Gott sei Dank, sie ist kein Jedi! Das war mein erster Gedanke, als Star Wars Outlaws auf dem Xbox Games Showcase 2023 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. In diesem von Massive Entertainment entwickelten Singleplayer-Abenteuer, das zeitlich zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ angesiedelt ist, schlüpft man in die Rolle von Kay Vess. Sie ist eine Diebin aus Canto Bight, die zusammen mit ihrem tierischen Partner Nix nach dem großen Coup sucht. Das charmante Duo begegnet auf ihrer Reise neuen Freunden und Feinden und nimmt uns mit in die schönsten, aber auch schmutzigsten Ecken der Galaxis. Warum es so erfrischend ist, die Unterwelt des Star Wars-Universums zu erkunden, ohne dabei über die allmächtigen Kräfte eines Jedi zu verfügen, erklären wir in diesem Test.
157 Millionen Credits – der größte Coup des Outer Rims
Das Abenteuer nimmt seinen Anfang im Cantonica-System, in der glitzernden Casino-Stadt Canto Bight. Dort plant Kay Vess, in das Anwesen von Sliro einzubrechen. Dem skrupellosen Anführer des Verbrechersyndikats Zerek Besh. Doch der Plan läuft schief und Kay sieht sich gezwungen, Sliros Schiff, die „Bahnbrecher,“ zu stehlen, um dem Chaos zu entkommen. Der Untergrundboss setzt Kopfgeld auf unsere Heldin aus. Kaum in Sicherheit, trifft sie auf Jaylen, einen mysteriösen Geschäftsmann, der zusammen mit seinem Kampfdroiden ND-5 auftaucht. Er hat einen gefährlichen Vorschlag: Er will mit Kay eine Crew zusammenstellen, um so diesmal wirklich Sliros Tresor zu knacken. Der Inhalt: 157 Millionen Credits. Mehr als genug, um nicht nur das Kopfgeld loszuwerden, sondern auch um die Karriere als Diebin an den Nagel zu hängen. So beginnt das Abenteuer, das Kay und Nix tief in die zwielichtige Unterwelt der Galaxis führt.
In Star Wars Outlaws erstreckt sich Kays Abenteuer über fünf Planeten, auf denen sie verschiedene Aufträge annimmt. Diese Missionen beeinflussen direkt ihre Beziehung zu den vier Verbrechersyndikaten, die in der Galaxis das Sagen haben. Je nach Entscheidung des Spielers kann die Beziehung zu einem Syndikat sich verbessern, während sie sich zu einem anderen verschlechtert. Dies hat jedoch nur geringfügigen Einfluss auf die Hauptgeschichte und zeigt sich oft nur darin, wie feindlich gesinnt die Gegner in manchen Gebieten sind.
Die Struktur der Missionen ist oft ziemlich ähnlich: Basen infiltrieren, Gegenstände stehlen und Gefangene befreien. Das Gameplay kombiniert Third-Person-Shooter-Action mit Stealth-Elementen und fühlt sich fast an, als hätte jemand gesagt: „Lasst uns ein Assassin’s Creed im Star Wars-Universum machen.“
Klettern, schleichen, meucheln – das gehört zum Kern des Spiels, da die Missionen oft eine strategische Herangehensweise erfordern. Stealth spielt eine zentrale Rolle: Man schleicht sich an Gegnern vorbei oder schaltet sie lautlos aus. Kays tierischer Begleiter Nix ist dabei unverzichtbar, da er Gegner und Gegenstände aufspüren, ablenken oder angreifen kann, um Kay einen Vorteil zu verschaffen. Dies verleiht dem Gameplay eine strategische Tiefe, bei der Planung und Timing entscheidend sind. So kann man zum Beispiel bei zwei nebeneinander stehenden Strumtrupplern den einen mit seinem tierischen Begleiter ablenken, während man den anderen schon mit seinem Blaster über die Rübe haut. So fällt der erste Angriff nicht sofort auf und man hat genügend Zeit, um beide Gegner unbemerkt auszuschalten.
Doch auch für Spieler*innen, die lieber auf rohe Gewalt setzen und Action bevorzugen, bietet Star Wars Outlaws genug Raum. Häufig hat man nämlich die Wahl, ob man sich unauffällig an seine Gegner heranschleicht oder direkt den Blaster zieht. Doch spätestens, wenn man beim Schleichen entdeckt wird, bleibt keine andere Wahl als die offene Konfrontation. Hier zeigt das Spiel seine Stärke durch schnelle und spaßige Shooter-Action. Kämpfe erfordern Strategie, da Kays Blaster verschiedene Munitionstypen bietet, die je nach Gegnertyp effizienter sind. Der Blaster überhitzt jedoch schnell, was das Management während der Kämpfe erschwert. Alternativ kann man Waffen von Gegnern aufheben, die oft mächtiger sind als der eigene Blaster. Leider bleibt das Arsenal der Heldin über die gesamte Kampagne hinweg auf einen Blaster beschränkt, auch wenn man diesen etwas upgraden kann.
Was auf den ersten Blick enttäuschend wirkt, entpuppt sich jedoch als eine der größten Stärken des Spiels. Star Wars Outlaws bleibt simpel. Kays Fähigkeiten bleiben von Anfang bis Ende weitgehend gleich, ohne komplexe Skill-Trees oder XP-Systeme. Man wächst durch die Erfahrung mit dem Helden-Duo mit. Auch so werden die Gegner während der Reise nicht viel stärker, erfordern aber immer mehr strategisches Denken von einem ab. Während man in vielen Spielen des Star Wars-Universums als Jedi gegen endlose Gegnerhorden mit dem Lichtschwert kämpft, lässt Star Wars Outlaws die Macht völlig außen vor.
Die Luft ist rein! Leider.
Wenn man nicht gerade schleicht, meuchelt oder wild um sich schießt, erkundet man häufig die Basen von innen und löst kleinere Rätsel. Oft sind Türen verschlossen, die entweder gehackt oder anderweitig geknackt werden müssen. Hier kommt erneut der tierische Begleiter Nix ins Spiel, der durch kleine Eingänge in den nächsten Raum flitzen und so die Tür von innen öffnen kann. Und wenn es sonst keinen offensichtlichen Weg gibt, findet sich fast immer ein Lüftungsschacht, durch den Kay in den nächsten Raum gelangt. Was anfangs kreativ wirkt und sich wie ein Hollywood-Heist-Thriller anfühlt, wird im Laufe der Zeit jedoch etwas ermüdend. Obwohl nicht auf Copy-and-Paste gesetzt wurde, ähneln sich viele Level im Design. Immer wieder das gleiche Muster: Schleiche ins Gebäude, schalte Wachen aus, hacke eine Tür mit einem einfachen Minispiel und klettere durch den unübersehbaren Lüftungsschacht. Es fühlt sich fast so an, als hätte der Outer Rim ein ernstes Problem mit der Luftdurchlässigkeit von Gebäuden, so viele Lüftungsschächte habe ich in meiner fünfzehnstündigen Reise durchklettert. Und spätestens, wenn zwischen zwei Lüftungsschächten einfach nur eine Leiter ist, welche man hochklettert, wird es unangenehm unnatürlich.
Abseits davon fährt man in der Open World mit dem Gleiter von einer zur nächsten Mission und kann Nebenaktivitäten folgen, welche häufig vor allem mehr Story bieten, gameplaymäßig aber abseits von Gleiter-Rennen und weiteren Minispielen relativ ähnlich zu der Hauptstory sind. Sonst ist es noch möglich, mit seinem Raumschiff im Weltraum rumzufliegen und sich Weltraumschlachten zu stellen. Auch wenn dieses Element keinen großen Anteil vom Spiel ausmacht, spielt sich dieses präzise und spaßig. Jeder Planet bietet circa drei Stunden an Hauptstory-Content und wenn man sich nur auf das Gameplay fokussiert, hat man nach zwei dieser Planeten schon das ganze Spiel gesehen.
Doch ist Star Wars Outlaws eben nicht nur das. Denn ist das Gameplay zwar relativ monoton – aber eben auch richtig spaßig! Zudem ist das stärkste Element mit Abstand die Geschichte von Kay und ihren Begleiter*innen. Allesamt sind sie sehr gut und charismatisch geschrieben. Massive Entertainment ist hier eine der besten Geschichten im Star Wars Universum der letzten zwanzig Jahre gelungen. Denn geht es hier nicht um das Schicksal der ganzen Welt. Wie denn auch? Das ist Luke Skywalkers Geschichte. Kay Vess will einfach nur das, was eine Diebin, aber auch eigentlich jeder Mensch am Ende will. Und rutscht unfreiwillig in etwas Größeres rein und wächst dadurch. Man kann sich während der ganzen Geschichte super mit ihr identifizieren. Man trauert mit und freut sich für sie. So fällt es auf den ersten Blick auch nicht immer direkt auf, dass man in drei Basen hintereinander eingebrochen ist. Man will unbedingt wissen, wie es weitergeht.
Chewie, we’re home
Inszenatorisch ist Outlaws ein absoluter Traum für jeden Star Wars-Fan. Hätte ich meinem fünfjährigen Ich diese Welt gezeigt, wäre dieses vermutlich vor Freude umgekippt. Die Open World mag an manchen Stellen etwas leer sein und man wird oft das Gefühl nicht los, dass man einfach eine Open World gebaut hat, damit man es als Open World-Spiel betiteln kann, doch sind die großen Städte im Spiel einfach malerisch schön. Der Spaziergang durch den Mos Eisley-Raumhafen ist ein wahrgewordener Traum und der Anblick der Casino-Stadt Canto Bight ist ebenso beeindruckend. Besonders gelungen ist die Diversität des Settings, das einen Schnee-, einen Dschungel- und einen Wüstenplaneten umfasst. Auch ist die Musik schön komponiert und unverkennbar an die genialen Klänge von Komponist John Williams angelehnt. Die verschiedenen Stücke fügen sich nahtlos ins Setting ein und spätestens, wenn der Gegner einen erwischt und die Streicher losgehen, kommt richtig Spannung auf!
Technisch ist Star Wars Outlaws auf einem hohen Niveau. Die Modelle, die Animationen und die Umgebungen sind alle state of the art. Besonders beeindruckend sind die Zwischensequenzen, auch wenn diese pre-rendered, also vorgerechnet sind und somit nicht in Echtzeit laufen. Gespielt habe ich Outlaws auf der Xbox Series X im Performance Mode. Hier lief das Spiel abseits der Open World fast durchgängig in 60fps. In der Open World bemerkte ich einige Ruckler, die aber nicht signifikant waren. Außerdem bin ich in meiner Spiel-Sessions noch mehreren visuellen Bugs begegnet, welche aber bis zum Launch ausgebügelt sein könnten.
Positiv hervorzuheben ist die umfangreiche Barrierefreiheit, die Star Wars Outlaws gleich nach dem Start bietet. Die Optionen sind in verschiedene Kategorien unterteilt und umfassen Akustik-, Seh- und kognitive Einstellungen sowie Anpassungen der Spielschwierigkeit. Massive Entertainment und Ubisoft zeigen hier, wie wichtig Inklusion ist und setzen damit hohe Standards im Bereich der Accessibility.
In einer weit, weit entfernten Galaxis – monoton und trotzdem schön!
Am Ende meiner Reise mit Kay und Nix hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht und dachte sofort: „Ich will Star Wars Outlaws 2!“ Dennoch spürte ich leichte Ermüdung, als ich zum gefühlt siebzigsten Mal durch einen Lüftungsschacht kroch, um im Folgeraum das immer gleiche Hacking-Minispiel zu spielen.
Es ist wirklich erfreulich, dass Massive Entertainment sich entschieden hat, keinen Jedi als Helden zu wählen und damit ein nicht völlig unbekanntes, aber eher ungenutztes Terrain zu betreten. Star Wars Outlaws erfindet das Rad zwar nicht neu – es bleibt ein risikofreies AAA-Action-Adventure –, aber es funktioniert in diesem Rahmen sehr gut. Das Spiel bietet eine Menge Spaß und kompensiert die Monotonie des Designs durch eine spannende Geschichte, liebenswerte Charaktere, spaßiges Gameplay und ein großartig inszeniertes Setting. Star Wars Outlaws ist daher ein klarer Tipp für Fans des Universums und auch empfehlenswert für alle, die eine fesselnde und schön erzählte Singleplayer-Geschichte suchen.
Ich hätte auch keine Jedi oder Sith gewollt, aber eventuell wäre es schon cool gewesen, wenn die Protagonistin machtsenstiv wäre. Aber wirklich nur in geringem Masse. Mit ein bisschen Space-Magic hätte sich das ganze für mich noch mehr nach Star Wars angefühlt.