Knapp 6 Jahre ist es nun her, dass die neue Far-Cry-Formel mit dem mittlerweile dritten Teil der Serie ihren Anfang fand. Seither hat der französische Publisher Ubisoft zahlreiche weitere Ableger sowie Nachfolger konsequent und kontinuierlich auf diesem bewährten Prinzip aufgebaut, darunter das Steinzeit-Spinn-Off Primal, die 80er Hommage Blood Dragon oder aber das offizielle Serien-Sequel Far Cry 4. Trotz der stetigen und mannigfaltigen Settingwechsel sieht sich das Franchise dennoch immer wieder von Seiten der Spieler als auch der Fachpresse mit Vorwürfen konfrontiert, die insbesondere dessen Gleichförmigkeit, Abnutzungserscheinungen und nicht zuletzt dessen Unvermögen sich weiterzuentwickeln anprangern.

Mit Far Cry 5 steht nun aber schon der nächste große Hoffnungsträger bereit um auf den Pfaden von Assas Origins im letzten Jahr zu wandeln und das eingeschlafene Franchise vor der Belanglosigkeit zu retten. Ob uns Far Cry 5 ein weiteres Mal die alte Far-Cry-Leier vorspielt oder aber doch eine erfrischende Serien-Kehrtwende hinlegt, lest ihr in unserem Test.

In Far Cry 5 verschlägt es euch in die beschauliche Provinz Hope County, Montana.

Rebellen vereinigt euch

Far Cry 5 entführt den Spieler in den realitätsnahen, wenngleich auch fiktiven US-Landstrich Hope County im Bundesstaat Montana. Die im Norden der USA gelegene Provinz ist aber weit weniger Idylle als seine verschlafene Anmutung auf den ersten Blick vermuten lässt: Unter dem Namen “Project at Eden’s Gate” hat der Fanatiker Vater Joseph Seed eine bis unter die Zähne bewaffnete Sekte um sich geschart, die dessen Worten leichtgläubig Folge leistet und so die gesamte Region unterjocht.

In der Rolle eines namenlosen Hilfssheriffs werden wir nun also beauftragt den vermeintlich Gottgesandten aufzuspüren und ein für allemal dingfest zu machen. Es kommt schließlich wie es kommen muss und der Coup geht gründlich schief: Vollkommen abgeschnitten von der Außenwelt und fast gänzlich auf sich allein gestellt, gilt es die Widerstandsbewegung der Rebellen neu zu formieren und der Terrorherrschaft von Bösewicht Seed unwiderruflich ein Ende zu setzen.

Far Cry 5 profitiert ähnlich wie seine Vorgänger von einer cineastischen Inszenierung, tollen Kamerafahrten sowie ansehnlichen Perspektivwechseln. Die Geschichte sowie der Settingwechsel wissen dank aktueller Relevanz zu fesseln, mit bildgewaltigen Szenarien zu schockieren und bieten sogar die ein oder andere unterhaltsame Storywendung.

Einige Cutscenes werden je nach Spielfortschritt zufällig eingestreut.

Einen neue Hoffnung

Far Cry 5 gewährt dem Spieler in vielen Belangen deutlich mehr Freiheiten, was sich nicht zuletzt auch in der Mission Abfolge wiederspiegelt. Während die drei, nicht minder wahnsinnigen Geschwister des selbsternannten Propheten Hope County in drei Herrschaftsgebiete geteilt haben, steht es dem Spieler frei diese in beliebiger Reihenfolge von ihrer Besatzung zu befreien. Dieser Umstand mag Spielern zunächst wie eine willkommene Abwechslung zur sonst so lienaren Missionsabfolge vorkommen, hat aber leider auch so seine Tücken.

Die einzelnen Storymissionen leiden trotz ihres abwechslungsreichen Designs ohnehin schon an einer oberflächlichen Erzählstruktur und müssen sich nun auch noch dem Umstand geschlagen geben inhaltlich absolut austauschbar zu sein. Eine spürbare Spannungskurve will sich zu keiner Zeit so wirklich aufbauen, richtige Highlights können wir am Ende unserer Reise kaum noch formulieren.

Der Vater höchstpersönlich wird von drei weiteren Zwischenbossen begleitet.

Hinzu kommt, dass die Missionen zwar überaus zahlreich daherkommen, aber schon nach einigen Spielstunden einen monotonen und repetitiven Aufbau erkennen lassen. Nach der fünfzehnten Mission der Marke “Wehre alle Feinde ab” oder “Sichere das Gebiet” zeichnen sich bereits erste Ermüdungserscheinungen ab, die sich bis zum Ende hartnäckig halten.
Auch der Schwierigkeitsgrad fällt insbesondere im Koop viel zu simpel aus, sodass hochgesicherte Feindeslager meist nicht mehr als einem Versuch benötigen um zurückerobert zu werden. Üppig gesetzte Rücksetzpunkte tun zumindest ihr übriges um unnötige Frustmomente zu vermeiden.

Soll ich euch wirklich nochmal erzählen was Wahnsinn ist?

Dennoch konnte uns die Geschichte bis zum Schluss bei Laune halten, zu verdanken hat Far Cry 5 dies der mittlerweile serientypischen Trumpfkarte: Den Antagonisten. Schon mit Vaas und Pagan Min wählte der französische Konzern ausdrucksstarke Charaktergrößen als Aushängeschilder für die Serien-Vorgänger. Far Cry 5 soll mit seinen charismatischen Antagonistenen, angeführt von Fanatiker Seed, in eine ganz ähnliche Kerbe schlagen.
Verkörpert wird der vermeintliche Prophet vom kanadischen Schauspieler Greg Bryk, der bereits in den Kult-Horrorfilmen der Saw-Reihe oder der Netflix-Serie Fargo zu sehen war. Bryk macht einen beeindruckenden Job, an dem die deutsche Synchronisation trotz hoher Qualität nicht ganz heranzukommen vermag. Seeds Persönlichkeit und auch sein Auftreten wirken im Far-Cry-Universum erfrischend neu und innovativ, dennoch bleibt der Sektenanführer im direkten Vergleich hinter Vorgänger Vaas Montenegro zurück. Der radikale Piratenanführer hatte seiner Zeit den Überraschungseffekt auf seiner Seite und zeigte sich weit weniger berechenbar.

Serientypisch sorgen überspitzt gezeichnete Charaktere darüber hinaus auch im neusten Ableger wieder für aberwitzige Situationen und unterhaltsame Dialoge.So begegnet ihr beispielsweise dem hungrigen Grizzly-Bären Cheeseburger, dessen Namen nicht von ungefähr kommt: Euer haariger Freund hat das namensgebende Fastfood nämlich zum Fressen gern. An einigen Stellen im Spiel macht ihr zudem Bekanntschaft mit dem kuriosen Stuntfahrer Nixon dessen absurde Rennspiele für Abwechslung und sicher auch Aufsehen sorgen.

Der eigentliche, namenlose Protagonist kommt gegen so viele charakterstarke Sidekicks kaum an und rückt nicht zuletzt aufgrund seiner stummen Attitüde zusehends in den Hintergrund. Eine eigene Persönlichkeit oder aber nachvollziehbare Handlungsgründe sucht man leider vergebens.

In Far Cry 5 steht euch einmal mehr ein üppiges Waffenarsenal zur Verfügung.

Never Change a Winning Team

Um Joseph Seed endgültig stellen zu können, gilt es zunächst Hope County von dem Einfluss der Sekte zu befreien. Hier kommt ein ums andere Mal die bisweilen etablierte Far-Cry-Formel zum Greifen: Wir können jagen oder erstmals auch fischen gehen, uns aus den gewonnenen Materialien neue nützliche Items craften, Außenposten einnehmen und haufenweise, bis an die Zähne bewaffnete Gegner erledigen. Jeder Außenposten bietet dabei neue Belohnungen und Schnellreisepunkte, jede gerettete Geisel und jeder zerstörte Sektenschrein stärkt unseren Vormarsch gegen die Obrigkeit.

Zusätzliche Herausforderungen der Marke “Erjage drei Puma” oder “Töte 20 Feinde im Nahkampf’ versorgen euch zudem mit wertvollen Erfahrungspunkten, die ihr in einen überschaubaren aber nicht minder nützlichen Skill-Tree investieren könnt. Hier lassen sich mitunter zusätzliche Gadgets freischalten, die euch erlauben die Spielwelt genauer zu erkunden.

Das zur Verfügung stehende Waffenarsenal zeigt sich einmal mehr von seiner besten und kreativsten Seite. Von Rakentwerfern über Compoundbögen bis hin zu den neuen Nahkampfwaffen haben Hobby-Freiheitskämpfer allerlei Handwerkszeug um die eigenen Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Für eine gewisse Dynamik und Flexibilität sorgen darüber hinaus diverse Ausrüstungsgegenstände wie ein Fallschirm, Wingsuit und dutzende an Fahrzeugen wie Helikopter, Quadbikes oder Trucks. Der eigenen Experimentierfreude sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Erneut dürfen wir unser Vorgehen komplett selbst bestimmen und unsere Feinde entweder schleichend aus dem Hinterhalt oder aber mit brachialer Waffengewalt erledigen. Jedes Vorgehen kann potenziell zum Erfolg führen.

Ein üppiges Waffenarsenal, einen charismatischen Bösewicht, unendlich viele Freiheiten und Actiongeballer vom Feinsten?
Auf den ersten Blick scheint sich Far Cry 5 stark an seinen Vorgängern zu orientieren. Und auch auf den zweiten Blick wagt Publisher Ubisoft wenig Experimente, sondern bekennt sich selbstbewusst auf die Stärken der Action-Reihe. Getreu dem Motto “Never Change a winning Team” sind Neuerungen zunächst einmal im Detail zu suchen.

Erstmals müsst ihr die Karte mühevoll selbst aufdecken.

Klettern war gestern

Ubisoft hat sich ähnlich wie man es bereits bei AC Origins tat von der klassischen Minimap verabschiedet und diese stattdessen durch einen Kompass in der oberen Bildschirmmitte ersetzt. Ziele und Ereignisse werden so direkt auf dem Bildschirm markiert und gewähren euch zeitgleich eine deutlich bessere Übersicht. Kämpfe gestalten sich durch den fehlenden Kartenausschhnitt weniger chaotisch, allerdings auch ein Stück weit herausfordernder.

Ein weiterer konsequenter Schritt In Richtung Neuorientierung der Serie ist die Entscheidung die ohnehin abgenutzten Türme ersatzlos zu streichen und der Erkundung der offenen Spielwelt so eine höhere Bedeutung beizumessen. Ubisoft entfernt damit auch gleichsam einen der größten Kritikpunkte der hauseigenen Spiele und macht sich sogar noch einen Spaß daraus: So witzelt ein Widerständler zu Beginn selbstironisch über die Tatsache, dass der Spieler im weiteren Spielverlauf keinerlei Türme mehr erklimmen muss

Generell hat man dem Open World-Konzept eine kleine Frischzellenkur gegönnt und stellt dessen explorative Komponente deutlich in den Vordergrund. Der Spieler wird nicht mehr von Spielbeginn an mit einer überfüllten Karte eingedeckt, sondern muss diese auf eigene Faust erkunden und aufdecken. Hilfreich sind dabei Straßenschilder oder Hinweise von Einheimischen, die euch auf neue Örtlichkeiten oder Aktivitäten aufmerksam machen. Die Open World bietet dabei deutlich mehr Freiheiten, wirkt organischer, interaktiver und fördert den Entdeckerdrang enorm.

Ganz frisch ist auch der neue Charaktereditor, in dem ihr euch zu Beginn des Spiels euren eigenen Debuty zusammenbauen dürft. Neben dem Geschlecht eures Alter-Egos stehen euch eine begrenzte Auswahl an Frisuren, vorgefertigten Gesichtern und drei verschiedene Hauttöne zur Auswahl. Der Umfang des Editors ist zwar recht überschaubar und rudimentär, für den Zweck des Koop und diverser kleinerer Multiplayer-Modi aber definitiv ausreichend.

Im Koop könnt ihr Hope County auch zu zweit erkunden.

Zwei Freunde sollt ihr sein

Eine deutlich interessantere Neuerungen stellt da schon das sogenannte “Guns for Hire”-Feature dar. Dieses neue Söldnersystem erlaubt es euch KI-Kumpanen für ein kleines Entgelt anzuheuern und via Knopfdruck in Missionen zu befehligen. Eure Mitstreiter schalten nicht nur gezielt Gegner aus, sondern können euch auch wiederbeleben falls einmal der nahende Bildschirmtod droht. Als besonderes Schmankerl warten sogar eine kleine Auswahl ganz besonders starker Begleiter auf euch: Pilot Nick Rye wirft per Befehl Bomben aus seinem Flugzeug, Scharfschützin Grace unterstützt euch mit gezielten Schüssen aus der Ferne und Hund Boomer macht Feinden auf näherer Distanz das Leben schwer.
Leider sind auch eure Begleiter nur allzu oft von Intelligenzschwankungen und KI-Aussetzern betroffen, die deren Aktionen zu einer Geduldsprobe mutieren lassen. So müsst ihr euch damit abfinden, dass die Verstärkung schonmal an kleinen Hindernissen hängen bleibt oder sich von Feindesaktivitäten in der näheren Umgebung ablenken lässt.

Seid ihr hingehen eher der kommunikative Typ, könnt ihr alternativ auch einen zweiten menschlichen Spieler zu einem actiongeladenen Koop-Trip einladen. Im sogenannten “Friends for Hire”-Modus lässt sich die komplette Geschichte gemeinsam mit einem Freund spielen, inklusive Hauptmissionen, Nebenmissionen und natürlich dem freien Erkunden der Spielwelt. Das neue Koop-Feature bringt frischen Wind ins ohnehin schon turbulente Spielgeschehen und ergänzt sogar dieses um eine neue taktische Komponente.

Trotz des durchaus positiven Eindrucks müssen Koop-Partner einige Abstriche in Kauf nehmen: Der Story- sowie Welten-Fortschritt wird lediglich beim Host gespeichert, der beitretende Spieler hat folglich keinen Zugriff auf freigespielte Waffen oder Gadgets. Darüber hinaus kann nur der Spielführer Missionen annehmen, Söldner befehligen, Achievements erhalten und Entscheidungen in Dialogen treffen. Koop-Veteranen können aber aufatmen: Geld und Erfahrungspunkte werden zumindest für beide Partner erfasst und letztlich gespeichert. Generell gilt: Trotz einiger fragwürdiger Designentscheidungen bietet das neue Koop-Feature vielversprechendes Spielvergnügen mit ordentlich Chaos-Potenzial. Dennoch wird nur einer beiden Spieler die volle Far-Cry-5 Erfahrung machen dürfen, während der andere ungleich auf viele Annehmlichkeiten und Funktionen verzichten muss.

Neben einigen, eher kurzweiligen kompetitiven Megrspielrmodi können sich Bastel-Enthusiasten mit dem Arcade-Modus zudem über einen neuen üppigen Leveleditor freuen. Der Editor bietet kreativen Köpfen all das nötige Handwerkszeug um Far Cry 5 auch über den Single-Player-Content hinaus aktuell und spannend zu halten. Hier bleibt abzuwarten wie die Community den neuen Modus annimmt.

Optisch kann der neueste Teil der Open-World-Shooter-Serie in jedem Fall mit aktuellen Blockbuster-Titeln mithalten. Atemberaubende Panoramen, detailreiche Schauplätze, realistische Wettereffekte und ein stimmungsvoller Soundtrack skizzieren eine lebendige und authentische Spielewelt, die auch auf der aktuellen Konsolengeneration Ihresgleichen sucht. Leider wird die sonst so stimmige und motivierende Atmosphäre von so mancher Kinderkrankheit getrübt. Auf technischer Seite sorgen kaum nachvollziehbare KI-Aussetzer, Physik-Fehler und sogar missionsgefährdende Bugs schon einmal für Stirnrunzeln. Bleibt nur zu hoffen, dass Ubisoft hier schnell nachbessert.

Wertungskasten
Präsentation
8
Spieldesign
7
Atmosphäre/Story
8
Balance
6
Umfang
9
test-far-cry-5Far Cry 5 wandelt auf einigen neuen erfrischenden Pfaden ist aber bei weitem nicht furchtlos genug um Ubisofts Far-Cry-Formel komplett neu zu erfinden. Der frische Koop-Modus, das reduzierte HUD, das neuerliche Begleiter-System und das abgewandelte Open-World-Konzept erweitern das bekannte Gameplay um einige interessante Facetten, behalten den serientypischen Far-Cry-Charme aber weitestgehend bei. Grade der Koop-Modus muss sich letztendlich seinen zahlreichen technischen Problemen geschlagen geben und verkommt zu einem kaum ernst zu nehmenden, wenngleich auch spaßigen Zusatz, dem ambitionierte Koop-Veteranen noch etwas Zeit zum reifen geben sollten. Missionsgefährdende Bugs und Ki-Aussetzer entpuppen als massive Störfaktoren, die die eigene Frusttoleranz ordentlich auf den Prüfstand stellen. Dennoch hat uns Far Cry 5 auf unserer knapp 30 stündige Reise wirklich gut unterhalten. Der überzogene Humor, die charismatischen Antagonisten und die lebendige Spielwelt motivieren enorm, die stimmungsvolle Atmosphäre trägt ihr Übriges dazu bei ein charmantes Abenteuer zu kreieren, das aber sicher keinen Meilenstein in der Geschichte der Serie darstellt.