Stanley Moray ist Profitaucher und arbeitet für UniTrench, dem größten Bohrunternehmen in einer fiktiven Welt, welche im Jahr 1979 angesiedelt ist. Sein nächster Arbeitsort ist eine Unterwasserstation in der Nordsee. Ein relativ untypisches Setting, welches durchaus eigenen Charakter hat. Doch das ist nicht der einzige Aspekt dieses kleinen Titels, welcher euch neugierig machen sollte. Under the Waves ist eine emotionale Breitseite.
Allein in den Weiten des Meeres
Stanley oder eher Stand, wie er lieber genannt wird, begibt sich einmal mehr auf eine weitere Unterwassermission. Doch es ist auch eine Flucht. Flucht vor der Realität, in der er erst kürzlich seine Tochter durch einen Unfall verloren hat. Nicht nur das, auch seine Ehe litt stark. So kommt es, dass ein von Kummer durchzogener Stan die Unterwasserwelt erkundet und dort seiner Arbeit nachgeht. Er ist zwar dabei vollkommen allein, doch immerhin hat er Funkkontakt zu Kollege und Freund Tim, der ihn quasi in alle Dinge auf seiner Mission instruiert. Diese unterscheidet sich nämlich etwas von bisherigen Tätigkeiten. Zunächst gelangt Stan zu einem Lebensmodul mitten am Meeresgrund, welches als Hub dient. Die moderne, futuristische und zugleich spartanische Behausung ist nun Stans Rückzugsort. Dort ist auch der sympathisch geschriebene Bordcomputer Mercury anzutreffen, mit dem Stan immer wieder einige lustige Dialoge führt. Leider nervt dort aber das starke Tearing. Es sind glücklicherweise die einzigen Grafikfehler im Spiel.
Ein Gefühl der Beklemmung
Das Leben unter Wasser fühlt sich nahbar an. Stan bekommt verschiedene Aufträge, wie etwa etwas zu finden, Reparaturarbeiten durchzuführen oder aber bestimmte Dinge zu erkunden. Dabei sind selbst Routinearbeiten sehr gekonnt verpackt. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Fortbewegung unter Wasser ein wichtiger Teil der Immersion. Under the Waves vermittelt ein sehr gutes Gefühl davon, wie es sich inmitten der Nordsee anfühlen könnte. Zum anderen hat Stan nur einen gewissen Vorrat an Sauerstoff. Geht dieser zur Neige, sollte man entweder wieder zum Lebensmodul zurückkehren oder aber zum U-Boot, welches sich Moon nennt. Damit ist die Fortbewegung etwas schneller, aber auch leider ungenauer. Das stört im offenen Meer kaum, in Höhlen wird es dann aber etwas störend.
Under the Waves ist in seinen Missionen aber auch immer wieder gespickt mit Rätseln. Anfangs sind es nur einfache Schalterrätsel, später aber sind die grauen Zellen gefragt. Sehr gut finde ich ist da auch der Verzicht auf Vorgaben, was als Nächstes zu tun ist, sodass das Denken schon noch einem selbst überlassen wird. Wer nicht gern rätselt, dürfte da aber mit weniger Freude raus gehen.
Flucht vor der Vergangenheit
Selbst die scheinbar simpelsten Missionen machen aber schon allein aufgrund des großartigen Writings Spaß. Dies besteht zum Teil aus Monologen, oftmals aber aus Gesprächen mit Tim. Natürlich aber nur via Funkgerät. Es wird dabei nicht nur über die Arbeit gesprochen, sondern auch über Privates. In den Momenten wird der Unterwassertitel besonders mitreißend, weil es enorm gut gelingt, mit Stan mitzufühlen, sich in ihn hineinzuversetzen und die Einsamkeit nachzuempfinden. Dass der Hauptcharakter innerlich zerrissen ist, merkt man insbesondere nachts, wenn er von Albträumen heimgesucht wird, in denen ihn seine Vergangenheit einholt und er sich seinen nicht verarbeiteten Ängsten stellen muss. Je länger Stan unter Wasser ist, desto präsenter werden diese Zerrbilder seiner Vergangenheit. Die Inszenierung dabei ist äußerst mitreißend und dank der musikalischen Untermalung intensiv, sodass man eine Bindung zur Hauptfigur aufbaut, wie es nicht so häufig vorkommt. Under the Waves weiß, wie es Themen wie Einsamkeit und Verlust geschickt in die Story einweben kann.
Ein malerischer Ausflug
Neben der bedrückten Stimmung schafft es das Spiel aber dennoch einige Feel-Good-Momente zu kreieren. Denn das Umherstreifen durch die See ist ein beeindruckendes Erlebnis. Das Spiel erweckt dabei den Eindruck gigantisch groß zu sein, ist in Wirklichkeit aber glücklicherweise noch recht überschaubar. Ob große Fischschwärme, eine spannende Unterwasserfauna oder ein gigantischer Wal im Hintergrund. Das Spiel von Parallel Studio weiß durch seine Welt zu beeindrucken, aber auch, weil der Grafikstil herrlich zur Ausrichtung des Titels passt. Es ist einer der wenigen Titel, in dem ich nicht auf den Foto-Modus verzichten könnte. Aber es gibt noch mehr.
Es lässt sich eine Menge aufsammeln, darunter auch viel Müll. Denn der schwimmt durch das gesamte Meer, lässt sich aber an der Werkbank in Nützliches verwandeln, wie etwa Sauerstoff-Kartuschen. Generell weist das Spiel immer wieder auf den Bezug zu unserer realen Welt hin. Nicht nur durch die Vermüllung der Meere, sondern auch durch das Sterben von Unterwasserpflanzen und geringerer Tierbestände. Under the Waves ist dabei weniger belehrend, sondern schafft eher ein Bewusstsein.