Der weltberühmte Autor Ken Follett dürfte einigen unter euch noch ein Begriff sein, oder zumindest einer seiner erfolgreichsten Romane „Die Säulen der Erde“. Dieser wurde nicht nur als Hörspiel, Film und Brettspiel umgesetzt, sondern 2017 auch als Computerspiel vom deutschen Entwicklerstudio Daedelic Enterntainment verewigt.
Bekannt ist Daedelic Entertainment unter anderem für ihre storygetriebenen Spiele wie die Edna und Harvey-Titel oder State of Mind, das wie bereits in einer vorigen Ausgabe behandelt haben. Daher schien der Roman Ken Folletts eine passende Vorlage. Und im Grunde haben die Entwickler mit Die Säulen der Erde ein interaktives Buch entwickelt, durch das sich Spieler*innen ohne große Gefahr oder Aufregung durchbewegen können. In drei „Episoden“ mit jeweils sieben Kapiteln, die unterschiedliche Teilabschnitte der Geschichte behandeln, ist auch der formale Aufbau des Spiels einem Buch nachempfunden. Und nicht nur die Struktur, sondern auch die audiovisuelle Präsentation tragen dem Genre Rechnung. Mit dem Fokus auf eindringliche Musik und einem prägnanten, handgezeichneten Grafikstil erschafft der Titel eine Welt wie sie im Buche steht. Animationen sind auf das Nötigste reduziert, unnötige Effekte kommen nicht vor. Gerade die Umgebungen sind detailliert und der Atmosphäre der Geschichte angepasst dargestellt, sodass man an der einen oder anderen Stelle im Spiel erstmal ein paar Sekunden verharren kann, um alles aufzunehmen. Leider wirken manchen Szenerien im Unterschied dazu ungewollt stümperhaft, wenn in Einzelszenen plötzlich die schön gezeichneten Charaktere vor Schablonenhintergründen zu sehen sind.
Die Geschichte von „Die Säulen der Erde“ hält sich sehr nahe an seiner Buchvorlage: Ausgehend von wahren historischen Abläufen spielt die Geschichte im England des 12. Jahrhunderts, das vor allem von der Vorherrschaft der Kirche geprägt ist. Im Mittelpunkt steht der Bau einer neuen Kathedrale im fiktiven Dorf Kingsbridge, in dem aber seltsame Dinge vor sich gehen, die es aufzuklären gilt. Diejenigen, die das Buch bereits gelesen haben, werden vermutlich wenige wirkliche Überraschungen im Spiel erleben bis auf ein paar künstlerische Freiheiten in der Umsetzung und Kürzungen an der umfangreichen Handlung des Romans. Aber was das Spiel ebenso gut kann wie das Buch sind Worte. Viele Worte.
In vier verschiedenen Handlungssträngen führen Spieler*innen nämlich vor allem eines: viele Gespräche und folgen dem Leben der sehr unterschiedlichen Charaktere, die das Schicksal überraschend zusammenführen wird. Dabei handelt es sich um:
– den Baumeister Tom Builder, dessen sehnlichster Traum es ist, eine Kathedrale zu erbauen, die er auch „Die Säulen der Erde“ nennt
– Bruder Phillip, der als einfacher Mönch nach Kingsburg reist und dort zum Prior ernannt wird, um der Gemeinde neue Hoffnung zu geben
– den talentierten Jungen Jack, der zwar im Wald aufwuchs jedoch durch sein Können zum Lehrling und später auch Ziehson Toms wird
– die junge Adlige Aliena, die von der Burg ihres Vaters geflüchtet ist und vorerst als Wollhändlerin ihr Überleben sichert, um eines Tages zurückkehren zu können.
Über einen Zeitraum von 30 Jahren entspinnt sich die Handlung, die auch mit vielerlei Zeitsprüngen versehen ist und Spieler*innen in die Lebenswelten, Gedanken und Erfahrungen der Hauptfiguren eintauchen lässt. Die Handlung des Spiels lässt sich durch verschiedene Dialogentscheidungen im Spiel auch teilweise beeinflussen, wenn auch nur geringfügig. Da sich das Spiel selber stark an die Romanvorlage hält, werden vor allem Nebenhandlungen beeinflusst. Theoretisch ist auch der Tod eines Hauptcharakters möglich, aber das Spiel korrigiert solche „Fehler“ mit dem Laden eines früheren Spielstands schnell selber, da keine multiplen Enden vorgesehen sind.
Neben den Gesprächen, die man selber führen oder belauschen kann, gibt es nicht viel anderes zu tun. Die erwarteten Puzzle oder Rätsel in Point-and-Click-Adventures sind nicht Teil dieser Welt, das Untersuchen der Umgebung beschränkt sich vor allem auf die Gedanken der gerade gespielten Figur oder auch einem Skillcheck hier und da, der bei den vorhandenen Aktionen im Spiel ausgeführt werden muss, jedoch nichts Handfestes zum Spielgeschehen beiträgt.
Die Säulen der Erde erinnern in ihrem spielerischen Aufbau vor allem an Telltale-Games, da nicht flinke Finger und Gehirnschmalz im Fokus stehen, sondern das Erzählen einer Geschichte. Bei der Qualität der visuellen Präsentation hätte es sich auch teilweise um einen märchenhaften Animationsfilm handeln können, ausgestattet mit einem imposanten Intro und epischer Musik, die vom FILMharmonic Ochestra Prag eingespielt wurde. An dieser Stelle soll auch die deutsche Synchronisation gewürdigt werden, die in den meisten Fällen sehr passend ist (selbst Gronkh ist in einer Rolle vertreten).
Leider hapert es in diesem wunderschönen 2D-Spiel auch an einigen technischen Details. Da Animationen spärlich eingesetzt wurden, erscheinen vor allem Gesprächssituation statisch, in denen sich oft gerade mal die Lippen bewegen – und diese leider nicht immer synchron zum gesprochenen Wort. Das Spiel ist vor allem für diejenigen Spieler*innen interessant, die sich mit Zeit und Muße an schön erzählten Geschichten erfreuen und dazu gehört Die Säulen der Erde als eines der besten Spiele dieser Art definitiv dazu. Diese Visual Novel ist darauf ausgelegt, langsam erfahren zu werden und sich in die Welt seiner Charaktere zu begeben. Und durch Dokumente, die im Spiel gefunden werden können, kann man am Rande sogar noch ein paar Fakten über tatsächliche historische Ereignisse dieser Zeit lernen.
Egal ob auf Steam, GOG, Epic oder dem Appstore – dieses Spiel ist für alle gängigen Betriebssysteme und auch für die Konsolen PlayStation 4 und Xbox One erhältlich.