Mit Ghost Recon Wildlands portierte Ubisoft das Franchise erstmalig in eine Open World mit völlig neue Freiheiten, die Spieler auch noch über Jahre hinweg an den Titel fesseln sollten. Jetzt, zwei Jahre später, will das französische Studio mit dem Nachfolger Ghost Recon Breakpoint an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen und möchte mit neuen Superlativen einen Schritt in Richtung Perfektion wagen. Dass “Größer”, “Schöner” und “Umfangreicher” aber nicht unbedingt immer das Maß aller Dinge ist, müssen wir mit dem neuen Titel schmerzlichst am eigenen Leib erfahren. Warum das neue Breakpoint trotz all seiner Bemühungen nicht der erhoffte Höhepunkt für das Shooter-Franchise ist, lest ihr in meinem Test.
Auroa, die Hölle auf Erden
Ghost Recon Breakpoint setzt im Grunde auf dieselbe Formel, die bereits seinen direkten Vorgänger Ghost Recon Wildlands so erfolgreich machte: Ein Vier-Spieler-Koop-Modus, eine frei erkundbare Spielwelt und taktisch basierte Schuss-Gefechte, bilden augenscheinlich das Fundament für ein motivierendes Langzeitabenteuer.
In der Rolle des Elitesoldaten Nomad, landet ihr zunächst auf der fiktiven Pazifikinsel Auroa, die mit den Wolves nunmehr von einer skrupellosen Spezialeinheit beherrscht wird. Nach einem plötzlichen Hubschrauberabsturz, seht ihr euch als einzigen Überlebenden schon bald mit einer schieren Übermacht konfrontiert. Angeführt von Cole D. Walker, welcher von Punisher-Schauspieler Jon Bernthal verkörpert wird, setzt diese erbarmungslose Fraktion nun alles daran, ihre Diktatur mittels geheimer Technologien durchzusetzen.
Zugegeben, einen Innovationspreis verdient die Geschichte hinter Breakpoint offenkundig nicht, jedoch schafft die gelungene Besetzung des Antagonisten Walker zumindest einige sympathische sowie spannende Momente. Im Rahmen der rund 20 Stunden langen Kampagne, müsst ihr euch immer wieder gut ausgebildeten Soldaten, hochmodernen Drohnen und wendigen Panzern stellen, die nur darauf warten, in kniffligen Schussgefechten von euch zerlegt zu werden.
Aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit eurer Kontrahenten, seid ihr zudem dazu angehalten, leise vorzugehen und eure Gegner hinterrücks auszuschalten. Dazu bietet Breakpoint einige neue Mechaniken, wie beispielsweise das Verstecken im Schlamm, die den Simulationscharakter betonen, aber in der Praxis so gut wie nie zum Einsatz kommen. In dieser Hinsicht ist das Gameplay von Ghost Recon Breakpoint viel zu grob, schon einfachste Schleichmannöver reichen meist aus, um euch erfolgreich einer ganzen Bande an Gegnern zu erwehren. Ähnlich ergeht es euch mit dem trägen Movement, dem sehr behabigen Bandagieren als neue Heilmethode oder auch
nur allzu träges Movement, die Möglichkeit die Atmung eures Alter-Ego zu kontrollieren
Selbst die Missionsziele zeigen sich in ihrer Gesamtheit recht eintönig und abwechslungsarm, inhaltlich und auch storytechnisch wirkt Breakpoint leider weitestgehend belanglos. Zumindest im Vier-Spieler-Koop-Modus kann Ubisoft einiges des verschenktem Potenzial wieder gut machen und überzeugt hier mit einem spaßigen wenn auch kurzweiligen Mehrspielerstelldichein.
Loot, wo man auch hinsieht
Trotz der recht fordernden Schießereien gehören abgenutzte Loot-Shooter-Shemata wie kleinteiliges Waffenmanagement mit kaum lesbaren Bildschirmschriften leider genauso dazu wie lästige Bullet-Sponges. Zudem versorgt euch das Spiel an jeder Ecke mit neuen Waffen, Pistolen, Scharfschützengewehren und Machineguns, die sich letztlich nur minimal voneinander unterscheiden. Das eigentlich schon kaum belohnende Lootsystem nimmt zu allem Überfluss noch inflationäre Züge an, was den Motivationsfaktor schon im Keim erstickt. An jeder Ecke, in jedem noch so kleinen Verschlag findet ihr neue Wummen, die kaum wertvoller sind als die Ausrüstungsgegenstände des Startgebiets.
Das permanente und kleinteilige Inventarmanagement überfordert anfangs nicht nur ungemein, sondern entwickelt sich im späteren Verlauf zu einer frustrierenden Fleißarbeit, die sich auch nie so wirklich lohnt.
Abseits der Massen an Loot, mit denen ihr nur so zugemüllt werdet, bietet euch Breakpoint vier Charakter-Spezialisierungen mit entsprechend ausladenden Skilltrees. Neben einem Scharfschützen und Allrounder, könnt ihr euren Alter Ego auch zum Sanitäter oder zum Stealth erprobten Panther ausbilden. Die einzelnen Klassen unterscheiden sich in einem guten Maße voneinander, fallen detailliert aus und können im Rahmen der Kampagne sogar flexibel ausgetauscht werden.
Höher, weiter…. Schlechter
Schon nach wenigen Spielstunden öffnet sich euch die eigentliche Spielwelt und gleichsam die Rebellenbasis Erewhon, die euch fortan als Hub-Welt dient. Hier könnt ihr Missionen annehmen, mit realen Spielern interagieren oder eure Ausrüstung aufwerten, bevor ihr einen Fuß in die offene Spielwelt setzt.
Ein erster Blick auf die spielinterne Map verrät bereits: Ubisoft hat hier im wahrsten Sinne des Wortes Großes geschaffen. Dem französischen Publisher zufolge will man mit Breakpoint die bisherigen Grenzen sprengen und die größte Open World erschaffen haben, die das Franchise bisher gesehen hat. Diese Tatsache mag wohl augenscheinlich zutreffen, birgt für die Spiel- und Leveldesigner bei Ubisoft aber auch so manche Tücken.
Schon bei der Navigation durch die opulente Karte fällt ein Punkt ganz besonders ins Auge, der sich wie ein roter Faden durch das komplette Spiel zieht: Sämtliche Menüs und Inhalte wirken von Vornherein künstlich aufgebläht und unübersichtlich. Der fast schon übertriebene Umfang, den das Spiel zu bieten hat, schlägt sich nicht zuletzt negativ auf die Kartennavigation, Missionswahl und die Fähigkeitenbäume nieder. Gut gemeint, reicht eben manchmal einfach nicht.
Die wohl größte Herausforderung für die Entwickler: die überdimensionale Spielewelt mit Leben zu füllen. Die Karte überzeugt zwar mit abwechslungsreichen Umgebungen wie schneebedeckten Bergen, einladenden Küstenlandschaften und dichtbewachsenen Wäldern, jedoch machen diese nicht gerade mit ihrem Ereignisreichtum von sich reden. Weite Distanzen, die kaum mehr zu Fuß zu bewältigen sind und das Pacing ohnehin stark drosseln, werden viel zu selten von Einrichtungen aufgelockert. Solltet ihr dann doch einmal auf ein kleines Dorf treffen, bietet dieses meist nicht viel mehr als nutzlose Waffen oder unbedeutende Collectibles, die ihr sowieso schon viel zu häufig aufs Auge gedrückt bekommt. Authentisch agierende NPCs, dynamische Events oder eine lebendige Fauna sind in Ghost Recon Breakpoint absolute Mangelware. Trotz der zahllosen Kartenmarkierungen und Icons findet sich der Spieler schlichtweg in einer ereignislosen und generischen Open-World wieder, die ihrem Namen eigentlich nie wirklich gerecht wird. Die viel zu ruhigen und weiten Landschaften erzählen leider nur die Geschichte einer lieblos zusammengekleisterten Spielewelt, die so viel mehr hätte sein können.
Service Game durch und durch
Was man Ubisoft an dieser Stelle sicherlich zugute halten muss, ist der immense Umfang des Taktik-Shooters. Die vielen Freiheiten, die riesige Spielwelt und zahllose Missionen bieten zwar aberdutzende an Spielstunden, werden Breakpoint aber gleichsam zum Verhängnis. Sein größtes Versäumnis ist nämlich seine fehlende Identität.
Schaut man einmal über seinen eigenen Tellerrand hinaus, wird man schnell feststellen, dass Breakpoint auf dem Papier zwar inhaltlich überaus gut ausgestattet ist, in seiner Gesamtheit aber stark zu Wünschen übrig lässt. Was bringt letztlich eine riesige Welt zum Erkunden, wenn man im Kern keinerlei Motivation verspürt auch nur einen Fuß in diese Welt zu setzen? Es fehlt schlicht und ergreifend einfach an Alleinstellungsmerkmalen, die das Abenteuer so erinnerungswürdig und individuell gestalten, dass man nur allzu gerne wieder nach Auroa zurückkehren mag.
Stattdessen setzt Ubisoft auf ein Wirrwarr aus generischen Spielelementen, die an und für sich zwar gut ausgearbeitet sind, sich aber nie wirklich zu einem Gesamtkunstwerk zusammenfügen wollen und eigentlich nur zu ihrem Selbstzweck existieren. Zahlreiche Fortschrittsysteme für eure Klassen, euren Charakter oder eure Waffen, lästige Mikrotransaktionen und Ausrüstungsitems wie Skins, Embleme oder Outfits verwässern das Spielgeschehen ungemein und machen es so zu einem undurchsichtigen Brei an mühsamen Fleißaufgaben.
Technisches Mittelmaß
Tom Clancy’s Ghost Recon Breakpoint zeichnet optisch fast ausnahmslos schöne und detailreiche Umgebungen auf den Bildschirm. Dicht bewachsene Wälder, bunte Blumenwiesen und detaillierte Berglandschaften – gerade auf Xbox One X kommen die abwechslungsreichen Kulissen gut zur Geltung. In dieselbe Kerbe schlagen auch die detaillierten Charaktermodelle und Animationen, die allesamt nicht unbedingt neue Standards setzen, das Geschehen aber in jedem Fall aufwerten. Demgegenüber stehen leider die zahllosen Bugs und Glichtes, mit denen der Shooter schon in der Alpha und Beta zu kämpfen hatte.
Trotz der vielen Testphasen und Feedbackrunden konnte Ubisoft den Eindruck eines technisch unausgereiften Titels kaum mehr abwenden. Unsichtbare Waffenmodelle, fehlende Synchsonisationen und nachladende Texturen stören den Spielfluss massiv, neue Inhalte sollen in absehbarer Zeit aber schon folgen. Was aber bringen all die Zusatzinhalte und Erweiterungen, wenn man generell schlecht unterhalten wird? Ubisoft täte derzeit aber besser daran initial die bestehenden Baustellen im Spiel zu beseitigen, als neue potentielle Fehlerquellen zu erschaffen. Einmal mehr müssen es wohl Patches und Hotfixes nach Release das Spiel auf einen einigermaßen spielbaren Status hieven. Schade, Ubisoft, Chance einmal mehr verspielt!