In My Shadow ist ein klassischer Puzzle-Plattformer, der neben ein paar Kopfnüssen auch noch etwas Story zu bieten hat. Wir werfen einen Blick darauf, ob der Titel neben Rätselenthusiast*innen auch andere Spieler*innen mit ein paar Stunden kurzweiligen Spielspaß und einer hier und da durchaus zum Nachdenken anregenden Geschichte an die Tastatur fesseln kann.
Ausgelöst durch eine Chat-Nachricht ihres Vaters zu Beginn des Spiels, fängt die Protagonistin Bella an, ihre Kindheit und verschiedene Situationen, die sie erlebt hat, Revue passieren zu lassen. Durch ihre Erinnerungen, die sich optisch in fünf verschiedenen Räumen ihres Elternhauses abspielen, erfahren Spieler*innen mehr über ihre Beziehung zu den Mitgliedern ihrer Familie (menschliche wie tierische) und was diese beeinflusst hat. Aufgewachsen in einem eigentlich liebevollen Umfeld reflektiert Bella gerade auch ihr eigenes Verhalten gegenüber ihren Eltern, ihrem Bruder und sogar ihrem Hund, das letztendlich zu einer Entfremdung zur Familie geführt hat. Als Erwachsene versucht sie nun, einen Weg zurückzufinden.
Um den Elefanten im Raum gleich anzusprechen: Ja, die Grafiken sind schon nicht schön. Cutscenes zwischen den Rätselpassagen, die Spieler*innen einen Einblick in Bellas Vergangenheit geben, bestehen aus einer Aneinanderreihung von Momentaufnahmen, vor denen man sich teilweise durch die gemachten Gestaltungsentscheidungen regelrecht gruseln kann. Auch die von Bella gesprochenen Texte, die zumindest mit passenden Synchronsprecherinnen vertont wurden, sind sprachlich leider auch etwas dürftig. Sowohl das englische Original lässt es an Qualität vermissen und auch die deutsche Übersetzung beinhaltet eigentlich vermeidbare Fehler.
Das Herzstück des Spiels, die Puzzlepassagen, sieht grafisch zum Glück angemessen aus, da sich dort auf Gegenstände und Schatten fokussiert wird.
In jedem der bereits erwähnten fünf Zimmer erwarten Spieler*innen neue Umgebungen und Rätsel. Mithilfe der von Lichtquellen an die Wand geworfenen Schatten verschiedener Gegenstände muss die junge Bella, die sich ebenfalls als ein Schatten an der Wand fortbewegt, sicher ans Ziel gebracht werden. Dabei muss man nicht einen langen Parcours bestehen, sondern hangelt sich an ein oder zwei Wänden entlang und wird nach erfolgreicher Beendigung des Levels wieder an den Beginn zurückteleportiert, wo man sich dann neuen Gegenständen und Hindernissen gegenübersieht.
Das Spiel unterteilt sich in zwei unterschiedlichen Modi, zwischen denen hin- und hergewechselt werden kann: 1.) der richtigen Anordnung der Schatten an der Wand und 2.) der Parcours an sich.
Die Schatten werden durch ein bis vier Alltagsgegenstände per Level wie Tische, Sitzwürfel oder Kommoden erzeugt, die entweder frei im Zimmer hin- und herbewegt werden können, um ihre eigene Achse rotiert werden müssen, oder sich nur horizontal bzw. vertikal oder sogar gar nicht bewegen lassen. Natürlich funktioniert nicht alles so, wie man es sich wünscht. Manche Möbel werfen mysteriöserweise überhaupt keine Schatten und blockieren bestimmte Areale im Raum, andere sind so instabil, dass ihre Schatten beim ersten Absprung einfach zusammenbrechen und nicht mehr verwendet werden können.
Je nach Abstand und Position zur Lichtquelle lassen sich die Größe der Schatten und deren Standort an der Wand verändern, die durch Rotation um die eigene Achse entstehen zusätzlich für einige Möbel auch noch verschiedene Umrisse. Für viele Rätsel sind die den Gegenständen eigenen Konturen auch der Schlüssel zum erfolgreichen Abschluss des Levels.
Ist alles zur Zufriedenheit aufgebaut, können Spieler*innen in den Parcours-Modus wechseln und Schatten-Bella steuern. Diese muss durch ein wenig Laufen und viel Hüpfen nicht nur im Ziel ankommen, sondern auf dem Weg jeweils auch noch drei Schatten-Erinnerungskarten einsammeln, ohne die die Level nicht abgeschlossen werden können.
Um dies noch zu erschweren, gibt es weitere Hindernisse auf dem Weg wie sich am Boden befindende Stacheln oder in der Luft schwebende Kreissägen, um die geschickt herummanövriert werden muss. Dies gelingt nur durch die richtige Anordnung der Schatten, da die Bewegungsabläufe von Bella eher minimalistisch sind: man kann vor- und zurücklaufen und springen, wobei die Sprunghöhe immer gleichbleibend ist, was an der einen oder anderen Stelle zu etwas Frustration führen kann. Denn jedes Mal, wenn Bella den Stacheln zum Opfer fällt oder Veränderungen am Parcours vorgenommen werden müssen, wird sie an den Anfang zurückteleportiert und man fängt von Neuem an.
Und das passiert öfter, als man zu Anfang denken mag. Während des Spielverlaufs springt man immer wieder in Stacheln oder ins Leere, muss nachjustieren oder die anfängliche Reihenfolge von Gegenständen über den Haufen werfen, um sowohl alle Erinnerunngskarten einzusammeln als auch unbeschadet ins Ziel zu kommen.
Durch die relativ kurzen Level hält sich die Ungeduld glücklicherweise jedoch in Grenzen und die Rätsel laden Spieler*innen zum Überlegen ein, da sie nie unlösbar schwer oder willkürlich erscheinen. Außerdem präsentiert das Spiel immer weitere Elemente, die die Level immer wieder ein wenig verändern wie bspw. eine zweite Lichtquelle, Zimmerecken oder sogar einen zweiten Charakter neben Bella, den es zu steuern gilt (wer das ist, das müsst ihr selbst herausfinden ;). Auch gibt es nicht nur den einen Masterweg zur Lösung der Rätsel, sondern verschiedene Möglichkeiten führen zu den gewünschten Ergebnissen. Und erweist sich ein Level mal als besonders hartnäckig, kann man dieses nach einiger Zeit auch einfach überspringen.
In My Shadow des indischen Entwicklerstudios Playbae Games könnte grafisch definitiv noch zwei Schippen drauflegen, bereitet aber in den Rätsel- und Plattformabschnitten Spaß und animiert sogar nach dem 10. Fehlversuch dazu, es weiter zu versuchen. Diese erfolgreichen Knobeleien und das storytechnisch versöhnliche Ende des Spiels lassen Spieler*innen dann auch noch mit einem wohligen Gefühl zurück.
Dieser Puzzletitel erfindet das Genre sicherlich nicht neu, fügt aber mit dem Schattenspiel eine interessante Mechanik hinzu, die In My Shadow von anderen Werken seiner Art abhebt. Abgesehen von den Zwischensequenzen und den zum Glück nicht allzu häufig vorkommenden, fehlerbehafteten Texten ist uns das Spiel eine Empfehlung für alle Fans dieses Genres wert.
In My Shadow kann ausschließlich auf Steam für Windows erworben werden.