Andersspiel: Oxenfree

Geisterstunde

Es lässt sich nicht anders sagen: Der Indie-Geisterthriller Oxenfree aus dem Jahr 2015 ist definitiv einer der atmosphärischsten, narrativ-getriebenen Titel, die das Licht der Spielewelt erblickt haben. In Vorfreude auf den für 2022 angekündigten zweiten Teil Oxenfree II: Lost Signals, der fünf Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils spielen soll, werden wir zum Jahresende nochmal nostalgisch.

Für alle Fans von langsam erzählten, textlastigen Geschichten, in denen Entscheidungen Auswirkungen auf den Verlauf des Spiels haben, bietet Oxenfree des amerikanischen Studios Night School Studio ein nahezu perfektes Paket.

1. Grafik
Einen großen Teil der Atmosphäre macht der eindrucksvolle Grafikstil des Spiels aus. Durch die sich in der Nacht und in Räumen wie Höhlen abspielende Handlung der Geschichte ist das Setting logischerweise durchweg dunkel gehalten. Die Lead Artistin Heather Gross schafft es jedoch mit gedeckten Farben einen lebendigen Hintergrund zu schaffen, der aber by Design nicht gestochen scharf erscheint. Vielmehr werden Objekte mit dem Spiel von Licht und Schatten angedeutet und erschaffen eine subtile Dreidimensionalität, ohne dass sich Spieler*innen fragen müssen, was sie da überhaupt sehen.
An ausgewählten Stellen im Spiel bilden grelle Farbgebung gekonnt Kontraste, die Situationen wie Begegnungen mit dem Übersinnlichen noch eindringlicher erscheinen lassen.

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2. Der Sound
Nicht die Regel bei Indie-Spielen sind in Oxenfree alle Rollen der fünf Hauptfiguren und anderer auftretender NPCs vollvertont, wenn auch nur auf englisch. Zusammen mit den teilweise auf dem Bildschirm als Sprechblasen erscheinenden Texten bildet das Spiel eine durchdachte audiovisuelle Einheit. Auch die Synchronstimmen, die bereits in anderen bekannten Titeln wie The Wolf Among Us zu hören waren, passen sich gut in das Setting ein und wirken zu keinem Zeitpunkt fehl am Platz.
Sowohl auf die Umgebungsgeräusche als auch auf die Hintergrundmusik wurde viel Wert gelegt. Analog (bspw. mit einem echten Radio aus dem Zweiten Weltkrieg) und digital hat C. Andrew Rohrmann einen passenden Soundteppich erschaffen, der Spieler*innen subtil und unaufdringlich über die Insel begleitet. Selbst nach stundenlangem Spielen wird man dem Soundtrack nicht überdrüssig.

3. Gameplay
Als dreidimensionaler 2D-Sidescroller führen Spieler*innen Alex und mit ihr die verschiedenen Charaktere durch die Geschichte. Dabei kann nicht nur den Dialogen zugehört werden, während man zu Zielort nach Zielort nach Zielort läuft, sondern an vielen Stellen durch bunte Sprechblasen auch der Fortlauf des Gesprächs und ultimativ die gesamte Handlung beeinflusst werden. Oxenfree bietet keine Action- oder Rätselsequenzen, was für den einen oder die andere die Spielerfahrung etwas zäh werden lassen kann. Viel laufen, viel Knöpfe drücken/Maus klicken und mit Hilfe von Radiowellen die richtigen Frequenzen finden, um mit der Geisterwelt in Verbindung zu treten, ist die Gameplay-Essent des Spiels.
Durch die Entscheidungen, die Spieler*innen Alex treffen lassen, verändern sich Beziehungen zwischen den Charakteren und auch das Ende der Geschichte, bei dem nicht alle unbedingt überleben müssen…

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4. Die Geschichte
Last but not least: das Kernstück des Spiels. Oxenfree können Spieler*innen ruhig und ohne Gefahr von billigen Jumpscares durchspielen, sich aber doch an einigen Stellen entspannt gruseln, wenn Alex & Co. auf die Geister der Insel treffen.
Die Ausgangslage ist wie in jedem guten (oder auch nicht so guten) Horrortitel perfekt: fünf Teenager*innen machen sich zum Jahrestag von Michaels Ableben (Alex’ Bruder) des Nachts allein auf den Weg zu einer verlassenen Insel namens Edwards Island, um dort eine gute Zeit zu verbringen. Fünf Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Alex, die Rebellin; Jonas, der Neue; Ren, der Stoner; Nona, die Introvertierte; und Clarissa, die Zicke. Reibungen sind vorprogrammiert… Und wo am Anfang noch alles wie in einem guten Teenie-Streifen mit Lästern und co. abläuft, muss sich die Clique auf einmal zusammenreißen und -arbeiten, nachdem Spieler*innen in der Rolle der Protagonistin Alex ein Portal in die Welt der Geister öffnen…
Und darum geht es am Ende auch: alle Geister zu finden, ihren Geschichten zu lauschen und die Nacht zu überleben. Obwohl die Geschichte das Rad nicht neu erfindet, ist es gerade die Präsentation und die mit Liebe geschriebenen Dialoge, die sie nicht abgeschmackt erscheinen lassen und die uns vorfreudig den zweiten Teil von Oxenfree erwarten lässt.

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