Auch wenn Gaming-Fans 2020 auf die meisten popkulturellen Massenveranstaltungen verzichten mussten, haben in diesem Jahr zumindest einige speziellere Events die Chance aus dem Schatten der großen Messen herauszutreten und ihre Relevanz zu demonstrieren. Abseits der gamescom, die sich 2020 in einer reinen digitalen Ausgabe beweisen durfte, wird es Spielern und Angehörigen der Branche in diesem Jahr ermöglicht unter besonderen Auflagen im Rahmen des Next Level Festival zusammenfinden, um Kunst und Kultur der digitalen Spielemedien zu zelebrieren. Vom 13. Bis zum 15. November 2020 finden zum elften Mal infolge Gamer, Medienkünstler, Studenten, Journalisten und insbesondere Spezialisten der Games-Branche in Essen einen Ort für einen intensiven und nicht zuletzt unterhaltsamen Austausch rund um die virtuellen Spielwelten. In einem Mix aus Workshops, interaktiven Parcours, interessanten Vorträgen sowie Ausstellungs-Bereichen samt Anspielstationen darf uns so auch 2020 das Festival die kulturelle und künstlerische Relevanz rund um das Thema Gaming näher bringen. Lasst uns gemeinsam vorab einen Blick auf die Hintergründe des Next Level Festivals werfen und euch einen Ausblick darauf geben, was uns in diesem Jahr erwartet.
Der Dialog über Kunst und Kultur in digitalen Spielen
Im Jahr 2019 findet das Next Level Festival erstmals im UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen statt. Die vergangenen 11 Jahre zuvor durften Fans dem Event sowohl in Köln, Düsseldorf als auch Dortmund beiwohnen. Dabei veränderte sich nicht nur im regelmäßigen Rhythmus der Standort, auch das Konzept rund um das Festival entwickelte sich stringent weiter. So startet man ursprünglich in Köln 2010 mit einer zweitägigen Konferenz, die schnell zu einem interaktiven Festival mit einer viertägigen Laufzeit ausgearbeitet wurde. Dabei steht seither nicht nur der informative Charakter im Vordergrund, auch spielerische Elemente finden hier Platz und locken die divergentesten Angehörigen der Gaming-Branche hervor, um gemeinsam den kulturellen Hintergrund der digitalen Spielwelten zu erforschen. Als Veranstalter des Next Level Festivals wird auch in diesem Jahr erneuert das NRW KULTURsekretariat in Zusammenarbeit mit der Stadt Essen fungieren, während das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW als Förderer einspringt. Die 11. Ausgabe des Festivals wird zudem von den Partnern Stiftung Zollverein als auch WDR3 unterstützt. Thematisch dreht sich ab dem 13. November in Essen alles um die Zukunft und wie Technologien unsere Welt verändern können. Dank eines ausgearbeiteten Hygienekonzeptes und der zur Verfügung stehenden RecoverApp wird die Veranstaltung auch in diesem außergewöhnlichen Jahr die Menschen in einem weiteren Austausch zusammenführen können.
Zurück nach 2019: Alles rund um Demokratie, Gesellschaft und Balance
Im vergangenen Jahr zelebrierte man das 10-Jährige Jubiläum der vielfältigen Veranstaltungsreihe unter der Thematik Gesellschaft, Demokratie und Balance. Gleichzeitig fand sich das Next Level Festival erstmals in Zeche Zollverein in Essen ein und bot das Fundament für die nächsten aufregenden Jahre inmitten des digitalen Wandels. Hier konnte der vielschichtige Besucherkreis ihre Balance innerhalb von diversen Spieleparcours austesten. So galt es beispielsweise das Gleichgewicht auf eine Slackline zu halten und auf diese Weise die Steuerung über eine digitale Spielfigur zu übernehmen. Unter dem Titel Richie’s Plank Experience hingegen wurden Spieler mit einer VR-Brille ausgestattet und mussten in einer Simulation über eine Planke stolzieren. Dabei wurde das Erlebnis in der Realität mit einer Bank und diversen Matten ergänzt. Zudem widmeten sich weitere digitale Spiele dem Thema Balance innerhalb unseres Justizsystems. So zeigte das Adventure Don’t Wake the Night eindrucksvoll wie komplex die Entscheidungsfindung eines Richters sein kann. Dazu gesellte sich das Browsergame You Be the Judge, welches von der Justizbehörde in Australien entwickelt wurde. Hier wird erneut die Tätigkeiten und Verantwortung eines Richters innerhalb eines Prozesses in den Vordergrund gerückt. Dahingehend wird dem Spieler recht schnell der Vorfall samt Beschuldigten und Vorgeladene in einer kleinen Cutscene näher vorgestellt, woraufhin der Spieler dann sein Urteil fällen muss. Dieses Urteil wird daraufhin mit denen von echten Richtern verglichen. Abseits der digitalen Spielwelten, präsentierten Studenten der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ein interessantes Planspiel, welches die Demokratie genauer in den Fokus rückt. Unter dem Titel MEK KING KRB wurden Spieler in die Rolle von Regierung und Industrie gedrängt, um sich über die finanzielle Grundsituation hierzulande zu einigen. Die Presse spielte hierbei eine ebenfalls nicht zu verachtende Rolle. Sie deckte Fakten auf, die die Parteien zum Umdenken animieren sollten. Dass Spiele auch einen kunstvollen und erzählerisch ausgearbeiteten Hintergrund besitzen können, zeigten zudem die beiden Titel Hell Pie aus dem Hause Sluggerfly sowie Resort von Backwoods Entertainment. In Letzterem verschlägt es euch in die Haut von Autorin Laura Tanner, die in dem spielbaren Thriller die Geheimnisse hinter Labernum Creek aufdecken muss. Hell Pie hingegen zeigt deutlich, dass Videospiele auch mit einem humorvollem Narrativ eine ganze eigene Atmosphäre erschaffen können. Neben diversen Spielautomaten wie Pac-man, Arkanoid und Out Run, konnten Besucher auch den unterschiedlichsten Diskussionen und Vorträgen lauschen, die klar darlegten, dass Spiele mittlerweile definitiv zum Kulturgut gehören.
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2020 geht das Festival in die 11. Runde. Zum zweiten Mal trifft das Next Level Festival auf das UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen und lädt allerhand Angehörige der Spielebranche dazu ein die Zukunft zu erforschen. Ganz nach dem Motto „Future(s) in Games & Games of the Future“ dreht sich in diesem Jahr alles um die futuristischen Visionen und Perspektiven, die uns in Videospielen deklariert werden sowie die ganzheitliche Entwicklung des Mediums. Passend zur Thematik erwarten uns in diesem Jahr viele spielbare Demos, nicht nur von AAA-Blockbustern auch besondere Indie-Perlen werden vertreten sein. Zudem können sich Besucher natürlich erneut über spannende Vorträge und Diskussionen, Parcours, Ausstellungen, einzigartige Workshops sowie besondere Live-Performances freuen. Im Performance-Bereich haben bereits das Künstlerduo Colin Self und Santiago Latorre unter dem Titel Architecture of friendship ein mehr als interessantes Projekt für das Festival bestätigt. Hier dreht sich alles um die Interaktion zwischen Bewegung, Licht, elektronischen Sounds und der menschlichen Stimme, die das Publikum interaktiv miterleben darf. Das drei Mann-/Frau-starke Team der the paranormal φeer group entführt uns hingegen vom 13. bis 15. November 2020 in Essen auf einen spannenden Raumschifftrip, bei dem ihr vollkommen ziellos durch das All treibt. Im Projekt “In of course i still love you loss of signal” wird das Publikum mitsamt einzigartig musikalischer Untermalung samt Live-Improvisation und einem selbstgebautes Sci-Fi-Orchester das vereinsamte Vehikel erkunden und die Geheimnisse von Zeit und Raum entdecken. Weiter geht es mit dem Videowalk, der Besuchern dieses Jahr die Möglichkeit bietet das Messegebiet mit vorproduziertem Audio- und Videomaterial zu erkunden. Das Ganze funktioniert via Tablet samt Kopfhörern und zeigt wie sinnvoll das Medium mit der Realität verschmelzen kann. Das neunzehnköpfige Why Not? Kollektiv liefert euch zudem eine ganz besondere Performance. Diese will im Rahmen der performativen Installation “Why Not? Remember The Future” genauer beleuchten, was die Gegenwart ausmacht, sie von der Zukunft abgrenzt und welche Prozesse durch jeden einzelnen als auch das übergeordnete Kollektiv bestimmt werden. Genauere Informationen zu den angekündigten Performances findet ihr hier.
Quelle: Next Level Festival
Auch der Ausstellungsbereich bietet in diesem Jahr viele zukunftsweisende Ideen und Spiele an, die sowohl Groß als auch Klein zu verzaubern wissen. Voxon Photonics stellt in diesem Jahr eines der fortschrittlichsten volumetrischen 3D-Displays der Welt genauer vor. Ganz ohne separate Brille können Spieler hier alte Videospiel-Klassiker auf eine ganz neue und futuristische Art erleben und zwar in Form von realistischen Hologrammen. Das Indie-Projekt Orwell soll Besuchern hingegen eine dystopische Zukunftsvision alla Big Brother, einem totalen Überwachungsstaat, näherbringen als auch deren Konsequenzen aufweisen. In der Rolle dieser autoritären Regierung heißt es nun für den Spieler private Dateien, Nachrichten und Informationen der Bevölkerung zu durchforsten, um den Verantwortlichen eine Reihe von Terroranschlägen zu finden. Das Indie-Projekt Liberated aus dem Hause der polnischen Spieleschmiede Atomic Wolves weist ein ähnliches düsteres Zukunftsszenario auf. Im handgemalten Graphic Novel werdet ihr in eine Welt entlassen, die permanent Online angebunden ist und sich dadurch stringent auf bestem Weg in einer Autokratie befindet. Die Simulation Democracy 4 startete Anfang Oktober bereits in einer Early-Access-Phase durch. Inhaltlich verschlägt euch das Projekt aus dem Hause Positech Games an die Regierungsspitze, wo ihr nun Steuern, Wirtschaft, Außenpolitik, Verkehr, Recht und öffentliche Dienste selbst kontrollieren und steuern müsst – je nachdem wie ihr die Entwicklung eures Landes für gerechtfertigt erachtet. Als besonderes Schmankerl stellt Ubisoft ebenfalls den AAA-Giganten Watch Dogs Legion zum Anspielen bereit. Hier dreht sich alles um eine dystopische Version Londons, wo Unterdrückung und Kriminalität vorherrschen. Dank des besonderen Spielkonzeptes, indem ihr die Kontrolle über jeden einzelnen NPC Londons übernehmen könnt, schlagt ihr euch nun in Third-Person-Manier gegen die autoritäre Obrigkeit durch. Das Indie-Projekt Occupy Mars spielt zudem auf das Thema Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit an. Der Name ist Programm: Da die Erde mittlerweile unbewohnbar geworden ist, besiedeln die Menschen nun den Mars. In der Simulation von Pyramid Games werden Spieler gezwungen unter lebensechten Bedingungen die Bedürfnisse der Spielfiguren auf dem noch fremden Planeten zu erfüllen und gleichzeitig eine neue Heimat für die Menschheit auszubauen. Mit Trejo wartete ebenfalls ein buntes arcadiges Adventure rund um die Thematik Staat der Zukunft darauf ausprobiert zu werden. Einen genaueren Überblick über alle Spiele auf dem Next Level Festival 2020 könnt ihr euch hier verschaffen.
Quelle: Next Level Festival
Das Motto „Future(s) in Games & Games of the Future“ wird auch 2020 natürlich von diversen Diskussionen und Konferenzen begleitet. Unter anderem können sich Interessenten hier die VR-Performance “Willkommen bei Ashram Mommies” näher ansehen. Dieses Projekt geht der Frage auf den Grund, wieso die Menschen noch den Traum vom genetisch verwandten Kind verfolgen und wie die Rolle dieser in einer apokalyptischen Gegenwart zu werten ist. Designer und Künstler Georg Hobmeier wirft bei seinem Vortrag “Über Dokumentarfilme und die Rohstoffindustrie” den Blick über den Tellerrand hinaus und befasst sich konkreter mit „dokumentarischen Spielen“, die nicht von einer fiktionalen Idee angetrieben werden. Nadine Kolodziey fängt hingegen mit ihrem Augmented Reality-Spiel den Zeitgeist ein. Das AR-Game zum Corona-Lockdown lässt dabei eure Realität mit einem sicheren, digitalen Raum verschmelzen und zeigt wie Austausch und Zusammenarbeit während einer globalen Pandemie funktionieren. Kishonna Gray wird sich zudem mit dem Vortag „Black Streamers Changing the Game“ konkreter zur Thematik der weiblichen Spielerschaft äußern und die Frage klären was es bedeutet, eine Frau im Spiel zu sein. Über Ökologie & Digitalität wird sich in einem weiteren Vortrag Dirk Meyer ausführlicher auslassen. Dieser geht verstärkt auf die Digitalisierung ein sowie dessen Zusammenhang zur Nachhaltigkeit. Dabei klärt er die Fragestellung: Wo liegt der Mehrwert in Digitalisierung und wann ist der Einsatz der digitalen Technologie sinnvoll? Einen genaueren Überblick der Konferenzen erhaltet ihr auf der offiziellen Webseite des Next Level Festivals.