Test

Test: Dustborn

Tiefgründige Geschichten, zerreißende persönliche Schicksale und zahlreiche Wendungen. Nicht weniger verspricht der Titel Dustborn, welcher von Red Thread Games kommt. Das Studio, welches für die durchaus positiv in Erinnerung gebliebenen Spiele Draugen und Dreamfall Chapters verantwortlich ist, konnte sich die Publishing-Zusammenarbeit mit Quantic Dream sichern. Die kenn man ja durch z.B. Beyond: Two Souls oder Detroit: Become Human. Aber Dustborn setzt, neben dem Fokus auf eine umfangreiche Geschichte, auf noch viel mehr Dinge. Ob und inwiefern das aber am Ende zu einem gelungene Spiel geführt hat, dröseln wir mal für euch auf.

Auf der Flucht

Pax, eine ehemals straffällig gewordene Frau, befindet sich auf heikler Mission. Sie soll ein mysteriöses Paket von Pacifica nach Nova Scotia bringen, mit der Aussicht auf ein besseres Leben. Denn die USA sind in der fiktiven Welt, die im Jahr 2030 angesiedelt ist, ein zerrissener Staat, der von der Justice kontrolliert wird. Eine Art Militärpolizei. Was für ein Päckchen? Was wartet auf Pax in der neuen Welt? Alles unbeantwortete Frage. Zur Seite stehen ihre Gefährt*innen Sai, Theo und Noam. Ein ungleiches Quartett. In Dustborn spiele ich nur Pax, bekomme aber durch die zahlreichen Gespräche einen tieferen Einblick in die Psyche der Figuren. Denn das meist eher linear und übersichtlich gehaltene Adventure nimmt sich viel Zeit dafür, dass ich mit den Charakteren spreche, verschiedene Antwortmöglichkeiten wähle, aber Gespräche auch beenden kann, anstatt tiefer nachzubohren. All das wirkt sich auf die Beziehung zu den Figuren aus.

Am Lagerfeuer kommt man zur Ruhe, lernt sich näher kennen und spricht über Gott und die Welt.

Auf Mikroebene spüre ich das auch immer wieder. Ich kann verständnisvoll sein, sodass sich Charaktere öffnen. Ich kann mich auf eine alte Liebschaft einlassen und intimer werden. Alles obliegt den Dialog-Optionen, die ein wesentlicher Teil des Titels sind. Doch auf Makroebene habe ich dennoch irgendwie oft das Gefühl, nicht immer einen einschneidenden Einfluss auf den Ausgang elementarer Spielszenen zu haben. Es wirkt auf mich, als seien die wesentlichen Sequenzen unabhängig von meinen Entscheidungen inszeniert worden. Etwas schade, weil ich auch gerne sehr tragende Entscheidungen spüren möchte. Sicherlich ein Punkt, den “reine” Quantic-Dream-Games nochmal besser lösen. Ein Kniff sind noch die Vox. Angeborene Spezialkräfte. Während Sia kurzzeitig besonders viel Kraft entwickelt, kann Pax mithilfe ihrer Stimme Personen beeinflussen. Das fällt zwar meistens auf und sorgt für Unmut, aber richtig dagegen wehren können sich Andere auch nicht. 

Tempo?

Dennoch schafft es die Geschichte mich zu faszinieren. Vor allem die Wendungen, die teils mysteriöse Züge annehmen, alte Freundschaften thematisieren, als auch familiäre Abgründe. Dabei stechen die schön geschriebenen Dialoge und der Einfluss von “natürlichen” Gesprächen hervor. Zeilen, wie sie halt auch mal eher im Alltag fallen und nicht gekünstelt, wie in Filmen. Das sorgt für eine persönliche Note, die mir durchaus gefällt. Mit einem Plus, kommt leider ein Minus. Denn das Pacing zerreißt mir leider immer wieder etwas den Spielfluss. Dem Spiel gelingt es zwar immer wieder neue Elemente vorzustellen, die das Geschehen auffrischen und mir stets einen Motivationsschub geben (mehr dazu gleich), aber teils arten manche Passagen doch zu sehr aus, wirken gestreckt und ermüden dann doch hin und wieder, weil es auch nicht immer allzu interessante Dinge zu erfahren gibt.  

Die Justice überlassen nichts dem Zufall und haben den Staat im Griff.

Die Kraft der Stimme

Wie aus dem Nichts, wenn man schon etwas zu sehr in seinen Gaming-Sessel versinkt, zieht dann das Tempo aber wieder an, offeriert mir Dramaturgie, unvorhergesehen Wendungen und auch Action. Letztere passiert auch durch Kämpfe. Mit der X-Taste (Xbox-Controller) prügel ich relativ behäbig, aber kräftig, auf die Gegner ein. Dabei handelt es sich meist um die Justice oder Plünderer. Mit der A-Taste rolle ich zur Seite und mit B blocke ich. So weit, so Standard. So richtig rund laufen die Fights aber nicht. Zwar kann ich per Stickdruck einen Gegner anvisieren, aber gerade wenn mehrere Gegner den Bildschirm füllen, geht die Übersicht schnell flöten. Das liegt auch daran, dass sich der Lock-On nicht etwa so einfach von Gegner zu Gegner springen lässt, aber auch weil die Kamera in dem Fall nicht immer den richtigen Winkel wählt. Das ist besonders deswegen schade, weil das Kampfsystem sich einige Dinge traut, die ich von solch einer Art von Spiel nicht erwartet hätte. Ich kann, sofern aufgeladen, mit Y einen Spezialangriff ausführen, der mich eine Verkettung von Angriffen durchführen lässt, sofern ich das QuickTime-Event schaffe. An sich nichts Besonderes, dafür ist es aber actionreich inszeniert und sehr befriedigend. Aber auch die zuvor erwähnten Vox kann ich einsetzen und haben mehrere Facetten. Gegner einfrieren oder per Flächenangriff umhauen, es gibt mehrere Variationen, wie ich sonderbare Fähigkeit für mich nutzen kann. Das sorgt für eine eigentlich gute und abwechslungsreiche Basis, der es an manchen handwerklichen Fehlern krankt und sich insgesamt etwas zu zäh anfühlt.

Die Kämpfe sind cool inszeniert, probieren sich aus, aber sind auch ein wenig klobig im Handling.

Abwechslungsreicher Aufbau, aber auch sinnvoll?

Wie es sich für ein Kampfsystem gehört, gibt es auch Wege die Fähigkeiten zu verbessern, inklusive Skill Tree. Der legt nach und nach tatsächlich recht hilfreiche Erweiterungen frei, die im Kampf von Vorteil sind. Die Frage ist eher nach der Sinnhaftigkeit. In den ersten 3-5 Stunden stieß ich glaube ich auf 3, 4 Situationen, in denen ich max. 5 Minuten kämpfen musste. Als besonders anspruchsvoll entpuppten sich diese dabei nie so wirklich. Dennoch meine Angriffsskills verbessern? Kann ich. So richtig als nötig empfunden habe ich es allerdings nicht. Ich wünschte ich würde mich nach coolen Erweiterungen sehnen, die ich auch bitter benötige, um meine Kämpfe zu meistern. In Dustborn fühlen sie sich mehr wie ein Nice-to-Have an. Und da stellt sich auch die Frage: Braucht ein solches Spiel überhaupt ein Kampfsystem? Trotz der Idee die Stimme nutzen zu können, wirkt es unterm Strich mehr wie ein Addon. Eines, welches für diese Art von Spiel nicht zwingend nötig wäre, wenn das Pacing stimmiger wäre. Dennoch bin ich froh, dass es drin ist. Denn Dustborn gelingt es ziemlich gut nach gewissen Punkten immer wieder abwechslungsreiche neue Features einzubinden. Sei es Fernkampfangriffe oder das Jagen von Echoes, sogenannten Geistern, die sich in den Köpfen mancher Menschen eingenistet haben, oder sei es diverse Zeitsprünge in die tiefere Vergangenheit. An anderer Stelle kommt zum Tragen, dass die ungleiche Truppe auch eine Rockband ist, zwischendurch Songs komponiert und auch Auftritte absolviert. Das äußert sich in Form von kleinen Minispielen, die ebenfalls enorm zur Auflockerung des Geschehens beitragen. Dustborn gelingt es nur nicht immer das Pacing richtig abzustimmen. 

Pax besucht ihre alte Heimat.

Comic-Buch

Generell ist Dustborn als Spiel gewordener Comic aufgebaut. Stilistisch zeigt sich dies durch einen Comic/ Cell-Shading Grafikstil, der zeitlos, schick und richtig hübsch daher kommt. Insbesondere so manche Effekte wirken extrem stimmig und schlagen da gekonnt die Brücke zwischen den Stilen. Der Comic-Look ist mal mehr, mal minder stark vertreten, findet aber immer das richtige Ausmaß die meist lineare, selten etwas offenere Welt in Szene zu setzen, die ein breites Portfolio an verschiedenen Locations mit sich bringt. Besonders cool sind die gelegentlichen Einblendungen der Figuren im Chibi-Look oder die Kapitelenden, die sogar komplett als Comic dargestellt sind und auch als Recap für die Geschichte dienen. 

Dazu ergänzt sich die hervorragende englische Sprachausgabe. Eine Deutsche gibt es leider nicht, aber immerhin gibt es deutsche Untertitel. Insgesamt gelingt es dem Studio aber ein audiovisuell richtig ansprechendes Werk auf die Beine zu stellen. 

Fazit

Auf jedes Lob kommt ein kleines “Aber”. Das ist auch der Grund, warum ich Dustborn zwar als Gesamtwerk viel abgewinnen kann, aber eben nicht so viel, wie ich es mir selbst wünschen würde. Denn das Spiel kreiert eine interessante Welt mit facettenreichen Figuren. Ich mag, wie sehr ich mich in die Gedankenwelten hineinversetzen und den toll geschriebenen Dialogen lauschen kann. Auch die grundsätzlich verschiedenen Mechaniken und Spielelemente wissen zu unterhalten. Was mich aber vor allem stört ist teils das Erzähltempo, welches zwischenzeitlich zäh sein kann, als auch das ungenutzte Potenzial des Kampfsystems. Das gibt mir zwar einige spannende Möglichkeiten an die Hand, stößt allerdings auf eine etwas klobige Spielbarkeit und mäßig herausfordernde Gegner. Da ich aber auf vielseitige Charaktere, den charmanten Look und den Ideenreichtum stehe, ist Dustborn für mich ein gelungenes Story-Game.

Gib deinen Senf dazu

Bitte gebe deinen Kommentar ein!
Bitte gebe hier deinen Namen ein

Auf jedes Lob kommt ein kleines “Aber”. Das ist auch der Grund, warum ich Dustborn zwar als Gesamtwerk viel abgewinnen kann, aber eben nicht so viel, wie ich es mir selbst wünschen würde. Denn das Spiel kreiert eine interessante Welt mit facettenreichen Figuren. Ich mag, wie sehr ich mich in die Gedankenwelten hineinversetzen und den toll geschriebenen Dialogen lauschen kann. Auch die grundsätzlich verschiedenen Mechaniken und Spielelemente wissen zu unterhalten. Was mich aber vor allem stört ist teils das Erzähltempo, welches zwischenzeitlich zäh sein kann, als auch das ungenutzte Potenzial des Kampfsystems. Das gibt mir zwar einige spannende Möglichkeiten an die Hand, stößt allerdings auf eine etwas klobige Spielbarkeit und mäßig herausfordernde Gegner. Da ich aber auf vielseitige Charaktere, den charmanten Look und den Ideenreichtum stehe, ist Dustborn für mich ein gelungenes Story-Game. Test: Dustborn