Nachdem Entwickler From Software mit der stimmigen Zusammenführung unverbrauchter Spielmechaniken seinerzeit ein vollkommen neues Genre definierte und die anspruchsvolle Spielegattung des Souls Like daraufhin zunehmend an Popularität gewann, wollten auch andere Studios am neuen Erfolgskonzept partizipieren – darunter auch die deutsche Spieleschmiede Deck 13, die sich nun mit Titeln wie Lords of the Fallen sowie The Surge und The Surge 2 in den internationalen Gefilden einen Namen machen konnten. 2023 wagte sich das Frankfurter Entwicklerstudio nun aus der eigenen Komfortzone heraus und veröffentlichte mit Atlas Fallen ein Action-Rollenspiel mit Koop-Einlage, das auf den ersten Blick so gar nichts mit dem motivierend-forderndem Spielkonstrukt gemeinsam hat, das den deutschen Entwickler einst groß machte. Wie sich das deutsche Studio nun auf dem gänzlich neuen ”Spielfeld” positioniert und ob es ein weiteres Mal gelingt sich gegen die bereits etablierte Konkurrenz durchzusetzen, erläutern wir in unserer Review.
Die Rahmenbedingungen
Die Handlung von Atlas Fallen ist so zweckdienlich wie banal, scheitert leider schon initial am Aufbau eines nachhaltigen Spannungsbogens und verliert sich dabei zunehmend in Belanglosigkeiten: Als namenloser Held stellt ihr euch dem diskriminierenden Kastensystem eines mächtigen Gottes, trefft einen Geist, der sich in einem mystischen Handschuh manifestiert und wollt nun den verwaisten Wüstenplaneten samt seinen Bewohnern retten. Oder so. Die Story-Grundidee birgt durchaus ein gewisses Potential, um das Spielgeschehen in einem soliden, motivierenden Rahmen zu betten, Entwickler Deck 13 scheitert letztendlich aber eben genau in der Ausarbeitung dessen. Eindimensionale und oberflächliche Dialogsequenzen, der mühsame, zähe Auftakt und die Abwesenheit von Cutscenes fällt nicht nur zulasten der Inszenierung, sondern hemmt auch die Zugänglichkeit und damit einhergehend die obligatorische Bereitschaft des Spielers das Geschehene in Gänze aufzuarbeiten, zu greifen. Was bleibt, ist vornehmlich Irrelevanz, das Narrativ wird zur Randerscheinung, die Handlung zum trivialen Beiwerk degradiert. Zumindest versucht man die inszenatorischen Unzulänglichkeiten mit der akustischen Qualität zu kompensieren. Dabei dürfen wir vor allem in der deutschen Sprachausgabe hochkarätigen Synchronschauspielern lauschen, während die restliche Soundkulisse das actionreiche Spielgeschehen adäquat untermauert. Optisch aus der letzten Konsolengeneration entflohen, machte Atlas Fallen größtenteils dennoch eine gute Figur auf der Xbox Series X. Leider gehören auch nachladende Texturen sowie unansehnliche Pop-ups zum Repertoire des Hack and Slay. Während unseres Testzeitraums (vor Release!) störten auch immer wieder kleine Server-Unzulänglichkeiten unsere Koop-Sessions, größere Schnitzer wie zusätzliche Spielabstürze sind derweil aber nicht aufgetreten.
Schnelles Gameplay, ermüdender Einstieg
Atlas Fallen distanziert sich spielerisch ganz klar vom From Software Genre-Usus und wendet sich entschieden dem durchaus zugänglicheren Hack and Slay Spielgeschehen zu. Ganz nach dem bekannten Devil My Cry-Spielgefühl, bestehen eure Aktionen hier vornehmlich aus Button-Mashing und Plattforming-Passagen, anstatt behäbigeren Angriffen, Ausweichmoves oder Parademanövern. Mitsamt eures sprechenden ‘Sandhandschuhs’ lassen sich aus dem körnigen Sediment um euch herum nun Waffen beschwören, die durch anhaltende Kombo-Frequenz nicht nur an Größe gewinnen, sondern auch an Schlagkraft. Durchaus interessant: Anders als in den gängigen Vertreter des Subgenre wird euer spielerisches Vermögen so auf dem möglichst direktesten Wege an euch ‘zurückgespielt’. Indem auf eine plakative Rangzuordnung verzichtet und Feedback zum Kampfgeschehen unmittelbar im Kampfgeschehen selbst manifestiert wird, entsteht eine Art der Konditionierung, die eine rapide Lernkurve forciert und so in dem so notwendigen Erfolgsgefühl resultieren kann. Um gleichsam aber das Spielgeschehen nicht vollends im defensiven zu verlieren, baut Deck 13 bewusst auf die Korrelation von zwei weiteren Spielelemente. So steigen mit fortschreitendem Kampfgeschehen und erfolgreichem Kombo-Aufbau nicht nur eure Schadenswerte, sondern eben auch die des Gegners. Werdet ihr nun getroffen, kann sich eure Lebensleiste durchaus schon einmal rasch dezimieren. Um dem entgegenzuwirken, kommt euer Amulett samt dessen Heilladungen zum Tragen, das sich eben ausschließlich durch aktive Auseinandersetzung mit euren Kontrahenten regeneriert: Heilung durch Angriff, Offensive wird mit Defensive belohnt. Was hier grundsätzlich entsteht ist ein zwar in sich schlüssiges Spielfundament – wenn man nun großzügig vom insuffizienten Trefferfeedback der Waffen absieht – dass allerdings initial vor allem in seiner Redundanz und seiner Trivialität der Motivation zu Lasten fallen kann: Atlas Fallen nimmt nämlich unsagbar schleppend an Fahrt auf.
Taktischen Tiefgang versucht Deck 13 indes durch angelagerte Rollenspiel-Elemente zu initiieren. Auf einen separaten Skilltree verzichtet der Frankfurter Entwickler hier zwar in Gänze, das Level eures Alter Egos wird allerdings über eure Ausrüstung sowie euren redseligen Gauntlet gesteuert. Euer Equipment bezieht sich dabei vor allem auf eine übersichtliche Auswahl an Rüstungen sowie den drei Waffentypen, von denen ihr zwei simultan auswählen könnt. Triviale Genre-Gepflogenheiten, die erst in Kombination mit den Essenzsteinen ein zweifellos durchdachtes, tiefgehendes Spielsystem offenbaren, das sowohl auf die strategische Ausrichtung sowie euren individuellen Spielstil einzahlt. Diese mächtigen Artefakte können euch sowohl passive als auch aktive Fertigkeiten gewähren, die je nach Anordnung in der laufenden Kampfsituation eingesetzt werden. Dabei kommt die sogenannte Momentum Anzeige, die am linken unteren Bildschirmrand platziert ist, zum Einsatz. Bei erfolgreichen Angriffsketten ohne Gegenschlag eurer sandigen Kontrahenten wächst die blaue Leiste an. Je nach Füllstand werden die darunter positionierten Essenzsteine aktiviert. So können diese neben Buffs wie Schadensreduktionen oder Heilungsboost auch Spezialangriffe auslösen, die Flächenschaden initiieren oder euren Kampf gegen fliegende Gegner erleichtern. Das Forspoken Imitat fasst insgesamt 8 passive sowie drei dieser besonderen aktiven Angriffsmanöver, die selbstredend am hinteren Ende der Momentum-Leiste positioniert sind. Mit anderen Worten: Wer die mächtigsten Angriffe ausführen möchte, wird vorab eine solide Kampfperformance auf das sandige Paket gelegt haben müssen.
Auf Sand aufgebaut
Die insgesamt 150 differenten Essenzsteine lassen sich sowohl bei Händlern erwerben, mittels Blaupausen selbst craften als auch in der Spielwelt finden. Die halboffene Umgebungsstrukturen versucht man dabei verzweifelt über eben dieses Loot-Aufkommen zu rechtfertigen, verliert sich letztlich aber an ihrer leblosen, ermüdenden und folglich motivationslosen Komposition. Äußerst gleichförmige Umgebungselemente folgen dem unaufregenden Gegnerdesign und deren Abart des andauernden Respawns sowie einem höchst banalen Questdesign, dass nicht nur unter den ordinären Genre-Gepflogenheiten zur Spielzeitstreckung leidet, sondern mitunter auch aus der Belanglosigkeit des Narrativs resultiert: Redundanz wird zum Saboteur des Erkundungsdranges. Dennoch schafft man es, die halboffenen Areale nicht vollkommen in eben dieser Tristesse zu verlieren. Grund dafür: die Mobilität und Fortbewegungsmöglichkeit eures Alter Egos sowie der verstärkte Platformer-Einschlag. Um auf dem Wüstenplaneten voranzukommen, greift ihr auf die Fähigkeit eures mystischen Fäustlings zurück, auf dem körnigen Untergrund zu surfen. Dieses System gibt sich dabei äußerst dynamisch, entkrampft die redundanten Strukturen und schafft es in groben Zügen sogar, die starke Monotonie der Spielwelt zu kompensieren. Klingt zunächst utopisch, ja, aber viel zu oft durfte ich mich selbst dabei beobachten wie ich die Spielwelt nicht durchstreifte, um neuer Ausrüstung oder Nebenquest aufzuspüren, sondern um, naja, eben lediglich die Welt zu durchstreifen. Der Flow, der hier entsteht, kommt unter anderem auch den aktiven Kampfsituationen zugute und zeigt sich ebenso unverkennbar in den angelagerten Platforming-Passagen. Als weitere Stütze für das Fundament der eher fragilen Spielwelt nutzt Deck 13 nämlich zahlreiche Geschicklichkeits-Test alla Devil May Cry, in denen ihr über Schluchten hinweg gleitet oder hohe Ruinen erklimmt. Kleine Rätsel inklusive – so müssen hier und da mal Fragmente aus dem Sand gehoben werden, während an anderen Stellen Schalter betätigt werden wollen. Die Mechaniken funktionieren dabei smooth genug, um partiell zu motivieren und das Spielgeschehen aufzulockern – an die Dynamik des hoch budgetierten Genre-Konkurrenten reicht es hingegen aber dennoch nicht heran.
Als nettes Schmankerl kann Atlas Fallen zudem mit einem kooperativen Multiplayer aufwarten. Hier dürfen bis zu zwei Spieler gleichzeitig durch die Wüstenlandschaft surfen und sich Seite an Seite den Gegnerhorden stellen. Leider verbleibt diese Koop-Option letztendlich aber eben genau das: ein optionales Beiwerk, das auf das spielerische Grundgerüst notdürftig angelagert wurde, um als ein dankbares Argument FÜR das Spiel wahrgenommen zu werden. Das initiale Defizit an Individualisierungs- und Anpassungsgoptionen sowie einige Unzulänglichkeiten innerhalb der Kämpfe, ob nun die strategische Ausrichtung oder die starke Verwechslungsgefahr samt Kameraproblemen, lassen Synergieeffekte vermissen, rauben der Koop-Möglichkeit etwas an Eleganz, greifen die ‘Spielbarkeit’ selbst aber nie an.