Test

Test: Little Nightmares II

Sympathischer Grusel mit Frustmomenten

Als Little Nightmares Anfang 2017 auf den Markt kam, überraschte das Horror-Adventure allem voran mit seiner einzigartigen, surrealen Optik. Dass das Projekt des schwedischen Entwicklers Tarsier Studios in Malmö allerdings schon nach gut eineinhalb Jahren die Verkaufsmarke von einer Millionen Einheiten knacken würde, damit rechneten zu diesem Zeitpunkt wohl die Wenigsten. Spätestens jetzt wird Little Nightmares in einem Zuge mit Alltime-Klassikern wie Limbo oder Inside genannt, nur logisch also, dass Publisher Bandai Namco dem Abenteuer rund um das Mädchen Six nun eine vollwertige Fortsetzung spendiert. Little Nightmares II soll den individuellen Stil des Vorgängers beibehalten und gleichsam spielerisch neue Akzente setzen. Ob es dem Sequel gelingt uns genauso in seinen Bann zu ziehen wie sein Vorgänger, klären wir in unserem Test!

Kleiner Junge, große Hindernisse

Die Geschichte von Little Nightmares II beginnt so düster wie die seines Vorgängers: In der Rolle des kleinen Jungen Mono erwachen wir in einem dunklen, verlassenen Wald. Neben uns nur ein alter, herrenloser Röhrenfernseher. Schon nach wenigen Spielminuten und einer kleinen Odyssee durch das düstere Terrain, wird deutlich, dass diese Welt einige gefährliche Schrecken beherbergt. Wir treffen auf das verängstigte Mädchen Six, welche sich unserer Reise alsbald anschließt. Mit vereinten Kräften stellen wir uns dem morbiden Schrecken und versuchen dem Geheimnis dieser Welt auf die Spur zu kommen. Little Nightmares II kommt bewundernswerterweise vollständig ohne auch nur ein gesprochenes Wort aus und lebt stattdessen von seinen bildgewaltigen Szenerien. Dies ist in der Praxis zwar ein schöner, künstlerischer und minimalistischer Ansatz, die Geschichte selbst wirkt aber nicht zuletzt dadurch über weite Teile kaum greifbar und viel zu nebulös. Gerade im direkten Vergleich mit seinem ikonischen Grafikstil sowie seiner intensiven Atmosphäre steht die Erzählung deutlich zurück, wirkt fast schon belanglos und egal.

Wo sich Little Nightmares seiner Zeit noch einzig und allein um Protagonistin Six drehte, rückt Teil 2 gleich ein ganzes Helden-Duo in den Fokus. Zwar steuert ihr im Laufe eures gemeinsamen Abenteuers lediglich Mono, während Six der KI vorbehalten bleibt – einige Koop-Mechaniken kommen aber dennoch immer wieder zum Einsatz. Ganz ähnlich zum PlayStation-Hit Ico agiert euer Counterpart weitgehend eigenständig, gibt euch hin und wieder mal wertvolle Tipps, bleibt aber stets im Hintergrund. So benötigt ihr Six mal um mittels Räuberleiter über Anhöhen zu klettern, müsst sie an die Hand nehmen, um vor herannahenden Gegnern zu fliehen oder schiebt gemeinsam mit ihr schwere Objekte von A nach B. Die kleineren Koop-Rätseleinlagen, die es in diesem Zuge zu lösen gilt, sind meist aber eher seicht und überschaubar gehalten. Eine wirkliche Notwendigkeit gibt es nicht, häufig genug verschwindet Six im Spielverlauf auch einfach aus eurem Wirkungsbereich und lässt euch für längere Spielabschnitte allein zurück. Alles in allem scheint es, als würden die Tarsier Studios hier eine Menge Potential verschenken. Das immer wieder eingestreute Koop-Gameplay ist zu austauschbar, die Mechaniken nicht tiefgründig genug und die Bindung der beiden Charaktere hätte man deutlich stärker aufbauen können. Auf einen ausgeklügelten Zwei-Spieler-Modus wurde indes übrigens vollständig verzichtet.

Plattformer mit Stolperfallen

Gameplayseitig gestaltet sich die Fortsetzung des Horror-Titels im Grunde genommen recht abwechslungsreich. Das Spiel wechselt gekonnt zwischen hastigen Fluchtsequenzen, ruhigeren, aber nicht weniger unheimlichen Erkundungspassagen sowie kleineren Rätsel- bzw. Geschicklichkeitseinlagen. In bester 2,5D-Plattformer-Manier gilt es über Abgründe zu springen, an Seilen entlangzuhangeln oder Möbel hinaufzuklettern. Gerade weil die Steuerung aber auffallend träge und unpräzise ist, werden einige dieser Geschicklichkeitspassagen immer wieder zu größeren Herausforderung als sie sein müssten. Das stößt insbesondere im späteren Spielverlauf böse auf: Einen Abschnitt wiederholt neustarten zu müssen, nur weil Mono stark verzögert auf eure Eingabe reagiert oder sich schlichtweg nicht an Kanten festhalten will, ist regelrecht frustrierend.
Apropos Frustmomente: Davon gibt es im Spiel potenziell eine ganze Menge. Nicht nur mutieren die wenigen Kampfpassagen im Spiel zu einer reinen Geduldsprobe, da ihr schon nach einem Treffer das Zeitliche segnet, auch ist Trial&Error ein wesentlicher Bestandteil des Spiels. Zahlreiche Abschnitte im Adventure sind alleine so designt, dass ihr meist mindestens zwei Versuche braucht, um diesen überhaupt abschließen zu können. Euer erster Bildschirmtod ist häufig genug darauf zurückzuführen, dass ihr zunächst einmal austesten müsst, was das Script überhaupt vorsieht – sei es eine plötzlich herabschwingende Kiste, eine im Laub versteckte Bärenfalle oder aus dem Wandschrank hereinfallende Gegner. Die Timeframes für euer Handeln sind dann zumeist so minimal gesetzt, dass ihr für einen erfolgreichen Durchgang schon von Beginn an fehlerlos agieren müsst. Kurzes Zögern verzeiht das Spiel schlichtweg nicht. Euer virtueller Tod ist somit vorprogrammiert und damit ein nicht zu unterschätzender Bestandteil des Spiels. Nur gut also, dass die EntwicklerInnen die einzelnen Rücksetzpunkte wohlwollend im Spiel verteilt haben, sodass ihr selten längere Abschnitte wiederholen müsst.

Das kleine Highlight der insgesamt fünf Kapitel sind die in jedem Level auftauchenden Bossgegner. Jeder dieser Kontrahenten besticht durch eine spezielle Eigenart sowie ein individuelles und herausragendes Charakterdesign. Diese bizarren Gestalten sind nicht nur interessant anzusehen, sondern auch gleichsam unfassbar unheimlich. Und das nutzt das Spiel natürlich aus: In wiederkehrenden Fluchtsequenzen müsst ihr euch diesen Monstern direkt stellen. Dabei treibt das Spiel euren Blutdruck immer wieder in die Höhe und greift genau dann ein, wenn ihr euch gerade nur allzu sicher fühlt.

Im Rest des Spiels geht es schon etwas ruhiger, wenngleich auch nicht weniger gruselig zu. Ihr löst kleinere Schalter- und Schieberätsel, die eigentlich viel zu leicht ausfallen und nur wenig Spielraum zum Knobeln bieten. Einige nette Physikspielereien oder neue Spielmechaniken durch Taschenlampe, Fernbedienung und Co. lockern das Geschehen zwar auf, Rätselfreunde sollten allerdings nicht auf allzu große Kopfnüsse hoffen. Little Nightmares II legt im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger zudem noch eine Schippe drauf und bietet etwa das Doppelte an Spielzeit. Zwar sind die rund fünf Spielstunden noch immer nicht überragend, das Konzept trägt sich aber im Grunde sehr gut über das Abenteuer hinweg – ohne auffallende Länge.
Einen wirklichen Wiederspielwert besitzen die Level im Übrigen nicht. Abgesehen von einigen wenigen Sammelgegenständen wie neuen Hüten und mysteriösen Kinderseelen sind die einzelnen Kapitel recht linear aufgebaut und bieten nur wenig Erkundungsmöglichkeiten abseits der Hauptpfade.

Intensive Spielerfahrung

Obwohl Little Nightmares II spielerisch etwas auf der Stelle tritt und hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, besticht das Spiel allem voran durch seine immens dichte Atmosphäre. Die Inszenierung, die grafische Darstellung und nicht zuletzt der Umgang mit Licht und Schatten sind überaus stimmungsvoll sowie atmosphärisch. Die Tarsier Studios erschaffen hier eine verzerrte Version unserer Realität mit zahlreichen abstrusen und morbiden, aber nicht zuletzt auch erinnerungswürdigen Gestalten. Das skurrile Charakter- und Umgebungsdesign spielt in der oberen Liga mit und darf sich nur allzu gerne mit Genregrößen wie Limbo und Inside messen.

Little Nightmares II schafft und kreiert abstruse, grausame und verstörende Szenerien mit nur wenig Mitteln. Blut, Gore und Explizites braucht es gar nicht, um Emotionen wie Furcht, Angst und auch Brutalität darzustellen. Ebenso stark präsentiert sich auch das komplette Sounddesign des Spiels. Die Geräuschkulisse eines jeden Levels – ja eines jeden Abschnittes – ist immer genau auf den Punkt, wirkt bedacht und weise gewählt. Jedes Klirren, Quietschen oder Jaulen im Hintergrund ist genau da, wo es sein soll, um uns zu jeder Zeit einen kleinen Schauer über den Rücken zu jagen. Bedrückende metallische Klänge wechseln gekonnt mit lauten schrillen Tönen und unterstreichen den Gruselfaktor so nahezu perfekt. Hier knüpfen die EntwicklerInnen nahtlos am Erstling an und schaffen so eine tolle Spielumgebung, die durch Mark und Bein geht.

Fazit

Little Nightmares II ist ein intensives und atmosphärisches Gruselerlebnis, das allerdings auf spielerischer Seite etwas schwächelt. Das Charakter- sowie Sounddesign sind nach wie vor hervorragend in Szene gesetzt, die kurzweiligen Rätsel passen gut ins minimalistische Konzept und die skurrile Aufmachung fasziniert bereits von der ersten Minute an. Dennoch: Die unintuitive sowie träge Steuerung knabbert immer wieder an der Frusttoleranz und auch das Trail-&-Error-Konzept reißt uns unglücklicherweise wiederholt aus der intensiven Atmosphäre heraus. Little Nightmares II ist wie schon der Erstling vielleicht kein beinharter Horror, dafür aber sympathischer und kurzweiliger Grusel, der für einige Stunden gut zu unterhalten weiß.

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Little Nightmares II ist ein intensives und atmosphärisches Gruselerlebnis, das allerdings auf spielerischer Seite etwas schwächelt. Das Charakter- sowie Sounddesign sind nach wie vor hervorragend in Szene gesetzt, die kurzweiligen Rätsel passen gut ins minimalistische Konzept und die skurrile Aufmachung fasziniert bereits von der ersten Minute an. Dennoch: Die unintuitive sowie träge Steuerung knabbert immer wieder an der Frusttoleranz und auch das Trail-&-Error-Konzept reißt uns unglücklicherweise wiederholt aus der intensiven Atmosphäre heraus. Little Nightmares II ist wie schon der Erstling vielleicht kein beinharter Horror, dafür aber sympathischer und kurzweiliger Grusel, der für einige Stunden gut zu unterhalten weiß.Test: Little Nightmares II