Wir steuern derzeit auf einen turbulenten Release-Zeitraum von hochkarätigen Videospielen zu. Ein potenzielles Highlight jagt das Nächste. Aber: Gerade fernab der AAA-Games, klassischer Shooter, Action-RPG’s etc., gibt es auch den ein oder anderen Titel, der mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Ein solcher ist Bomb Rush Cyberfunk. Ich habe den abgefahrenen Titel gespielt und möchte euch erklären, warum ihr für dieses Spiel auch mal getrost einen anderen Titel sausen lassen könnt.
Irgendwoher kenn ich das doch
Am Ehesten springt wahrscheinlich die sehr einzigartige Ästhetik des Spiels ins Auge. Einzigartig? Fast! Denn wer es kennt: Jet Set Radio erinnert verblüffend daran. Der Cel-Shading-Look präsentiert sich bunt und mit einer gewissen Prise Retro-Charme. Ich fühlte mich sehr an ältere SEGA-Titel der PS2-Ära erinnert. Doch es ist nicht nur der Art-Style. Die ganze Attitüde riecht quasi nach Jet Set Radio. Bomb Rush Cyberfunk zeigt sich verspielt, abgedreht und hat eine eigene Interpretation eines Platformers. Aber fangen wir von vorne an.
Wir spielen Faux während eines Ausbruchsversuchs aus einem Gefängnis in New Amsterdam. Doch kurz vor dem sicheren Ziel verliert Faux durch DJ Cypher seinen Kopf. Also wortwörtlich. Durch die Hilfe von Tryce erhält Faux einen Cyber-Roboter-Kopf und behält somit seinen ursprünglichen Körper. Sein neuer Name: Red. Nun gilt es aber seinen richtigen Kopf zu finden und wieso es überhaupt zur Enthauptung kam. Das alles klingt aber härter, als es eigentlich ist. Denn Bomb Rush Cyberfunk ist extrem lustig! So richtig viel Tiefgang oder Dynamik darf man innerhalb der Story nicht erwarten. Das punktet eher durch seinen Humor, als durch seine Geschichte.
Ey jo!
Der Titel nimmt sich in großen Teilen nicht wirklich ernst und punktet mit hervorragendem Humor. Egal ob es die teils weirden Moves der Figuren sind, die großartig geschriebenen Dialoge oder aber auch Tryce, der zu Beginn eines jeden Dialogs mit dem lässigsten Bronce „Ey jo!“ daherkommt, dass es in Videospielen gibt. Der Ansatz hier scheint einfach ein absolutes Feel-Good-Game zu liefern. Mission accomplished. Aber nicht nur deswegen! Denn das liegt insbesondere am gesamten Game Design.
Red steuert man durch Hub-Welten, die überschaubar groß sind, aber genug Platz zum Erkunden liefern. Doch Bomb Rush Cyberfunk ist kein Titel, der klassischen Platforming-Mechanismen folgt. Vielmehr versteht es sich als interaktiver Spielplatz zum Austoben der Kernmechanik. Diese besteht aus der Fortbewegung durch auf einem Board, später auch noch mittels Inline Skates und BMX bei der Steuerung anderer Charaktere, mitsamt eines ausgefeilten Trick-Systems.
Alles für die Reputation
Um den verlorenen Kopf wieder zu erlangen, erhofft sich Red mittels steigender Reputation, dass er diesen von DJ Cypher zurückerhält. Ob das gut geht? Jedenfalls ist das Ziel also Reputation zu steigern. Dies gelingt, in dem man gewisse Spots in der Stadt findet, an denen man vorhandene Graffitis mit dem eigenen Mustern übermalt. Dazu später mehr. Die Graffiti-Spots sind aber nicht immer einfach zu erreichen. Oftmals muss man sich zunächst ein Bild von der Welt verschaffen und schauen, welche waghalsigen Wege man dafür gehen, bzw. befahren muss. Um die Orte zu erreichen, bedarf es nämlich Geschick und Übung, da man teils über mehrere Spots und Objekte hinweg fahren, grinden und springen muss. Die Level-Architektur ist komplett darauf ausgerichtet, dass man das Movement dabei voll ausschöpft. Doch die große Kunst des Spiels ist eine andere.
Dadurch, dass ich mich so intensiv mit den Möglichkeiten des Movements und dem Aufbau der Welt beschäftige, verbringe ich eigentlich am Ende des Tages mehr Zeit damit mein eigenes Ding zu machen, anstatt der Hauptmission zu folgen. Ich verlor mich einfach ständig darin scheinbar unerreichbare Orte zu erklimmen und mehrere Kombinationen an Tricks zu verknüpfen. Mittels A, B, X, Y kann man nämlich Tricks auf dem Board ausführen. Diese lassen sich wiederum mit Sprüngen und Grinds verknüpfen. Dabei gilt es jedoch nicht die Kette zu unterbrechen oder an Tempo zu verlieren. So kann man etwa auf einem Geländer grinden und in einer Kurve beispielsweise einen kleinen Boost auslösen, wenn man den Stick rechtzeitig in die richtige Richtung bewegt.
Aus einem Guss
Das ganze System geht dabei wunderbar von der Hand und bietet ein erstklassiges Spielgefühl. Egal, ob ich eher experimentell an das Spiel herantrete oder aber nur den Missionen folge. Bomb Rush Cyberfunk weiß auf jede dieser Arten Spaß zu machen. Die Steuerung ist äußerst präzise und das grundsätzliche Movement in Kombination mit dem Ziel die verschiedenen Spots zu erreichen funktioniert großartig fluid. Zwischendurch gibt es quasi auch Challenges, in der man ein vorgegebenes Trick-Muster bestmöglich nachmachen muss. Leider kommen diese Turf Wars ohne Time Trials o.ä. aus.
Aber es läuft nicht alles friedlich ab. Auch gekämpft wird in Bomb Rush Cyberfunk und das ebenfalls mit Stil. Über die gängigen Haupt-Buttons lassen sich auch Angriffe durchführen, die schon eher an Kapoera erinnern, aufgrund ihrer tänzerischen Stilistik. Doch der Flow kommt hier nicht ganz so zur Geltung, weil ich die ganzen Möglichkeiten zur Verkettung, wie im Movement, hier nicht ganz so genießen. Es fühlt sich nicht so flüssig, vielleicht sogar ein bisschen clunky an. Es ist aber nicht so, dass die Fights keinen Spaß machen. Als Ergänzung gliedert es sich recht gelungen in das Gesamtkonstrukt ein. Doch sie bleiben hinter dem gegebenen Potenzial zurück und lassen den Aufbau vermissen, der das grundsätzliche Movement so bereichert.
Ein wenig mehr hätte man auch aus dem Platzieren von Graffitis machen können. Denn hier müssen mit einer Kombi aus Strichen, in einer gewissen Reihenfolge, die bunten Muster an die Wand gebracht werden. Das System ermüdet jedoch nach einiger Zeit, auch wenn sich die Reihenfolgen je nach Muster unterscheiden.
Immer im Vibe
Ein Highlight des Spiels will und darf ich nicht unterschlagen: Der Sound. Was der Name bereits andeutet, vollendet sich im Spielgeschehen erst wirklich. Denn das Spiel präsentiert fortwährend passende Klänge in Form von Low-Fi, Funk und Hip Hop Tracks. Diese sind zwar formell hintergründig, sind aber so gut komponiert, dass ich mich einfach ständig dabei ertappte, wie ich mitwippte. Sie sind eingängig, groovy und repräsentieren so sehr das gesamte Spielgefühl des Titels.
Ein Grund, warum das so stimmig ineinandergreift, ist sicherlich auch Hideki Naganuma. Dieser war auch als Composer für Jet Set Radio tätig und daher dürfte die Parallele auch auditiv so hervorstechen. Es rundet das Gesamterlebnis gekonnt ab.