Andersspiel: The Cat Lady

"Danke für nichts. Lebt wohl."

In Film, in Buchform oder als Spiel – gute Horrortitel, die nicht nur aus Jump Scares und vorhersehbaren und klischeehaften Schockmomenten bestehen, sind rar gesät. Solche Werke, die einen mit einem Blick in menschliche Abgründe in den Bann ziehen, wenn man sich auf sie einlassen kann. Daran versucht sich das 2012 erschienene Horror-Adventure The Cat Lady.

The Cat Lady ist der zweite Teil der „The Devil Came Through Here“-Trilogie des polnischen Entwicklerstudios Harvester Games, dessen Vorgänger aus dem Jahr 2009 „Downfall“ (das 2016 ein Remake erfahren hat) und sowohl Nachfolger als auch Abschluss der Reihe 2019 „Lorelai“ waren.
Keines der Spiele dieser Reihe ist etwas für schwache Gemüter und definitiv nur für Erwachsene geeignet, da sie sich durchgehend mit Themen wie häuslicher Gewalt, Mord und Drogenmissbrauch auseinandersetzen.

Die „Cat Lady“ des Spiels ist die Protagonistin Susan Ashworth, bei deren ersten Begegnung sie den Spieler*innen erklärt, dass sie dieser Welt nichts mehr abgewinnen kann und sich mit einer Medikamentendosis und nur im Beisein ihrer Katzen, da sie nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes allein und zurückgezogen in ihrem Apartment wohnt, das Leben nimmt. Doch anstatt damit ihrem Leben ein Ende zu setzen, fängt ihre Geschichte hier erst richtig an. Nach einer surrealen Traumsequenz, in der sie sich mit multiplen Varianten ihres eigenen leblosen Körpers auseinandersetzen muss, wird sie von einer mysteriösen weiblichen Figur mit der Unsterblichkeit gesegnet – oder in Susans Augen eher verflucht. Und dann bindet sich daran auch noch eine Aufgabe: fünf ausgesuchte „Parasiten“, die sich an Grausamkeit nichts nehmen, soll Susan vom Antlitz der Erde entfernen, damit auch deren Untaten endlich aufhören. Wieso gerade sie oder diese Leute ausgewählt wurden, bleibt vorerst ein großes Rätsel.

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The Cat Lady lebt vom Blick in die menschliche Psyche, von der Grausamkeit, die Menschen anderen und sich selbst antun, und von einer umfassenden Hoffnungslosigkeit, die für einige aber auch Lichtblicke zulässt. Unterteilt in verschiedene Kapitel tauchen Spieler*innen in die Psyche Susans ein und wechseln zwischen den Vorgängen in der realen Welt und solchen ihres inneren Erlebens hin und her, während sie versucht, die ihr gestellte Aufgabe zu erfüllen und ihre Belohnung zu erhalten: das, was sie am Meisten begehrt.
Passend zur Thematik kommt der Titel ruhig daher. Im Gegensatz zu anderen Adventuren, wo man auch mal Aufgaben unter Zeitdruck lösen muss oder hektischen Verfolgungsjagden ausgesetzt wird, konzentriert sich The Cat Lady vollkommen auf ihr Narrativ und erschafft somit einen tiefgehenden und vielschichtigen Abgrund, in den man sonst eigentlich nicht schauen möchte. An keiner Stelle das Spiels hatten wir das Gefühl, nicht weiterzukommen, da Hinweise auf zu benutzende Gegenstände und Rätsel vom Spiel logisch vorgegeben werden. Eine aufwendige Suche nach den Aufenthaltsorten der fünf Parasiten ist auch nicht notwendig, da diese in Susans Geschichte verwoben werden und sie sich diesen zwangsläufig im Verlauf des Spiels gegenübersieht.

Im Laufe des Spiels wird auch noch eine weitere Protagonistin, Mitzi Hunt, mit ihren ganz eigenen Motiven eingeführt, deren Geschichte aber letztendlich mit Susans zusammengeführt wird, denn Mitzi befindet sich auf der Suche nach derjenigen Person, die ihren Freund in den Selbstmord getrieben hat, um Rache zu nehmen. Nicht nur den grausamen Machenschaften der fünf Parasiten muss Susan (mithilfe von Mitzi) ein Ende bereiten, sondern findet sich auch immer wieder im Kampf mit ihrer eigenen Depression wieder, die eindringlich in Bild und Text dargestellt wird.
Die Welt, in die sich Spieler*innen begeben, ist nicht nur von der Thematik her düster, sondern auch in jeder Facette ihrer Darstellung. Die Umgebungen sind meist in schwarz-weiß und Grautönen gehalten und erscheinen teilweise leicht verschwommen. Nur ab und zu an ausgesuchten Stellen im Spiel werden gedämpfte Farbakzente gesetzt, um die Details oder ganze Situationen hervorzuheben, bspw. wenn das überall verschmierte Blut rot in einer sonst monochromen Umgebung leuchtet. Die teilweise nach Flickmustern aussehenden Hintergründe und die sich wie Puppen hin- und herbewegenden Figuren wirken nicht fehl am Platz, sondern unterstreichen das Gefühl der Bedrücktheit eher noch.

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Der Soundtrack tut auch sein Übriges, wenn er bedrohlich im Hintergrund oder schrill im Angesicht nahender Gefahren zu hören ist, auch wenn die Musik an der ein oder anderen Stelle etwas dick aufgetragen erscheint. Trotz des langsamen Pacings lässt das Spiel einem keine Ruhe. In den, an einigen Stellen durchaus ausführlicheren, Gesprächen, die Spieler*innen durch das Abenteuer führen, lernen sie eine Vielzahl an Charakteren kennen, die vielschichtige und dynamische Hintergrundgeschichten haben. Manche sind traurig, andere einfach nur verstörend, oder es schimmert ein bisschen Humor durch, der einen zwischendurch sogar schmunzeln lässt. Dabei wirken die Dialoge aber nie aufgesetzt oder unnötig in die Länge gezogen, sondern durchaus authentisch und den Situationen und was die NPCs sein wollen angemessen. Dazu trägt auch die wunderbare, leider nur auf Englisch erhältliche, Synchronisation bei, bei der es manchmal an der richtigen Abmischung hapert.
Entscheidungen, die Spieler*innen in der Vielzahl an Dialogen treffen können, haben Einfluss auf das Spielgeschehen, auch wenn die Folgen erst etwas später im Spiel offensichtlich werden. Daraus ergeben sich vier alternative Enden, von der eines als „Goldener Weg“ bezeichnet wird, und sich in erster Linie auf die Schicksale der beiden Protagonist*innen als auch eines ganz besonderen Parasiten auswirken.

Die Spielsteuerung von The Cat Lady wurde aufs Nötigste vereinfacht. Spieler*innen manövrieren die Charaktere in dieser 2D-Welt ausschließlich mit der Tastatur durch die verschiedenen Umgebungen, untersuchen hier und da mal die Umgebung und interagieren zwischendrin mit ein paar Gegenständen, die teilweise auch ins Inventar wandern, um sie an einer späteren Stelle wiederzuverwenden.
Fehler, bspw. dass man etwas übersieht, können keine gemacht werden. Der Titel setzt schon alles daran, Spieler*innen das nötige Handwerkszeug an die Hand zu geben, damit sie sicher durch alle Kapitel kommen. Erst wenn alle notwendigen Schritte abgeschlossen wurden, geht es weiter. Nachvollziehbar und spannend sind die Geschichten, die man auf dem Weg erfährt; ausschließlich zum Ende hin erfährt das Geschehen einen kleinen Dämpfer und verliert etwas an Biss, was insgesamt gesehen etwas schade ist, aber den Spielspaß, wenn man das so nennen kann, nicht nachhaltig schmälert.

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The Cat Lady redet nicht um den heißen Brei herum, sondern zeigt mit expliziten Bildern und einer komplexen, textlastigen Story sowie dem ungewöhnlichen Setting und der passenden musikalischen Untermalung eine Welt des Schmerzes auf. Das Spiel des polnischen Entwicklerstudio Harvester Games mag den Einen oder die Andere mit einem schalen Gefühl im Bauch zurücklassen, denn gerade durch den, trotz des Fantasie-Touchs, klaren Bezug zur Realität wird die Geschichte unbequem. Leider gibt es keine deutsche Vertonung, jedoch kann sich die deutsche Übersetzung durchaus sehen lassen, deren Qualität hoffentlich auch in den sieben weiteren Sprachen, in denen das Spiel erhältlich ist, gleich hoch ist.

Der Titel ist ausschließlich für PC auf Windows und Linux auf den Plattformen von Steam und GOG erhältlich.

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