Gedächtnis bleiben: Die ohnehin schon schick dargestellten Cell-Shading-Sequenzen werden vermehrt durch Cutscenes im Animelook aufgelockert. Die sind nicht nur ein wahrer Augenschmaus, sondern stammen auch noch aus der Feder des renommierten Animationsstudios Ufotable. Dass die bereits massig Erfahrung mit Umsetzungen wie Demon Slayer sammeln konnten, zeigt sich nicht zuletzt in den umwerfenden und flüssigen Animationen.
Generell gelingt es Bandai Namco das Spielgeschehen inszenatorisch auf ein ganz neues Serienniveau zu hieven. So spielt man nur allzu gern mit Kameraeinstellungen, verschiedenartigen Winkeln und Perspektiven, während animierte Comic Panels die Dialoge im schicken Gewand wiedergeben. Weite Teile des Rollenspiels sind zudem voll synchronisiert, nur selten müssen wir im Rahmen von Nebenhandlungen Vorlieb mit stummen Dialogboxen nehmen. Die englische als auch japanische Sprachausgabe ist durchweg gelungen, große Patzer gibt es glücklicherweise keine. Eine deutsche Synchronisation gibt es im Übrigen nicht, SpielerInnen müssen sich einmal mehr mit den deutschen Bildschirmtexten zufrieden geben. So wunderschön und detailreich der Grafik-Stil auch erscheinen mag, einige Tücken beherbergt er dann doch. Häufig genug werden Umgebungsinformationen in Sichtweite nachgeladen, Texturen poppen unvermittelt auf oder einige Frames müssen nach ausladenden Zwischensequenzen weichen. All das nagt zwar nie groß an der allgemein gelungenen Präsentation, hinterlässt auf der leistungsstarken Xbox Series X aber einen faden Beigeschmack und zeigt uns erneut die Nachteile von Multiplattform-Releases auf der alten Konsolengeneration auf.
„Sei es das ausufernde Gelaber unserer Companions, das ständige Overacting, der stupide Humor“ macht nicht gerade das ein JRPG aus? Wüsste nicht was daran schlecht ist….
„die über alle Maßen sexualisierten Rüstungen unserer weiblichen Begleiterinnen“ absoluter Schwachsinn, ich habe alle Rüstungen inkl. DLC Outfits und keines davon ist auch nur annähernd „sexualisiert“. Die weiblichen Begleiterinnen haben weder überdimensionale Brüste (wie so oft in Animes) noch sind die Kleidungsstücke freizügig