Nach der sehr erfolgreichen Kickstarter-Kampagne im Jahr 2017, dem von Kritiker*innen gefeierten Start 2019, vielen positiven User*innen-Kommentaren und einem Digital Comic nimmt das spanische Entwicklungsstudio Game Kitchen mit dem soeben erschienenen dritten und letzten Story-DLC „Wounds of Eventide“ Abschied von ihrem anspruchsvollen Metroidvania Blasphemous, um sich dessen Nachfolgetitel zu widmen. Ein guter Augenblick, um nochmal alle, die es verpasst haben sollten, auf dieses Kleinod aufmerksam zu machen.
Wie der Titel die religiös Bewanderten unter uns schon erahnen lässt, betreten Spieler*innen in Blasphemous nicht überraschend einem der christlichen Vorstellungswelt nachempfundenen Universum. Schon die ersten Schritte schreien es einem in Bildsprache und Ausdrucksweise, in denen es um Reue und Gnade geht, unmissverständlich entgegen. Als anonymer, büßender Kämpfer mit spitzem Eisenhut und Maske sowie mit dem aus Schuld geborenen Schwert Mea Cupla ausgerüstet, kämpfen Spieler*innen sich durch die Welt Cystodias. Der oft bemühte Vergleich mit dem großen 3D-Bruder Dark Souls ist dabei nicht von der Hand zu weisen: viele Gegner*innen und Zwischenbosse, die mit Geschick erledigt werden wollen, detaillierte Grafik, viel Geduld und verzweigte Levelstrukturen, in denen es einige Geheimnisse zu entdecken gibt, schaffen sowohl Lust als auch Frust.
Die Aufgabe der Spieler*innen besteht darin, als einziger Überlebender des „Stiller Schmerz“ betitelten Massakers, Cystodia vor dem allumfassenden Fluch „Das Mirakel“ zu befreien – was genauso groß ist, wie es klingt.
Denn eines werden alle in diesem Spiel ohne Zweifel: leiden. Feindlich gesinnte NPCs, die einem auf Schritt und Tritt begegnen, sind trotz ihrer einfachen Angriffsabläufe nicht zu unterschätzen und wo ein Kutschenradschwingender Bauer noch ohne Probleme erledigt werden kann, muss man bei zwei oder mehr Gegner*innen bereits in die Taktikkiste greifen, denn stumpfes Draufhauen führt in Blasphemous selten zum Erfolg.
Neben den Schwertattacken, die im Laufe der Geschichte mit den durch erfolgreiche Kämpfe gesammelten „Tränen der Abbitte“ aufgelevelt werden können, spielen ausweichen und parieren eine entscheidende Rolle. Je nach Feindtyp können Angriffe pariert werden, vorausgesetzt man passt genau den richtigen Moment ab, und gegnerische NPCs kurzzeitig paralysieren, um ein paar kraftvolle Hiebe zu landen. Bei ganz viel Glück kann sogar ein Vergeltungsschlag eingesetzt werden, bei dem das Gegenüber in besonders blutiger Weise hingerichtet wird.
Wo das Parieren von Angriffen lediglich Schläge abmildert, aber nicht komplett zu blocken vermag, ist das vorwärts Dashen zum Ausweichen, später gepaart mit einer größeren Bandbreite an Attacken, die bessere Alternative.
Gerade beim ersten Durchlauf wird selbst die beste Taktik nicht verhindern, dass Spieler*innen bestimmte Areale immer und immer wieder durchqueren müssen, bis alles über die auftauchenden Mobs und Fallen erlernt und erfolgreich dagegen eingesetzt wurde, um diese entweder auszulöschen oder an einigen Stellen auch zu umgehen. Genau wie Dark Souls ist häufiges Sterben garantiert, jedoch reduziert sich das drastisch, sobald Bewegungsabläufe von Feinden verinnerlicht wurden. Dann kann es schon mal passieren, dass der vor einer Stunde noch aufregende Teil des Dungeons zu einem etwas ausgelutschten Abschnitt wird, wenn dieser erneut durchquert werden muss, bspw. auf der Suche nach verschiedenen Artefakten.
Diese sind als Teil der Geschichte nämlich über die verschiedenen Level und Ebenen des Spiels verstreut und oftmals so zufällig und ohne vorhandene hilfreiche Tips platziert, dass man viel Geduld (oder eine Suchmaschine) haben muss, um diese zu finden.
Abwechslung und zusätzliche Würze bringen Zwischen- und Endbosse ins Spiel, die Spieler*innen bis zu 20 Versuche oder mehr in Schach halten können, bevor sie endlich in die Knie gezwungen werden. Belohnungen, das Gefühl der Erleichterung und die Kämpfe selber sind diese Mühen am Ende jedoch definitiv wert.
Die wenigen ruhigen Inseln der Erholung, sogenannte Betpulte, ermöglichen es dem büßenden Kämpfer sich auszuruhen und die Lebensenergie sowie Gallenflaschen aufzufüllen, jedoch sorgt die Aktivierung auch dafür, dass alle gegnerischen NPCs eines Gebietes erneut auftauchen und wieder besiegt werden wollen.
Bei jedem Tod, den Spieler*innen sterben, lassen sie am Ort des Unglücks Schuldfragmente in Form einer transzendenten und mit Ketten gefesselten Abbildung einer Selbst zurück, die nur dort wieder aufgesammelt werden können. Diese sind wichtig für die Inbrunst-Leiste, die die zur Verfügung stehende Energie für Spezialattacken darstellt. Falls man aber keine Lust hat, sich nochmal durch Mobs zu den Fragmenten durchzuschlagen, können, falls vorhanden, auch Ablassbriefe zur Reinigung von der Schuld eingesetzt werden.
An einigen Stellen im Spiel gibt es dafür sogenannte Mea-Culpa-Schreine, an denen mit den Tränen der Abbitte und einem Stoßgebet neue Fähigkeiten erkauft werden können. Der sehr übersichtliche Fähigkeitenbaum besteht aus fünf Linien mit je drei Erweiterungen, die sowohl aus grundlegenden Attributen wie Stärke für Mea Culpa bestehen, als auch im späteren Verlauf auf Fähigkeiten wie bspw. „Schwere der Sünde“ (ein spezieller Fallangriff) geupgradet werden können. Diese helfen sowohl gegen verschiedene Formen von NPCs als auch zum Erreichen von Geheimnissen, bspw. die überall anzutreffenden Engel in Käfigen, die es zu befreien gilt.
Der Fokus des düsteren 2D-Sicescrollers aus dem Hause Game Kitchen liegt definitiv auf dem Kampfsystem und der brutalen Darstellungsart, was sich ausschließlich an erwachsene Spieler*innen richtet. Auch die abstrakte und interpretationsoffene Erzählweise der Geschichte wird nicht alle Interessierten ansprechen. Während Blasphemous also einigen wohl zu groß, zu zufallsbasiert und zu frustrierend vorkommen wird, werden andere genau in dieser Herausforderung den Charme des Spiels sehen. Zwar haben auch wir das eine oder andere Mal das Spiel frustriert beendet, sind aber nach einiger Zeit doch wieder in die Welt Cystodias zurückgekehrt, um es nochmal zu versuchen.
Blasphemous bietet noch viele weitere neben den hier genannten Aspekten im Spiel, die viel Liebe zum Detail zeigen (man lese sich bspw. die verschiedenen Infoboxen zu den Gegenständen durch. Sehr … atmosphärisch…).
Leider ist eine Audioausgabe des Spiels nur in English und Spanisch vorhanden, unterstützt aber weitere acht Textsprachen, darunter auch deutsch, und ist auf PC, Xbox One, Playstation 4 und Nintendo Switch erhältlich.