Retrospektive: Still Life

Heutzutage entwickelt sich Technologie rasant weiter und die Video- und Computerspielbranche ist größer denn je. Neben Reviews oder Let`s Plays zu den neuesten Spielen gehört es auch zum guten Ton, auf die immer zahlreicher werdenden (mehr oder weniger) Klassiker der Kindheit oder Teenagerzeit zurückzublicken.

Eine gute Gelegenheit dazu bietet sich gerade während der großen Sale-Zeiträume auf Plattformen wie Steam oder GoG, in denen man durchaus in Versuchung kommt, das ein oder andere verloren geglaubte Spiel zu ergattern. Nach langer Zeit in einer Kiste wiederentdeckt, waren die Voraussetzungen des Spiels zu niedrig um es auf einem aktuellen PC lauffähig zu bekommen. Dagegen helfen sehr oft Downloads von Patches und/oder remasterte Versionen, um in Erinnerungen zu schwelgen.

Still Life war für mich eines der oben genannten Spiele; nicht unbedingt als Klassiker gehandelt, war es doch ein gutes Spiel seiner Zeit. Im 2005 erschienenen Spiel Still Life befindet sich der Spieler einerseits in der Gegenwart des Jahres 2004 in der amerikanischen Stadt Chicago, in der er als die Protagonistin, der FBI-Profilerin Agent Victoria McPherson, einen brutalen Serienmörder, der irgendwie mit dem allseits auftretenden Thema der Malerei in Verbindung steht, zur Strecke bringen muss. Gleichzeitig findet man sich durch die Aufzeichnungen des bereits verstorbenen Großvaters der Hauptfigur, Gustav „Gus“ McPherson“, seines Zeichens Privatdetektiv, in dessen Erinnerungen an einen Fall in Prag des Jahres 1929 wieder, dessen Mordserie beunruhigende Ähnlichkeiten zu dem gegenwärtigen Fall aufweist.

Auch im vier Jahre später erschienenen Sequel Still Life 2 nimmt der Spieler erneut die Rolle von Agent McPherson ein und verfolgt wiederum zwei Handlungsstränge, die sich aber diesmal nicht auf der Zeit-, sondern auf der Personenebene bewegen. So befindet sie sich in einem Rennen gegen die Zeit, um das Opfer, die nervige Journalistin Paloma Hernandez, aus den Fängen des von ihr benannten „Ostküsten-Killers“ zu befreien.

Beide Spiele sind klassische Point-&-Click-Detektiv-Geschichten und überzeugen mit interessanten Geschichten und einer durchaus atmosphärischen Erzählweise. Sowohl die Charaktere, deren Anzahl leider sehr reduziert ist, als auch die hübsch gestalteten Settings, die sehr gute Synchronisation, die durchdachten und aufs Wesentliche reduzierten sowie durchaus an einigen Stellen humoristisch aufgeladenen Dialoge, die die belastende Atmosphäre etwas aufhellen, und die guten bis sehr guten Musik- und Soundeffekte (die im zweiten Teil leider etwas fehlerhaft sind, bspw. die Geräuschkulisse in einem leeren Haus), bieten die Spiele auch nach vielen Jahren immernoch einen kurzweiligen Spaß.

Für einige lassen diese Vorteile über die doch nicht wenigen Mankos der Spiele hinwegsehen, denn leider sind beide Spiele an Spielzeit etwas kurz geraten und im Gameplay sehr repetitiv gehalten. Weitere Abzüge muss man aus heutiger Sicht auch an der Grafik und den Animationen der Personen in Gesprächen machen, wobei gerade die Szenerien im Hintergrund des ersten Teils immer noch sehr schön und liebevoll designt sind, bspw. der Campus oder die Galerie. Auch für diejenigen, die nach logisch zu lösenden Rätseln suchen, kommen an der einen oder anderen Stelle zu kurz. In 95% der Fälle werden einem der nächste Ort zum Vorantreiben der Geschichte und die Lösungen für Rätsel quasi auf dem Silbertablett serviert. An anderen Stellen sind die Rätsel jedoch so beliebig, im ersten Teil bspw. beim Backen des Lebkuchenmanns oder im zweiten Teil bei der Suche nach dem passenden Gegengift, und nur durch sehr lange Herumraterei zu lösen, dass es einen schon mal frustriert zur Komplettlösung greifen lässt. Zumindest hat man im zweiten Teil schon einen Tagund-Nacht-Wechsel programmiert, und bei der ein oder anderen Situation kann man sogar sterben, wenn man nicht schnell genug handelt.

Teilweise gefixt worden, gibt es trotzdem noch einige nervige Bugs, wenn man bspw. im zweiten Teil nach einer Vergiftung im Keller versucht, in den ersten Stock des Hauses zum Gegenmittel zu kommen, und dabei leider die Treppe zum Erdgeschoss nicht mehr benutzen kann und deswegen stirbt.

Ohne vor Nacktheit oder – vermutlich nur zu der Zeit – verstörend wirkenden und möglichst realitätsnahen Animationen der Leichen zurückzuschrecken sowie die Einbindung von Themen wie Prostitution als Bindeglied zwischen den Zeitebenen oder einen Einblick in die Psyche der Killer plus der doch nett anzusehenden und dynamischen Zwischensequenzen, die die Handlung vorantreiben, erwärmt einem das Spiel noch heute das Herz. Damals wie heute habe ich keine Reue gehegt, Geld dafür ausgegeben zu haben, auch wenn es seit dem ersten Release vor 13 Jahren einige Federn lassen musste.

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